[Glosse von Rainer Bartel] Großstadtbewohner, zumal aus Düsseldorf oder Köln, wissen, dass Skepsis geboten ist, wenn die örtlichen Tageszeitungen berückende Illustrationen möglicher Bauprojekte bringen und titeln, dass die Bürger von diesem oder jenem träumen bzw. es sich wünschen. Denn in der Regel geht es dann um den durch die eine oder andere politische Kraft untermauerte Phantasie von Projektentwicklern, die angesichts ihres Einfalls den Rubel schon in die eigene Kasse rollen hören. Düsseldorfer wissen aus Erfahrungen, dass solche Phantasien oft das Rheinufer und immer wieder einmal den Hafen betreffen – man erinnere sich an die verrückte Idee des Oberbürgermeisters, neben den Landtag zwei futuristische Hochhäuser in die Frischluftschneise klotzen zu lassen. Nun geht es wieder einmal um den Hafen…
Sicher, Stadt ist Veränderung, und eine wachsende Stadt wie Düsseldorf braucht Neubauten. Allerdings vorwiegend bei Wohnungen und am allermeisten beim bezahlbaren Wohnraum. Aber den zu produzieren interessiert die Mehrheit der Projektentwickler, Investoren und auch Architekten weniger. Wo man derlei doch ohne viel Federlesens überall nachverdichtet im Lego-Stil errichten kann. Es geht ihnen um das Besondere, weil das Besondere teuer ist – also sowohl in der Entwicklung als auch im Bau und je nach Zweck auch im Betrieb. Und was teuer ist, verspricht größere Profite. Mit Vorliebe schielt die Branche dementsprechend nach Baugrund in herrlicher Lage – und das heißt in der Landeshauptstadt: direkt am Rhein.
Das ist der Grund, weshalb der Hafen auf der Lausward schon seit seiner Reduktion auf ein bisschen Containerverladung im Fokus der Leute steht, die sich um so etwas kümmern. Tatsächlich profitiert die Stadt oft auch auf verschiedene Weise von den Phantasien der Projektentwickler und deren Realisierung. Bestes Beispiel könnte der sogenannte „Medienhafen“ sein, der mit Medien inzwischen kaum noch etwas zu tun hat. Im Bereich zwischen Zollhof und Franziusstraße hat man viele Investoren und auch Nutzer seinerzeit machen lassen. So sollten Unternehmen von der Nähe zum damals noch recht neuen Landtag, dem Rheinturm und dem Stadttor profitieren. Das hat auch gut geklappt; ungewöhnlich und weltweit beachtete Architektur wie die der Gehry-Bauten und der anderen Bürohäuser rund um den ehemaligen Handelshafen erzeugte tolle Bilder und mauserte sich zum Anziehungspunkt für Besucher Düsseldorfs. Allein, zum Hotspot für Gastronomie, Nachtleben und Kultur entwickelte sich der Medienhafen nicht bzw. nur für kurze Zeit. Inzwischen existiert keiner der einstmals schwer angesagten Clubs dort, und die durchweg guten und interessanten Restaurants verköstigen vor allem die Menschen, die hier arbeiten. Viele kreative Köpfe haben sich bereits zu diesem Problem Gedanken gemacht. So gibt es den Vorschlag, Pontons im Hafenbecken schwimmen zu lassen, auf denen die Passanten shoppen und snacken könnten sowie eine grundsätzliche Neuordnung der Bebauung am östlichen Kai. Viele Phantasien haben sich auch schon um den Bereich gedreht, auf dem am Ende der Landzunge aktuell der kreisrunde Bau der Wasserschutzpolizei steht. Das renommierte und in der Stadt mit herausragenden Bauwerken – z.B. den ARAG-Tower und das neue Albrecht-Dürer-Berufskolleg – vertretene Architekturbüro RKW kommt nun mit einem glamourösen Vorschlag: An der besagten Stelle solle das neue Opernhaus entstehen. Dies auch als Reaktion auf die anschwellende Diskussion um die Grundsanierung des jetzigen Hauses der Deutschen Oper am Rhein. Experten befürchten, diese könnte am Ende teurer werden als ein Neubau, weshalb verschiedene Architekten und eben auch Projektentwickler teils abenteuerliche Vorschläge öffentlich gemacht haben.Die Illustration, die RKW speziell über die führende Düsseldorfer Tageszeitung verbreitet hat, ist beeindruckend und soll vermutlich Assoziationen an die berühmte Oper in Sydney auslösen. Das Ding würde nicht ganz so monumental wie die Hamburger Elbphilharmonie, aber der Ehrgeiz scheint ähnlich. 280 Millionen Euro veranschlagen die Planer für den Bau samt kompletter Neugestaltung des gesamten Bereichs, zweite Rheintreppe inklusive. So diskussionswürdig das Projekt ist, sollte es kritische Bürger doch stutzig machen, mit welcher Vehemenz die besagte Tageszeitung den Bau PR-technisch fördert. Denn die Erfahrung lehrt, dass die Motive der Projektentwickler selten uneigennützig sind, dass am Ende das Geld der Bürger ausgegeben werden soll und dass die Baukosten schlussendlich niemals beim kalkulierten Wert liegen werden, sondern gern beim Drei-, Vier-, ja, sogar Zehnfachen. Was die Stadt Düsseldorf für diese Rheinoper investieren würde, würde aber für deutlich wichtigere Projekte, von denen eine Mehrheit der Bevölkerung profitiert fehlen. Und ob der Medienhafen wirklich durch diese Rheinoper aufgewertet würde, ist auch fraglich.