Eines der ewigen Geheimnisse des Düsseldorfer Karnevals verbirgt sich hinter der Frage: Wieso heißt die Prinzessin bei uns Venetia? Nun handelt es sich bei diesem Ehrentitel um die italienische Form des Städtenamens Venedig. Damit ist die Spur zum venezianischen Karneval gelegt. Dabei ist Düsseldorf über die unvergleichlich schöne, vielseitig gebildete, kluge und fürsorgliche Anna Maria Luisa de’ Medici doch eigentlich mit Florenz in der Toskana verbunden, quasi der Konkurrenz. Tatsächlich aber hat der europäische Adel von Sizilien bis Dänemark, von England bis nach Russland seit dem Ende des Mittelalters einen Faible für den Karneval in Venedig – beginnend in der Renaissance und massiv dann im Barock. Denn dieses spezielle, sich über zwei Monate hinziehende, die ganze Stadt erfassende Maskenfest beflügelte die Fantasie der Feierwilligen in den Schlössern. Ja, der Begriff „venezianischer Karneval“ wurde quasi zur Chiffre für prunkvollen Mummenschanz.

Jan Wellem und Anna Maria Luisa haben sich verkleidet

Jan Wellem und Anna Maria Luisa haben sich verkleidet

Tatsächlich beruht der Karneval in Venedig aller Wahrscheinlichkeit nicht auf irgendeiner Art Fastenbrauch, sondern stammt vermutlich von den römischen Saturnalien ab. Anlass für das Fest war aber ab dem zwölften Jahrhundert das Feiern des Sieges Venedigs über Aquilea. Darüber wussten die feinen Hofdamen, die voll auf den venezianischen Karneval abfuhren, vermutlich nichts; möglicherweise kannten sie das Fest nur vom Hörensagen und von Stichen mit den Masken, die in diesen Kreisen kursierten. Das alles wird die süße Anna Maria Luisa, die Gattin des Jan Wellem, gewusst haben. Verbrieft ist, dass es im Düsseldorfer Schloss schon bald nach ihrer Ankunft als Gemahlin die ersten venezianischen Maskenfeste gab.

Die offizielle Erklärung des Ehrentitels Venetia geht dementsprechend so:

Die Frau von Jan Wellen gab im Malkasten ein Venetianisches Fest zu Gunsten der Armen. Das war in der Zeit von 1669 bis 1719. Da gab es noch keinen Prinz Karneval. Sie lud den Held Karneval aus Dülken ein. Dieser suchte sich aus den Frauen seine persönliche Lieblingsdame aus. Das war dann die Venetia. [Quelle: Comitee Düsseldorfer Carneval e.V.]

Seine Tollität und ihre Lieblichkeit, die Venetia in den Siebzigerjahren

Seine Tollität und ihre Lieblichkeit, die Venetia in den Siebzigerjahren

Weil das CDC das schreibt, wird es schon stimmen. Oder? Denn diese Definition findet sich beinahe wortgleich, nur verschieden stark ausgeschmückt an den unterschiedlichsten Stellen – nur Quellen nennt niemand dafür. Belegbar ist, dass in Dülken am Niederrhein im 16. Jahrhundert Karneval gefeiert wurde. Bekannt ist, dass da, wo es zu jener Zeit Umzüge gab, bisweilen eine Figur namens „Held Karneval“ mitspielte. Und dass ett Anna Maria Luisa ein Herz für die Armen hatte und viel für die Unterprivilegierten tat, ist ebenfalls aktenkundig. Ob sie aber tatsächlich so etwas wie Benefizbälle im Schloss Jägerhof abhielt, ist Spekulation. Na klar, gefeiert wurde in ihren Düsseldorfer Jahren zwischen 1695 und 1717 viel und kräftig und sicher auch gern im venezianischen Stil.

Nehmen wir also einfach an, dass dem Jan Wellem seine Frau um den Jahrhundertwechsel herum mal in Dülken angefragt hat, wie es denn mit dem rheinischen Karneval so aussähe. Da wird dann wohl das komplette Dülkener Narrenkommitee rübergekommen sein, den Helden Karneval im Schlepptau. Der wurde dann vermutlich bei einem dieser Feste zum Ehrengast gekürt und sollte – vermutlich hatte er keine Frau dabei – aufgefordert, sich eine Begleiterin für den Abend zu wählen. Die hat man dann entsprechend des Themas eben als Venetia bezeichnet.

Noch ne Venetia - sie amtierte 1988

Noch ne Venetia – sie amtierte 1988

Nun hat sich der rheinische Karneval im Allgemeinen und der Düsseldorfer Karneval im Besonderen seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts mehrfach verändert bzw. verändern müssen. Denn das närrische Brauchtum lag eigentlich immer mit der Kirche oder der jeweiligen politischen Macht über Kreuz. Deshalb wurden immer wieder bestimmte Bräuche und vor allem die Straßenfeste und Umzüge verboten. Rosenmontagszüge wie wir sie heute kennen, kamen so erst nach 1820 auf. Und zwischen diesem Zeitpunkt und der Jahrhundertwende bzw. kurz vor dem ersten Weltkrieg festigten sich die verschiedenen närrischen Rituale.

Die Venetia, die von der Antenne kam...

Die Venetia, die von der Antenne kam…

So war es zumindest in Köln, der unbestrittenen Hochburg des rheinischen Karnevals. Düsseldorf war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts einfach zu klein, um gegen den kölschen Fastelovend anstinken zu können. Zumal es nur in den bäuerlichen Vororten der schönsten Stadt am Rhein überhaupt karnevalistische Traditionen gab. Den großen Schub bekam der Düsseldorfer Karneval erst durch das partyfreudige Volk an der Kunstakademie, das es im neuen Gebäude ab 1879 so richtig krachen ließ. Besonders wichtig war die Rolle der Künstler bei der Wiedererweckung der venezianischen Bälle, denn natürlich hatten die Kreativen es besonders mit Masken und Kostümen. Hier ist übrigens der Ursprung des Düsseldorfer Saalkarnevals, gern auch abwertend „Lackschuhkarneval“ genannt, zu suchen. Kein Wunder also, dass der Ehrentitel Venetia für die Begleiterin des Prinzen Karneval sich bis heute gehalten hat.

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