Für jeden geborenen Neusser ist das Schützenfest Karneval, Kirmes, Weihnachten und Ostern auf einmal – jedes Jahr an vier Tagen im August. Wer weder in Neuss geboren ist oder sich als Zugezogener zu Neuss bekennt, kann auch nur annähernd erahnen, was dieses Ereignis für die Bürger der alten Römerstadt bedeutet. Ein echter Nüsser sagte einmal: „Das ganze Jahr läuft auf diesen Höhepunkt zu; und wenn es vorbei ist, fangen wir schon wieder an uns drauf zu freuen.“ Leider tun sich ja viele Menschen aus anderen Regionen mit dem rheinischen Brauchtum schwer und pflegen ihre Vorurteile. Manche tun das ganze Brimborium rund ums Schützenfest lediglich damit ab, dass sich der spießige Klüngel selbst feiert. Aber das greift nicht nur zu kurz, das ist einfach falsch.

Die Hoenesse tragen die gewaltigen Blumenhörner

Die Hoenesse tragen die gewaltigen Blumenhörner

In Wirklichkeit hat dieses historische Fest identitätsstiftenden Charakter, es erfasst die Neusser unabhängig von Herkunft, Alter und sozialem Status. Im Zentrum stehen die rund 7.500 aktiven Schützen des Regiments, die beim Fackelzug, der Königsparade und dem großen Festzug mitmarschieren. Sie alle sind Mitglied im Neusser Bürger-Schützen-Vereins e.V., der das alles organisiert. Auch wenn das Schützenfest in Hannover zahlenmäßig größer ist, gilt das Neusser Bürger-Schützenfest als das größte von einem Verein organisierte. Neben den Umzügen stehen der Grenadier- und der Jägerball sowie der Krönungsball zum Abschluss im Zentrum der Aktivitäten. Wenn die Schützen vom Markt aus durch die Straßen und Gassen marschieren, dann jubeln ihnen dichtgedrängte Menschenmassen zu. Man kann auch sagen: An diesen Tagen ist ganz Neuss auf den Straßen.

Mit Böllerschüssen wird das Schützenfest eröffnet

Mit Böllerschüssen wird das Schützenfest eröffnet

Dass der aktuelle Fortuna-Trainer Friedhelm Funkel (nach Möglichkeit) mitmarschiert, gilt vielen nur als mehr oder weniger lustige Macke. Tatsächlich ist Funkel ein echter Neusser und deshalb seit frühester Kindheit mit dem Schützenfest verbunden. Und es sind eben nicht nur die 7.500 Aktiven, die dieses Fest tragen, sondern deren Familien, Freunde und Nachbarn. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das Bürger-Schützenfest ist aber auch von enormer Bedeutung für die Lokalpolitik und die lokale Wirtschaft. Denn natürlich sind alle ortsansässigen Unternehmer, Händler und Handwerker auf irgendeine Weise mit dem Brauchtum verbunden, und natürlich werden rund um das Schützenfest auch Entscheidungen vorbereitet und Geschäfte eingefädelt. Das alles auf sehr, sehr rheinische Art, also freundschaftlich, jovial, manchmal lautstark, immer mit gemeinsamen Essen und Trinken verbunden und nie ausgrenzend.

Der Kirmesplatz an der Galopprennbahn

Der Kirmesplatz an der Galopprennbahn

Zum Schützenfest gehört natürlich auch die Kirmes an der Galopprennbahn mit der legendären Rollmopsallee, quasi der Hauptstraße des Vergnügungsgeländes. Der Platz mit seinen knapp 50.000 Quadratmetern und der 1,5 Kilometer langen Rollmopsallee ist natürlich nicht annähernd so groß wie die Größte Kirmes am Rhein in Düsseldorf, aber bietet den Neusser mit fast vierzig Fahrgeschäften, mehr als fünfzig Bierständen und Imbissen sowie dem großen Festzelt alles, was eine Kirmes ausmacht.

Komischerweise interessieren sich die Düsseldorfer – so sie denn nicht geborene Neusser sind – nicht besonders für das Neusser Bürger-Schützenfest; da sind die Menschen aus dem Umland von Meerbusch über Kaarst bis Nievenheim schon wesentlich mehr fasziniert und strömen gerade am Samstag und Sonntag in Massen zu den Umzügen und auf die Kirmes. Vielleicht ist das 194. Neusser Schützenfest Anlass genug für Leute aus der Großstadt gegenüber, an diesem Wochenende mal in Neuss vorbeizuschauen.

[Alle Fotos: Neusser Bürger-Schützen-Vereins e.V.]

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