In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurde der Tag des Kindes noch mit einem echten Volksfest gefeiert – eine Erinnerung…
Lesestück · Mein Vater war bestimmt n Soze… Wenn’s nach seiner Herkunft gegangen wäre, hätte er sogar Kommunist sein müssen damals in den späten Fünfzigern. Tatsächlich war er der klassische Aufsteiger, der sich durch Fleiß und Anpassungsfähigkeit ins Bürgertum hocharbeiten wollte. Sein früher Tod mit 43 Jahren verhinderte die Umsetzung. [Lesezeit ca. 3 min]
Ich erinnere mich noch recht lebhaft an die politischen Diskussionen in jenen Jahren. Man war ja praktisch jedes Woche irgendwo bei der Verwandtschaft oder bekam Besuch. Nach dem Kaffeetrinken kamen die Likörchen für die Damen (Echte Kroatzbeere, Verpoorten Eierlikör etc pp) auf den Tisch, und die Männer nahmen die ersten Schnäpse. Später gab’s Abendbrot und Bier. Dabei wurde politisiert. Ganz lebhaft vor Ihren habe ich noch eine heftige Debatte zwischen meinem Vater und unserem Nachbarn, Herr Fischer. Der hatte sich – es muss im Jahr 1958 oder 1959 gewesen sein – bei der Bundeswehr beworben. Mein Vater machte ihm Vorwürfe: „Mensch, Hans, sei doch froh, dass du den Krieg überlebt hast. Wie kannst du noch mal den grauen Rock anziehen wollen?“
Herr Fischer wehrte sich nach Kräften, und wurde dann tatsächlich Berufssoldat. Die Familie zog nach Bad Godesberg in eine hübsche Dienstwohnung, wo wir sie regelmäßig besuchten. Tatsächlich hat mein Vater auch später in vielen Gesprächen deutlich gemacht, wie sehr er das Militär („der Barras“) verabscheute und sich Frieden wünschte. Schließlich hatte er ja auch als Soldat viel Glück gehabt. Er war noch vor seinem 19. Geburtstag, also vermutlich im Sommer 1942, zum Afrikakorps gekommen.
Bei seinem allerersten Einsatz geriet er in britische Gefangenschaft – ohne einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben, wie er immer betonte. Zunächst verschlug es ihn nach Australien, wohin die Briten („der Tommy“) Deutsche brachte, weil die Lager in Afrika und England überquollen. Kurze Zeit später wurde er dann in die USA verschifft. Er landete in einem größten Kriegsgefangenenlager in Oklahama, wo er bis 1946 blieb. Schließlich gelangte er zum Arbeitseinsatz auf einen Bauernhof in Nordengland. Im Spätherbst 1947 wurde er entlassen und ging zurück nach Deutschland. So verbrachte der junge Mann die fünf Jahre zwischen seinem 19. und seinem 24. Lebensjahr vorwiegend in Gesellschaft von Männern.
Viele andere seiner Äußerungen, die ich noch im Kopf oder den Ohren haben, lassen darauf schließen, dass mein Vater eher linksorientiert war und mit hoher Wahrscheinlichkeit SPD-Wähler. Dafür spricht auch, dass bei uns eigentlich ständig Adenauer-Witze gerissen wurden und Franz-Josef Strauß als gefährlich galt. So nimmt es auch nicht weiter wunder, dass wir jedes Jahr zum „Tag des Kindes“ auf die Ballonwiese im Volksgarten pilgerten.
Dort hatten „Die Falken„, also die SPD-nahe, sozialistische Jugendorganisation immer eine Art Budenfest ausgerichtet. Man konnte Nägel in Balken kloppen, Dosen umschmeißen und was es damals sonst noch so an Kinderbelustigung gab. Zwangsschminkung und Hüpfburg waren zum Glück noch nicht erfunden. Den Höhepunkt bildete aber immer der Ballonwettbewerb. Man bekam einen Ballon, an dem man eine Postkarte befestigte, auf der man Name und Adresse verzeichnete. Wessen Ballon am weitesten geflogen war – vorausgesetzt, es gab einen Finder, der die Karte zurückschickte -, der gewann einen Preis. Komischerweise erinnere ich mich überhaupt nicht, ob und was es da zum Essen und Trinken gab…
Damals gab es ja nur den Volksgarten, nicht aber seine Erweiterung zum Südpark. Die entstand erst zur Bundesgartenschau des Jahres 1987. Auch die Philipshalle entstand erst 1971. Für uns Pänz von der Corneliusstraße war der Volksgarten eindeutig Heimrevier. Wir mussten ja bloß ein Stück die Erasmusstraße runter zur Düssel, dann an der Düssel entlang und über den Hennekamp rüber. An der Unterführung zur Emmastraße war das Büdchen (seit der Buga ist dort wieder eins…), gegenüber der Wasserspielplatz und dahinter die Ballonwiese. Dort konnte man prima bolzen und toben.
Allerdings war am östlichen Zaun auch die Welt zuende. Keiner von uns wusste, was sich dahinter befand; Bälle die dorthin flogen, waren unwiederbringlich verloren…