Eine – offensichtlich erfundene – Anekdote geht so: Fragt ein Tourist, wie denn das Gebäude am Ende der Heinrich-Heine-Allee heißt. Sagt der Düsseldorfer: Dat is dat Willem-Marx-Haus. Kommt zurück: Nein, nein, Karl Marx hieß der, Karl… Dabei ist der Nachname Marx im Rheinland ja einigermaßen verbreitet und unter den 200 häufigsten Familiennamen in Deutschland; man denke nur an den Reichskanzler Wilhelm Marx oder den Kardinal Reinhard Marx und, ja, auch an die Marx-Brothers. Wir Düsseldorfer denken bei diesem Namen eben am ehesten an Wilhelm Marx, der von 1899 bis 1910 Oberbürgermeister der Stadt war und vielleicht der OB war, der Düsseldorf am meisten verändert hat.
Und zu Recht hat man das erste Bürohochhaus Deutschlands, denn das ist das Wilhelm-Marx-Haus, nach ihm benannt. Schließlich war er es, der – in enger Kooperation mit den Unternehmern Heinrich Lueg (Haniel & Lueg), Ernst Poensgen (Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke), Ernst Schiess (Werkzeugmaschinen Schiess) oder Hermann Heye (Gerresheimer Glashütte) – aus einem gerade erwachten, preußischen Provinzstädtchen, eine moderne Industriestadt machte. Und dies nicht nur durch Infrastrukturmaßnahmen wie die Einrichtung des neuen Rheinhafens auf der Lausward und den Bau der Oberkasseler Brücke, sondern vor allem, weil er Institutionen für die rasch wachsende Bevölkerung schuf. So entstand das erste Hallenbad an der Grünstraße, die Krankenanstalten (aus denen die Uni-Kliniken wurden) wurden errichtet, und Marx sorgte dafür, dass das Schulwesen der Stadt von Grund auf modernisiert wurde und etliche Schulen gebaut wurden. Aber die Liste der von ihm realisierten Errungenschaft ist wesentlich länger. Marx war es, der mit diversen Ausstellungen unterschiedlichster Art die Tradition Düsseldorfs als Messestadt begründete. Er sorgte dafür, dass die Stadt Standort eines Oberlandesgerichts wurde und initiierte die Bebauung des Exerzierplatzes zwischen Breitestraße und Königsallee – u.a. mit dem Görres- und dem Luisengymnasium sowie dem Stahlhof als Sitz der Vereinigung der stahlerzeugenden und -verarbeitenden Industrie. Dieses Gebäude führte letztlich zum Beinamen „Schreibtisch des Ruhrgebiets“, den Düsseldorf bis weit in die Siebzigerjahre trug. Gleichzeitig war er der erste deutsche Kommunalpolitiker, der 1908/09 ein Beschäftigungsprogramm für Arbeitslose auflegte. Außerdem förderte er Kunst und Kultur durch die Schirmherrschaft bedeutender Ausstellungen und die Unterstützung des Baus von Schauspielhaus und Apollo-Variete. Und als ob sich diese Stadt genau einen solchen OB geschnitzt hätte, war Wilhelm Marx auch dem Brauchtum zugetan und unterstützte es nach Kräften. Ihm zu Ehren gründete sich deshalb kurz nach seinem Tod die „Schützengesellschaft Reitercorps Wilhelm Marx„. Übrigens hat Wilhelm Marx‘ Wirken für die Modernisierung der Stadt nicht erst mit seiner Ernennung zum Oberbürgermeister begonnen. Schon als Beigeordneter unter OB Ernst Lindemann ab 1988 war er für Polizei, Feuerwehr, Fuhrpark sowie Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk zuständig. Im Gegensatz zu vielen Verwaltungsbeamte jener Zeit hatte er keine Scheu, auch tiefgreifende Veränderungen durchzusetzen. Auf seine Initiative hin wurde schließlich die Rheinufervorverschiebung, bei der das untere Rheinwerft entstand und die Stadt hochwassersicher gemacht wurde, durchgeführt. Dies brachte Düsseldorf Raum für moderne Bauten direkt am Rhein und führte letztlich zur heutigen Rheinpromenade. Nicht zuletzt war es Wilhelm Marx, der durch geschicktes Verhandeln und mit Rückendeckung der preußischen Verwaltung (bei der er einen hervorragenden Ruf genoss) die großen Eingemeindungen der Jahre 1908 und 1909 bewirkte; so wurden Wersten, Stockum, Rath, Gerresheim, Ludenberg, Eller, Himmelgeist und Heerdt zu Teilen der Stadt Düsseldorf.Über sein Privatleben ist wenig bekannt – außer, dass sein Sohn Paul zu einer Größe des deutschen Bankgewerbes wurde und dass er von 1885 bis zu seinem Tod im Jahr 1924 mit seiner Gattin Elise verheiratet war. Aus den wenigen Berichten von Zeitzeugen geht hervor, dass er mit seinem selbstbewussten und klaren Auftreten die Menschen beeindrucken und überzeugen konnte. Seinerzeit wurde der OB auf zwölf Jahre gewählt, was Persönlichkeiten wie Wilhelm Marx – im Gegensatz zu heutigen Lokalpolitikern – die Möglichkeit gab, seine Vorstellungen von der Stadt zu realisieren ohne auf eine mögliche Wiederwahl zu schielen.
Ein Kommentar
Es gibt sogar einen Schützenverein der dieses Andenken pflegt –> Gesellschaft Reitercorps Wilhelm Marx