Lesestück · In diesen Wochen wird in Düsseldorf ein Stück U-Bahn-Tunnel saniert, das es eigentlich nicht geben dürfte. Es befindet sich unterhalb der Immermannstraße zwischen der Karl- und der Charlotten- bzw. Oststraße und ist das Relikt früher Pläne aus den Fünfzigerjahren, Düsseldorf mit einer U-Bahn auszustatten – genauer gesagt: einer Unterpflasterbahn. Wie wir wissen, dauerte es nach der Fertigstellung dieses Tunnels im Jahr 1958 noch bis 1988 bis der U-Dachs seine Arbeit getan hatte und die erste und zweite Stammstecke eröffnet wurden. Öffentlich zugänglich war das Stück an der Immermannstraße nie, aber es gab immer Leute, die einen Schlüssel für den Eingang an der Karlstraße besaßen. [Lesezeit ca. 4 min]

Im Gegensatz zu Berlin gibt es nämlich keine „Gesellschaft zur Erforschung und Dokumentation unterirdischer Bauten“; die „Berliner Unterwelten“ genannte Organisation ist ja inzwischen bundesweit durchs Fernsehen bestens bekannt. In Düsseldorf war es immer nur einer Handvoll Freaks vorbehalten, den hiesigen Untergrund zu erforschen. Einen von ihnen, nennen wir ihn Bernd K., lernte ich in den späten Siebzigerjahren kennen. Obwohl er ein schlimmer Geheimniskrämer war und seine Motive vermutlich nicht ganz sauber waren, fasste er Vertrauen und nahm mich ein paar Mal mit. Noch heute kenne ich vier Einstiegspunkte in das ziemlich ausgedehnte System an Gängen, Stollen und Tunneln im Bereich des Hautbahnhofs und des ehemaligen Güterbahnhofs Derendorf.

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Auch im Blindtunnel an der Immermannstraße war ich so um 1984 herum einmal mit ihm. Dort unten findet man den Rohbau einer U-Bahnhaltestelle mit Vorrichtungen für die Gleisanlagen, Bahnsteigen und einem rudimentären Treppenhaus zur Karlstraße hin. Im Westen endet der Bau blind, vermutlich irgendwo zwischen Charlotte- und Oststraße. In den Achtzigerjahren rankten sich eine Reihe von Legenden um den Tunnel. Er sei von den Nazi für unterirdische Versorgungstransporte angelegt, hieß es, oder: es handele sich um einen nicht fertiggestellten Atombunker für die politische Elite der Stadt. Während die letztgenannte Theorie klar ins Reich der Verschwörungen reicht, ist die Nazi-Geschichte nicht so weit hergeholt. Tatsächlich hatten die Gaubehörden einige Geheimgänge im Bereich des Hautbahnhofs angelegt – vermutlich als unsichtbare Verbindungen zwischen Luftschutzbunkern; die alle unter dem Hbf beginnen oder enden.

Unter der Allee in der Bildmitte verläuft der Blindtunnel (Google-Map)

Unter der Allee in der Bildmitte verläuft der Blindtunnel (Google-Map)

Die Geschichte um den Immermanntunnel ist viel prosaischer und steht im Zusammenhang mit der Planung einer „autogerechten Stadt“ durch den damaligen Planungsdirektor Tamms und dessen von den Vorstellungen der Nazis geprägten Ideen einer „modernen Stadt“ zu tun. Schon ab 1949 wurde in den Tamm’schen Vorstellungen deutlich, dass die Oberfläche durchgängig den Autos gehören sollte und dass in diesem Zusammenhang die Straßenbahn – zumindest im Zentrum – völlig abgeschafft werden sollte. Dies war eine Idee, die damals in vielen stark zerstörten Großstädten (unter anderem auch Hannover) Freunde fand. Stattdessen sollten Autobusse – es wurden speziell kleinere und wendigere Modell entwickelt – und Unterpflasterbahnen den ÖPNV übernehmen. „Unterpflasterbahnen“ nennt man Systeme, bei denen die Schienenfahrzeuge dicht unter dem Straßenniveau fahren, was auch den Vorteil hat, dass man die „Tunnel“ rasch in offener Bauweise vortragen kann.

Jedenfalls wurde im Düsseldorf der Fünfzigerjahre heftig über das Thema debattiert, und selbst die Präsentation neuer Großraumwagen für die Rheinbahn wurde zum Politikum rund um die Unterpflasterbahn. Über die Frage, wann genau und aus welchem Grund der Blindtunnel dann in den Jahren 1956 bis 1958 geplant, beschlossen und gebaut wurde, findet man in den einfach zugänglichen Stadtarchiven nichts – eine tiefere Recherche inklusive der Durchsicht der zugehörigen Sitzungsprotokolle des Rates der Stadt wäre nötig. Denn erst 1959 entstand ein Konzept im Tamm’schen Sinne für ein 47 Kilometer langes U-Bahnnetz, dessen Realisierung zur beinahe völligen Abschaffungen von Straßenbahnen, aber auch Autobussen geführt hätte.

Auf diesem Netzplan der Stadtbahn sind auch die Strecken laut der Pläne von 1962 zu sehen (hellgrau markiert)

Auf diesem Netzplan der Stadtbahn sind auch die Strecken laut der Pläne von 1962 zu sehen (hellgrau markiert)

Als man 1962 dann so weit war, hatten sich die Pläne für die Stadtbahn Rhein-Ruhr, zu der auch alle entsprechenden S-Bahn-Linien gehören, konkretisiert, und Düsseldorf wurde von der Landesregierung gezwungen, die eigenen U-Bahnpläne diesem Konzept unterzuordnen. Es hätte nicht viel gefehlt und Düsseldorf hätte seine Träume von einer U-Bahn mangels Landeszuschüssen beerdigen müssen. Man war flexibel und schrieb das Konzept um, ohne aber in Wahrheit auf die dahinterstehende Idee zu verzichten. So kam es dann am 24. März 1973 zum ersten Spatenstich für das Projekt, das mit dem Maskottchen U-Dax für Sympathie warb. Die erste Baugrube entstand auf der Fischerstraße direkt an der Alten Messe (heute: ERGO). Aus Kostengründen wurde der Tunnel durch den Hofgarten Richtung Altstadt offen ausgeführt – über fast acht Jahre verunzierte diese Wunde den herrlichen Park. Für diese Strecke, die man gleichzeitig nach Norden und Süden baute, hatte man sich entschieden, um die 1971 eröffnete Neue Messe in Stockum und auch das Rheinstadion ÖPNV-technisch besser erschließen zu können.

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