Es ist mal wieder so weit. Das US-Beratungsunternehmen Mercer, das Konzerne unter anderem beim Personalabbau berät und für seine Outplacement-Programme berüchtigt ist, hat seine aktuelle Studie zur „Quality of Living“ publiziert. Begleitet von einer heftigen Medienkampagne, die – wie jedes Jahr – in Düsseldorf auf besonders fruchtbaren Boden gefallen ist. Schließlich ist laut Mercer Düsseldorf auf Platz 6 der „beste Städte der Welt“. Beinahe alle Lokalmedien verschiedener Größe, Seriosität oder Bedeutung haben in den vergangenen Tagen mit dieser Meldung aufgemacht. Und nicht einer der zuständigen Redakteure hat recherchiert, an welche Zielgruppe sich Mercer wendet und welche Kriterien bewertet werden. Und das tun sie seit Jahren nicht. Dabei ist ein guter Platz in diesem Ranking für Otto und Ilse Normalbewohner in Düsseldorf eine schlechte Nachricht.

Es geht um so genannte „Expats„. Das sind besserverdienende Führungskräfte und Spezialisten, die samt Familie von global agierenden Konzernen irgendwo in die Welt geschickt werden, um die Unternehmensgewinne zugunsten der Investoren zu steigern. Adressat der Studie sind also potenzielle Klienten der Unternehmensberatung Mercer. Darunter finden sich sämtliche guten und bösen Konzerne dieser Erde. Die Studie dient letztlich auch als Standortempfehlung. Überlegen die Vorstände des ACME-Konzerns, einen Standort in Europa zu eröffnen, betrachten sie diese Rangliste – deren Kriterien sich samt und sonders um das Wohl der Gentry drehen, die dort verklappt werden sollen:

Zur Beurteilung der Lebensqualität jeder Stadt wurden 39 Kriterien analysiert, die aus Sicht von Mitarbeiter, die ins Ausland entsandt wurden, eine zentrale Rolle spielen. Diese Merkmale schließen unter anderem politische, soziale, wirtschaftliche und umweltorientierte Aspekte ein. Hinzu kommen Faktoren wie Gesundheit, Bildungs- und Verkehrsangebote sowie andere öffentliche Dienstleistungen. Für die aktuelle Studie untersuchte Mercer erstmalig gesondert das Merkmal „persönliche Sicherheit“. Denn die politische und soziale Stabilität am Einsatzort hat den größten Einfluss auf die Lebensqualität von Mitarbeitern, die von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsendet werden. Maßgebliche Kriterien zur Beurteilung sind beispielsweise innere Stabilität, Kriminalitätsraten und Leistungsfähigkeit der örtlichen Strafverfolgungsbehörden. [Quelle: Pressetext von Mercer zur Studie 2016]

Der gute Platz und die Folgen

Mit dem, was die Eingeborenen unter „Lebensqualität“ – zumal im Rheinland und in Düsseldorf – verstehen, haben diese Kriterien so gut wie nichts zu tun. Ethnische Vielfalt und kulturelle Angebote jenseits von Family-Entertainment kommen zum Beispiel nicht vor. Dafür aber als wichtiges Kriterium die Existenz von privaten Kindergärten und Schulen, ja, selbst die Stundensätze für Wachpersonal und Bodyguards. Ebenfalls bewertet wird, ob und welche Luxusmarken eigene Stores vor Ort haben.

Man könnte die Mercer-Studie auch „Anleitung zur Gentrifizierung“ nennen. Folgen die Konzerne den Empfehlungen tatsächlich, steigt die Zahl der Expats an den entsprechenden Orten. Das löst nicht nur steigende Mieten aus, sondern auch ein wachsendes Angebot an Bedingungen für diese Besserverdiener aus – natürlich zuungunsten der heimischen Bevölkerung. Wer also möchte, dass es in Düsseldorf weniger Subkultur, dafür mehr Disney-Musicals, weniger kommunale Einrichtungen rund um Erziehung und Bildung, dafür mehr Privatschulen und so weiter gibt, der möge die Mercer-Studie weiter Jahr für Jahr bejubeln.

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