Bericht · Ja, wirklich: Düsseldorf hat nicht nur „die“ Tonhalle, sondern über die Zeit bis zurück ins Jahr 1865 dreimal eine Tonhalle, jeweils an einem anderen Standort. Von dem Konzertgebäude, das über den längsten Zeitraum den Namen „Tonhalle“ trug, zeugt noch die Tonhallenstraße, die Verbindung zwischen der Ost- und der Schadowstraße. Denn an der Ecke dieser Straße und der Schadowstraße stand die erste dieser Tonhallen, genau auf dem Grundstück des heutigen Karstadt-Warenhauses. Denn das runde Ding am Ehrenhof trägt ja erst seit 1978 den bewussten Namen. Zuvor nannte man den Konzertsaal darin, in dem alle Größen der Rock- und Popmusik auftraten, bekanntlich „Rheinhalle“. Weniger bekannt ist, dass es zwischen 1875 und 1902 noch eine sogenannte „Tonhalle des Südens“ gab; und zwar an der Stelle, wo heute der Floragarten liegt. [Lesezeit ca. 5 min]
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Tatsächlich handelte es sich um eine private Institution, die 1902 von der Stadt übernommen wurde. Die Grünanlage dieser Veranstaltungsstätte bildete die Keimzelle für den Park an der Bilker Allee und war eigentlich das Hauptprojekt einer Aktiengesellschaft, die das Gelände erworben hatte, um dort einen Park nach englischem Vorbild zu schaffen. Zu dem gehörte neben dem Konzertgebäude mit mehreren Sälen und Gartenrestaurant noch ein Musikpavillon und ein Palmenhaus (nach dem die Palmenstraße, Verbindung zwischen der Bilker Allee und der Bachstraße, benannt ist). Während die „richtige“ Tonhalle ausdrücklich als Spielstätte für die kulturell wertvolle Musik diente, gab es in der „Tonhalle des Südens“ quasi die Popmusik jener Zeit.
Regelmäßig spielte dort die Kapelle des in Düsseldorf stationierten Infanterieregiments. Es gab Aufführungen von Singspielen und Operetten und überhaupt vorwiegend Darbietungen der leichten Muse. Warum die Stadt 1902 die Aktien der Gesellschaft übernahm, ist unklar. Jedenfalls wurde der aufwändig angelegte Park zur öffentlichen Anlage; der Musikpavillon wurde abgerissen und das Palmenhaus in den Zoo in Düsseltal verlegt. Die Tonhalle diente noch bis zum Beginn des ersten Weltkriegs als Veranstaltungsort. Dann wurde sie zum Lazarett, später zu einem Steueramt und einer Verwaltungsakademie. Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude so stark beschädigt, dass es abgerissen werden musste. An seiner Stelle steht heute das Haus der Wissenschaft.
Parallel dazu gab es die Tonhalle an der Schadowstraße, einer der ältesten Landstraßen Düsseldorfs, die über Jahrhunderte hinweg Flinger Steinweg genannt wurde. Der gesamte Bereich östlich der Königsallee lag bis Anfang des 19. Jahrhunderts noch außerhalb der Stadt und wurde teilweise landwirtschaftlich genutzt. Vom ländlichen Flingern aus führte der alte Handelsweg nach Düsseldorf. An der Ecke, von der hier die Rede ist, bestand – vermutlich schon seit den Zeiten als Goethe regelmäßig bei den Jacobis in ihrem Pempelforter Landgut zu Gast war – Beckers Gartenlokal, ein beliebtes Ausflugsziel und Vergnügungslokal mit einem großen Tanzsaal. Dieses Lokal hatte Anton Becker 1816 übernommen und zu einem kulturellen Mittelpunkt außerhalb der Stadt gemacht, wo unter anderem die Niederrheinischen Musikfeste stattfanden.
Als 1850 der Hofkonditor Franz Geisler die Wirtschaft übernahm, traten im dann sogenannten „Geisler’schen Saal“ die musikalischen Größen jener Zeit auf – von Robert Schumann bis Felix Mendelsohn-Bartholdy. Auf Initiative des städtischen Musikvereins übernahm die Stadt 1880 den Saal und errichtete hier in zweijähriger Bauzeit die Tonhalle, in der dann auch Franz Liszt und Johannes Brahms große Erfolge feierten. Düsseldorf war durch diesen Saal, der mehr als 2.800 Zuschauern Platz bot, auch in Sachen Musik zu einer europaweit bekannten Stadt geworden. Kein Wunder also, dass 1880 ein Neubau beschlossen wurde.
Dieses 1892 eröffnete Gebäude im Stil der Neo-Renaissance nahm genau den Platz des ehemaligen Gartenlokals ein und besaß eine große Terrasse unter Bäumen, mit der die Tradition als Ausflugsziel fortgesetzt wurde. Aber dadurch, dass man die bebaute Fläche deutlich vergrößert hatte, gab es in diesem Komplex zusätzliche Säle, Versammlungsräume, Gastronomien und Läden. Damit war der Grundstein für die – erst später so benannte – Schadowstraße als Einkaufsstraße gelegt. Inzwischen war der Flinger Steinweg auch nicht mehr so ländlich – die Randbebauung begann nun schon auf Höhe der heutigen Pempelforter Straße und setzte sich bis zur Kö fort. Eine Tonhallenstraße gab es aber immer noch nicht, weil das Gelände der Alten Tonhalle bis fast zur heutigen Einmündung der Oststraße reichte.
In den Räumen der Tonhalle feierte auch das närrische Brauchtum seine Feste, zum Beispiel den legendären, von Professoren und Studenten der Kunstakademie initiierten Maskenball nach venezianischem Vorbild, der nicht nur den typisch düsseldorferischen Saalkarneval begründete, sondern dafür sorgte, dass die Düsseldorfer Karnevalsprinzessin immer „Venezia“ heißt. Der Kaisersaal war den großen Konzerten mit Orchestern vorbehalten, im Rittersaal fand auch die leichtere Unterhaltung Platz, und im Garten gab es im Sommer regelmäßig Tanzveranstaltungen.
1942 wurde die Alte Tonhalle durch Bombentreffer so schwer beschädigt, dass die Mütter und Väter der Stadt von einem Wiederaufbau Abstand nahmen und die Ruine abreißen ließen. Im Zuge der radikalen Stadtplanung nach dem Zweiten Weltkrieg, die vor allem auf den Autoverkehr Rücksicht nahm, entstand die Tonhallenstraße, die den Anfang einer Verbindung quer durch Pempelfort bildete, die zuvor so nie bestanden hatte. Bis 1978 hatte Düsseldorf nicht nur keine Tonhalle mehr, sondern keinen Saal entsprechender Größe und Akustik für Konzerte klassischer Musik mit voller Besetzung. Erst der Umbau des ehemaligen Planetariums, das nach dem Krieg zur Rheinhalle wurde, gab der Stadt wieder eine Tonhalle.
3 Kommentare
Ich erinnere mich an viele unvergessenen Konzerte in der Rheinhalle. Mein erstes Konzert waren Sam the Sham and the Pharaos, gefolgt von Dave Deee, Dozy, Beaky, Mick and Tich und einem breitgefächrten musikalichen Kaleidoiskop: The Who, Deep Purple, Mothers of Invention, Grateful Dead, Jimi Hendrix, Jean-Luc Ponty mit Robert Wyattt (Soft Machine) am Schlagzeug, Dave Brubeck and Sons, Cuby * Blizzards, aber auch (als Begleiter meiner Schwester) Gilbert Bécaud und Abi & Esther Ofarim.
Bei einigen Konzerten waren mein Kumpel und ich früh am Bühneneingang, und wenn die Lkw entladen wurden, haben wir versucht, uns einen Verstärker zu schnappen und reinzutragen. Hat bei Deep Purple und Mothers geklappt, und das Konzert war gratis:-).
Schöner Artikel, in den sich aber ein Fehler eingeschlichen hat. Die Uraufführung der 8. Symphonie von Gustav Mahler fand erst am 12. September 1910 statt. Das angegebene Datum „1904“ der Aufführung der 8. Symphonie Mahlers in der Alten Tonhalle kann daher nicht stimmen. Die Düsseldorfer Erstaufführung der 8. Symphonie fand am 11. Dezember 1912 statt. Ich vermute, dass das Foto anlässlich dieser Aufführung aufgenommen wurde.
Vielen Dank für den Hinweis und die Richtigstellung!