Lesestück · Gehen die Menschen heute in ihren Mittagspausen noch essen? Also in ein Restaurant? Oder holen sie sich einen hippen Snack und speisen im Gehen? Gibt es noch Kantinen? Vermutlich ja. Jedenfalls bieten viele Gastronomen – wenn sie nicht gerade wegen der Seuche auf Abhol- und Lieferservice ausweichen müssen – Mittagskarten oder einen Mittagstisch zum Festpreis an. Für uns Kollegen im Hause Data Becker in den Achtzigerjahren war das gemeinsame Essengehen zur Mittagszeit jedenfalls ein festes Ritual. Und eines unserer Lieblingsziele war das Restaurant in der obersten Etage des Möbelhauses Schaffrath an der Aachener Straße. [Lesezeit ca. 3 min]
Es hieß dann: „Kommt, lasst uns Möbel essen gehen.“ Das Möbelhaus war so um 1986 herum noch ziemlich neu. Ganz oben hatte man einen luftigen Gastraum eingerichtet, man konnte zudem konnte man sich bei schönem Wetter auch draußen auf der geräumigen Terrasse niederlassen. Die Auswahl nahm man am Büffet vor, bestellte also das Gewünschte, nahm sich Salat und sonstiges Zubehör und taperte dann mit dem Tablett zu den Stammplätzen hinten links. Meist waren wir aus der Redeaktion Data Welt zu viert oder fünft, nicht selten trafen wir dort dann Leute aus anderen Abteilungen. Und wie sich das gehört, wurde während der Mittagspause, die sich schonmal über die eigentlich festgelegte Zeit hinaus hinzog, ordentlich gelästert und gerüchtet.
In jenen Jahren ging dort ein sehr guter, sogar ambitionierter Koch zu Werke, sodass es neben der üblichen Schnitzelküche immer auch ungewöhnliche, ja, exotische Gerichte gab. Das alles zu fairen Preisen. Vor einigen Jahren war ich mal wieder dort; wir hatten nach Möbeln gesucht, und ich hatte vorgeschlagen, dort oben wenigstens einen Kaffee zu nehmen. Wie damals stiegen wir in den gläsernen Aufzug, aus dem man einen Blick bis ins Basement hat. Es war wie damals, selbst die Anordnung und Einrichtung hatte sich wenig verändert. Dafür war das Speisenangebot aber doch eher durchschnittlich.
Bouzouki-Mucke in der Endlosschleife
Die wichtigste Alternative zum Möbelhaus war das Griechenrestaurant Kavala auf der Brunnenstraße, das es inzwischen wieder gibt. Dieser Laden war so typisch, dass sein Ambiente und seine Einrichtung am Klischee kratzten – Bouzouki-Mucke vom Band in Endlosschleife inklusive. Hier gingen wir nicht einfach hin, um Essen zu fassen, hier hielten wir informelle Redaktionskonferenzen ab. Der ewige Kellner dort lieferten uns einen Dauerspruch. „Was Nummer?“ fragte er, wenn einer seine Bestellung aufgab. Und wenn er nicht gebraucht wurde, studierte er die Rennzeitung, um dann per Telefon Wetten auf Pferde zu platzieren.
Im Unterschied zum Möbelhaus war beim Kavala für uns Alkohol beim Essen nicht tabu. Ein, zwei Bierchen durften es schon sein, auch mal einen Metaxa und ganz sicher ein paar Ouzo, wenn jemand ein eher schweres Gericht gewählt hatte. Die Auswahl war lang und breit und so griechische, wie eine Speisekarte nur griechisch sein kann. Wenn ich mich recht erinner, gab es auch eine Gyros-Pizza, von der eine vierköpfige Familie hätte satt werden können. Eine Mittagspause beim Griechen war auf jeden Fall teurer als bei Schaffrath.
Tränenrührend altmodisch
Auf eine Art altmodisch, die mir heute fast die Tränen in die Augen treibt, war unsere dritte Wahl: das Burehüske an der Ecke der Merowinger- mit der Suitbertusstraße. Das hat vor einigen Jahren seine Türen und Fenster für immer geschlossen, steht schon lange leer und verstaubt langsam. Das Burehüske war der Favorit der Data-Becker-Forschungsabteilung, bestehend aus den genialen Frickler Klaus Gerrits, Lothar Englisch und Rolf Brückmann. Hier gab es einen traditionellen Mittagstisch, auf Wunsch mit Vorsuppe und Nachspeise. Die Gerichte waren bodenständig bis rustikal, allerdings geschmacklich eher nicht wie bei Muttern.
Von der ganzen Atmosphäre her war das dunkelbraune, rauchgeschwängerte Burehüske in jeder Hinsicht das absolute Gegenteil vom hellen, modernen Schaffrath-Restaurant. Trotzdem hatte andere Gastronomien im Umfeld kaum eine faire Chance. Da gab es einen italienischen Imbiss in Richtung Bilker Bahnhof, den wir gelegentlich probierten. Oder dieses riesige Wirtshaus, das heute Sankt Suitbertus heißt. Drinnen gab es Hausmannskost zu günstigen Preisen, außerdem war eine Art Imbissschalter installiert, wo man halt Pommes etc. bekam. Und in ganz seltenen Fällen, quasi zu besonderen Anlässen, frequentierten wir das feine Restaurant an der Ecke Karolinger- zur Brunnenstraße. Dort waren die Tische weiß eingedeckt, die Stühle gepolstert, die Stimmung vornehm. Das schlug sich sowohl in den Speisen als auch in den Preisen nieder.