„Im Kleinen das Große erkennen“ – Das ist Bonsai philosophisch betrachtet. Was uns sonst groß und mächtig überragt, in Minatur direkt vor uns. Aber Bonsai ist viel mehr: eine Demonstration der menschlichen Kunstfertigkeit, die sich die Natur untertan macht, Bewunderung für die Schönheit, für das enormen Alter der Bäume, die so klein vor uns stehen, so zerbrechlich wirken, in ihren flachen Schalen. Ein Besuch des Bonsai Museums in Düsseldorf lohnt sich. Trotz aller Zwiespältigkeit – ein faszinierender Einblick in die japanische Gartenbaukultur.

Bonsai-Kiefer

Eine Bonsai-Kiefer

Eine chinesische Kiefer, circa 150 Jahre alt. Sie steht auf einem kleinen Podest. Die Wurzeln in einer flachen Schale. Vielleicht einen Meter hoch, vielleicht etwas mehr. Ihr Stamm hat einen Durchmesser von 10 Zentimetern und weist – nach Manier der japanischen Gartenkunst – eine S-Kurve auf, bevor sich die Äste entfalten. Die Nadeln präsentieren sich in frischem, leuchtendem Grün.

Ein Baum, wie wir ihn aus den japanischen Gärten in Düsseldorf kennen. Dort allerdings fünf bis sieben Meter hoch – und natürlich lange nicht so alt. Im Düsseldorfer Bonsai-Museum an der Hammer Dorfstraße kann man auf 1.500 Quadratmetern Freilichtfläche viele dieser Exemplare bestaunen. Nicht alle sind so alt. Nicht alle sind aus China. Zu meinem Erstaunen finde ich heimische Hölzer wie die Hainbuche, den Goldregen und das Pfaffenhütchen. Es ist Blütezeit und manche der Exemplare entfalten ihre volle Pracht.

Schrifttafeln geben Informationen zu den Bäumen

Schrifttafeln geben Informationen zu den Bäumen

Schrifttafeln im Museum geben Auskunft über Sinn und Historie der aufwendigen Baumkunst. Die ersten Bonsais sollen bereits 200 v.Chr. in China gezogen worden sein. Mit dem Leitgedanken „im Kleinen das Große erkennen“ widmeten sich Fürsten und Samurais ab dieser Zeit der aufwendigen Gartenpflege. So entstanden Miniaturlandschaften, in denen Felsformationen Berge darstellen, ein kleiner Teich ist das Meer, künstliche Bachläufe und Wasserfälle sind die Flüsse. Anmutige Brücken und liebevoll gestaltete Plätze laden zum Verweilen ein.

Ein Paradies auf kleinstem Raum. „Ein Bonsai ist wie ein Haustier! Wenn es so sonnig wie jetzt ist, braucht er jeden Tag Wasser“, erklärt mir mein Museums-Guide. Auf der Internetseite erfahre ich, dass es sich bei den Vorstandsmitgliedern des Vereins Bonsai Museum Düsseldorf e.V. um erfahrene Bonsai-Lehrer handelt, die regelmäßig Seminare zum Thema Zucht und Pflege veranstalten.

Ein Bonsai-Bäumchen in voller Blütenpracht

Ein Bonsai-Bäumchen in voller Blütenpracht

Es ist von „Verdrahtungstechniken“ die Rede, von regelmäßiger Beschneidung der Wurzeln, von handwerklicher Bearbeitung der Stämme – alles mit dem Ziel, die Illusion eines perfekten Baumes in Miniaturformat zu erzeugen. Das klingt gruselig. Schließlich sind Bäume doch Lebewesen! Beim Betrachten eines besonders verformten, an einen Klumpfuss erinnernden Baumstamms kommen mir die verschnürten, verkrüppelten Füße der Chinesinnen bis ins 19. Jahrhundert in den Sinn. Man stelle sich nur vor, ein Mensch wird verdrahtet, beschnitten, mit Seilen in eine bestimmte Form gezwungen. Vorsichtig erwähne ich diesen Zwang, die Vergewaltigung der pflanzlichen Natur.

Mein Gesprächspartner ist ganz offensichtlich auf solche Fragen vorbereitet. „Wir sehen es nicht als Zwang. Es ist Gestaltung und in den Pflanzen sind diese Möglichkeiten der Veränderung vorhanden. Warum soll man nicht damit arbeiten? Wir lieben die Pflanzen. Die Pflege ist sehr aufwendig. Sie erreichen ein enormes Alter, und wo sonst bietet sich die Möglichkeit, einen Baum so aus nächster Nähe und im Detail zu betrachten?“

Bonsai und China? Das gehört doch nach Japan! So erkundige ich mich, ob mein Gegenüber regelmäßig nach Japan reise, ob er japanische Besucher haben. Ja, er sei oft da gewesen. Allerdings nie länger als zwei Wochen. Die japanische Kultur sei schon speziell und lange nicht mehr so traditionsbewusst. Japanische Besucher – nein, die habe er nicht. Er verzieht den Mund zu einem ironischen Lächeln. Zu offiziellen Empfängen erscheine allerdings regelmäßig ein Mitarbeiter der Japanischen Botschaft und leihe einen Bonsai aus – zu repräsentativen Zwecken. Und weiter: Wenn man Bonsai in Japan sehen wolle, müsse man wissen wo.

Die begeh- und erlebbare Variante – die berühmten, japanischen Gärten allerdings, die gibt es. In Mitten der Betonwüsten japanischer Großstädte öffnet sich immer wieder die Pforte zum Paradies. Eine Miniaturlandschaft mit Meeren und Bergen, Flüssen und Wasserfällen, gezupften Moosflächen und geharkten Kieswegen – und mit Bäumen, die sich vor dem Menschen verneigen.

www.bonsai-museum.de
Hammer Dorfstraße 167
40221 Düsseldorf
Fon: +49 (0)211 – 30 67 73
Fax: +49 (0)211 – 39 85 473
Mail: info@bonsaiwerkstatt.de

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag jeweils 14:30 – 18:30
Samstag und Sonntag jeweils 11:00 bis 17:00
an Feiertagen nach Vereinbarung

Eintrittspreise:
Erwachsene: 5 Euro
Kinder, Schüler und Gruppen ab 3 Personen: 3 Euro

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