Die üblichen Erklärungsmuster erklären dieses schäbige Remis nicht…
Analyse · Der langjährige Fortuna-Fan fürchtet bekanntlich nicht das Leben, greift aber gern mal zum Spruch „So ist eben die Fortuna“, wenn ihm nichts mehr einfällt, was eine Niederlage oder ein schäbiges Remis erklären könnte. Vorher aber sucht er gern nach einem Schuldigen. Hört man sich in den Kreisen der F95-Anhängerschaft um, fand Letzteres eher nicht statt. Aber neben dem fatalistischen „So isse eben“ fielen dann doch Begriffe wie „mangelnde Einstellung“, „fehlender Wille“ und auch „Arroganz“. Euer tierisch Ergebener hat da seine eigene fortunatypische Erklärung: Rouwen Hennings ist schuld![Lesezeit ca. 9 min]
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Wie der schon vor dem Anpfiff im Kabinengang rumgefeixt hat – pah, dem fehlt doch der nötige Ernst! Der hasst ja die Gegner nicht! Der ist viel zu nett! Und von (Quelle: des Ergebenen persönliche Strichliste) SIEBEN Schüssen aufs Tor hat der nicht einen in Hütte gekriegt, die Graupe. Und Fußballspielen kann der sowieso nicht. So! Ist natürlich genauso wenig ernstgemeint wie folgendes: Der Gavory, der kann ja nix, dem ist sein Gegenspieler dauernd weggelaufen. Das Dresdner 2:1 geht klar auf seine Kappe. Oder – wird auch gern genommen: Klarer Torwartfehler beim 2:1! Entweder Kastenmeier geht raus oder bleibt auf der Linie. Fortuna braucht dringend einen guten Keeper!
Stimmt alles nicht, und stimmt doch ein kleines bisschen. Der kleine satirische Ausflug zeigt, dass solch nicht zufriedenstellenden Ergebnis nie nur eine Ursache haben und dass (so gut) wie nie ein einziger Spieler die Schuld an der Niederlage oder dem Remis trägt. Genauso wenig wie ein einziger Kicker in der Regel für einen Sieg oder auch nur für ein erzieltes Tor zuständig ist.
Das wunderschön herausgespielte 1:0
Einen lebenden Beweis für diese These brachte das Tor zum 1:0, an dem vier Männer mit dem F95 auf der Brust beteiligt waren und dass – wie es sich für ein zünftiges Umschaltspiel gehört – in der Abwehrreihe begann. Dort hatte Andre Hoffmann den Ball in der Nähe der Außenlinie durch ein beherztes Eingreifen erobert und schnurstracks auf den anlaufenden Emma Iyoha gepasst, der wiederum an der Linie lang rennt, von einem Dresdner bedrängt wird, der im direkten Kampf um den Ball sogar die Hand ins Spiel bringt, um die Pille dann perfekt nach innen auf Khaled Narey zu legen, der gar nicht viele Schritte braucht bis zu dem Punkt an dem er einen ultrapräzisen Pass in Richtung Elferpunkt schiebt, wo Shinta Appelkamp mutterseelenallein eingetroffen ist und das Ei nur noch ins leere Tor schieben muss.
Ohne Zweifel ein Traumtor – nicht so sehr im Abschluss, als vielmehr in der Entstehung. Schaut man sich die ganze Szene noch einmal an, wird man feststellen, dass nicht nur die vier Beteiligten alles richtig gemacht haben, sondern das auch die anderen sechs Mann entsprechend ihrer vorgegebenen Rollen und der eingeübten Laufwege optimal agiert haben. Wie sehr das den Cheftrainer erfreute, konnte man am respektvollen Beifall ablesen, den er seinen Jungs spendete.
Dieses wunderschön herausgespielte 1:0 kann aber auch als Arbeitsnachweis für Emma Iyoha hergenommen werden, der gestern von den Coaches ein bisschen anders positioniert wurde, nämlich quasi als eine Mischung aus Achter und Zehner, also zentral. Emma nutzte diese Narrenfreiheit dafür, gelegentlich auf einen der Flügel auszuweichen und harmonierte gut mit Khaled Narey und Shinta Appelkamp, die nominellen Außenläufer. Man würde es Emma so sehr wünschen, endlich auch mal ein Tor für seine Fortuna zu erzielen, damit seine Kritiker ein bisschen leiser werden und sehen, was der Bursche außer dem Einhütten so fürs Team leistet.
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Aus taktischer Sicht besonders interessant war das beinahe ständige Rochieren der drei Genannten. Hätten die Dynamesen vorgehabt, den Khaled durch Manndeckung auszuschalten, hätten sie dafür ein besonders pfiffiges Kerlchen gebraucht, der sich nicht hätte verwirren lassen. Tatsächlich aber hatten die DD-Trainer ganz gut erkannte, dass gegen die fortunistische Spielweise eine waschechte Raumdeckung am besten hilft. Und die kriegten sie auch ganz gut hin – wie ja ohnehin die Abwehr nicht ihre Schwachstelle ist, sondern der – auch gestern bis zur 58. Minute – völlig harmlose Offensive.
Das willensstark erzielte 2:0
Natürlich sehen viele Jordy de Wijs als Mann des Spiels – nicht nur wegen seines Tors zum 2:0, das er einfach unbedingt machten wollte. Aber bei all seiner willensstarken Ausstrahlung, die seine Kollegen mitreißen kann: fehlerfrei arbeitet er nicht. Am 2:1 für die Gäste hat er einen nicht unerheblichen Anteil, weil er falsch stand und im falschen Moment eingriff. Defensiv war Andre Hoffmann gestern der Bessere der beiden starken Innenverteidiger.
Dieses 2:0 unterschied sich vom 1:0 wie sich Erdbeere von einer Melone unterscheidet. War der erste Treffer schön und süß, zeigte sich die zweite Bude bullig und schwer. Bemerkenswert an der ganzen Situation war, dass die Hausherren im Sechzehner selbst zahlenmäßig unterlegen waren, aber genau in der Ecke, aus der Jordy dann einlochte, die Mehrheit hielt. Außerdem: Zum Zeitpunkt des Torschusses befanden sich DREI Insassen der Viererkette im gegnerischen Fünfmeterraum! Auch hier gibt das Nachgucken mehr Erkenntnisse. Denn tatsächlich hatten sich Eddie Prib, Ao Tanaka und Shinta Appelkamp als Absicherung postiert. So geht flexibler, moderner Fußball!
Ein Schlüssel zu soviel Modernität sind die sogenannten „abkippenden“ Positionen. In der Startaufstellung von gestern gab Ao Tanaka so einen abkippenden Sechser, der den Keeper und die beiden IV beim Spielaufbau unterstützt und entlastet. Ao lässt sich dann zwischen die beiden fallen, steht vertikal sogar oft hinter denen, überblickt den Raum und entscheidet dann. Das ähnelt übrigens dem, was Flo Kastenmeier macht, wenn er die Regie über den Spielaufbau führt. Hat er gestern auch wieder etliche Male getan.
Das durch kollektive Schlampigkeit eingefangene 2:1
Alle Auguren waren sich zur Halbzeit einig: Die Fortuna dominierte die Dresdner nicht nur spielerisch, sondern auch kämpferisch. Wobei: Die statistischen Werte drückten diesen Unterschied überhaupt nicht aus, was den üblichen Statistikzweiflern natürlich Wasser auf die Mühlen ist. Jenseits der Quoten war aber für jeden mit Augen im Kopp zu sehen, dass Dynamo offensiv praktisch nicht stattfand. Das ging auch nach der Pause so weiter in einer Phase, in der F95 mehr auf Konter setzte und Rouwen Hennings bis zur 60. Minute drei fette Chancen hatte.
Aber doof ist der Dynamo-Trainer nicht, denn er wechselte exakt die Kollegen ein, die letztlich das Unentschieden erzwangen und, ja, ihr Team dichter an einen Sieg brachten. Besonders Nicola Gavory hatte von Minute 58 an schlimme Probleme mit seinem Gegenspieler. Zumal er ab etwa Minute 70 auch einigermaßen müde wirkte. Gilt übrigens auch für Zimbo Zimmermann, der wieder enorm viel lief. Wegen der Rochaden vor ihm stellte sich aber das bekannte, feine Zusammenspiel mit Khaled Narey so gut wie gar nicht ein.
Das 2:1 für die Gäste war dann das Ergebnis kollektiver Schlampigkeit, die sich einerseits in einem für die Situation völlig falschen Stellungsspiel ausdrückte und in eine überaus schwache Abwehrarbeit vor dem Kopfball, der den Anschlusstreffer brachte. Eigentlich war dies die einzige Situation im eigenen Strafraum, in der die Fortuna so unsortiert aussah wie zuvor die Gegner. Der Schütze, positioniert als defensiver Sechser bei Dynamo, lief völlig ungedeckt ein – zuständig wäre Eddie Prib gewesen.
Das durch schlimme Abwehrfehler entstandene 2:2
Zugegeben: Die Dresdner Einwechselspieler erzeugten nicht erst nach dem Anschluss in der 71. Minute enormen Druck, und man fragt sich als neutraler Beobachter, warum nicht die Herren Königsdörffer, Batista Meier und Diawusie von Beginn hat, spielen durften; erst diese drei ermöglichten den Gästen so etwas wie ein strukturiertes Offensivspiel. Und letztlich führte das Treiben der drei Kollegen zum Ausgleich, weil ihnen nun sogar Doppelpässe gelangen, mit denen die F95-Abwehr aus unerklärlichen (siehe oben) Gründen nichts anzufangen wusste.
Kann natürlich sein, dass die defensive Stabilität durch den Wechsel von Jordy de Wijs, der wohl leicht angeschlagen war, auf Chris Klarer verlorenging. Wobei das keinen Vorwurf gegen unseren kantigen Ösi beinhaltet, der positionsgenau und für ihn ungewohnt den linken IV mimen musste. Überhaupt wirkte die Abwehr schon ab der 65. Minute nicht mehr wirklich sattelfest. Der gleichzeitige Austausch von Kuba Piotrowski für Emma Iyoha in der 74. Minute war folgerichtig und offensichtlich mit der Absicht durchgeführt, das Mittelfeld athletischer antreten zu lassen.
Die Frage stellt sich aber auch, ob Flo Kastenmeier richtig reagiert hat. Auffällig war sein Zögern: Erst lief er dem künftigen Torschützen entgegen, dann stutzte er und ging ein paar Schritte zurück. Das Zaudern erklärt sich allerdings ein wenig dadurch, dass er den anderen Dresdner bemerkte, auf den der Budenmacher hätte ablegen können. Von einem Torwartfehler kann keine Rede sein, aber an richtig guten Tagen hätte Flo den entschärft.
Die nicht gemachten Buden des Rouwen Hennings
In der Folge – und das könnte der Grundfehler gewesen sein – verzichtete die Fortuna auf das tolle Angriffsspiel der ersten 60 Minuten und verlegte sich aufs Kontern. Und das gar nicht mal schlecht, denn sonst wären ja nicht die (siehe oben) weiteren drei tollen Möglichkeiten für Rouwen Hennings entstanden. Dem wollte eine Bude einfach nicht gelingen. Gibt so Spiele für Knipser, in denen die Kugel einfach nicht rein will, egal wie sehr sich die Burschen bemühen.
Dafür übernahm der gute Rouwen, der in Abwesenheit von Bodze und Cello als Käpt’n auftrat, mal wieder die Rolle des Schlitzohrs, indem er in der 82. Minute lautstark und heftig beim Vierten Offiziellen protestierte, weil seiner Meinung nach ein Dresdner einen möglichen Konter durch ein Handspiel unterbrach. Sportdirektor Christian Weber schloss sich der Debatte an, überzog und sah die gelbe Karte. Da war gerade der Ausgleich gefallen, und man konnte das kollektive Muffensausen der Fans im Stadion deutlich hören.
Den nun witterten die Dynamesen Morgenluft und hatten die drei Auswärtspunkte vor sich wie der Esel die Karotte vor der Nase. Und das völlig zurecht. Unerklärlicherweise (siehe oben) wirkten die Schützlinge von Thioune, Stefes und Hoepner einigermaßen platt – und zwar eher mental als körperlich. Und so langsam dämmertes es dem Ergebenen, dass die vielen Gegentore kurz vor Abpfiff möglicherweise wirklich Ergebnisse von mentalen Mängeln sind. Dazu müsste Mentaltrainer Axel Zehle mal was sagen…
Cheftrainer Thioune sah nach dem Spielende eher ratlos als enttäuscht aus. Vielleicht hatte auch er keine wirklich tragenden Erklärungen für die Schwächen seiner Jungs ab etwa der 65. Minute. Denn in Sachen taktisches Konzept, Startaufstellung und Auswechslungen hatte er eigentlich alles richtig gemacht. Oder? Hätte er vielleicht doch nach den Dresdnern Wechseln auf deren verändertes System anders reagieren müssen? Wer DT kennt, weiß, dass ihn das die kommenden Tage umtreiben wird und dass er es mit seinen Co-Trainern intensiv diskutieren wird.
Das wird auch wichtig sein, denn die Feier zum sicheren Nichtabstieg fiel erstmal aus. Rein rechnerisch und wirklich nur rein rechnerisch kann es immer noch passieren, dass unsere wunderhübsche Diva am Ende bis auf den Relegationsplatz abrutscht. Allein Siege von Kiel, Rostock und Hannover heute und morgen würden F95 wieder bis auf den 14. Platz zurückwerfen. Und sollte Sandhausen gewinnen, trennt uns nur noch die Tordifferenz von denen. Gewinnt Dresden seine letzten drei Spiele und verliert Fortuna gleichzeitig die letzten drei Partien, wäre es passiert. Und die Teilnahme an der Relegation gegen (vermutlich) Lautern oder Braunschweig würde auch kein Kindergeburtstag.
4 Kommentare
Ab der 70 Minute spielte unserer Fortuna wie wild gewordener Hühnerhaufen. Trotz körperliche Defizite oder mentaler Schwäche müssten man erwarten können, dass die Grundordnung nicht völlig verloren geht.
Das passiert zu oft und erklärt, dass wir mit diesem Kader gegen den Abstieg kämpfen müssen.
Das ist in dieser Saison schon zigmal passiert. Irgendwann verlieren sie die Konzentration, vielleicht auch die Kondition und beim ersten Gegentor klappt die Truppe zusammen. Man hat gestern wieder mal zu viele Tormöglichkeiten liegen gelassen, das Spiel hätte schon vor dem Gegentor mit 4:0 entschieden sein müssen. Das liegt sich nicht nur an Hennings, ihm kann man auch mal ein paar Fahrkarten verzeihen. Wir haben einfach kein torgefährliches Mittelfeld. Das fehlt auch bei aller Klasse Narey. Und so passiert es immer wieder, dass auch eine 2:0 Führung nicht ausreicht.
Thioune hat eine Menge der durch Preusser in die Köpfe programmierten Sch***e wegbekommen. Aber die fehlenden Spielertypen kann er eben auch nicht herbei zaubern. Es fehlt an Charakteren, die nicht einknicken, wenn ein Gegentor fällt. Es fehlt an torgefährlichen Stürmern, welche Hennings unterstützen. Mittlerweile sollte klar sein, dass Hennings in einem System mit 2 Stürmern gefährlicher ist, als wenn er Alleinunterhalter ist. Und es fehlt an Mittelfeldspielern, die wenigstens mal das Tor treffen, anstatt ständig drüber oder daneben ballern.
Wer in der verständlichen Euphorie der letzten Wochen glaubt, mit dieser Kaderzusammenstellung können wir nächste Saison oben mitspielen, hat wohl nicht genau hingeschaut. Gestern jedenfalls war ich nach Abpfiff stinkesauer. Solche Ergebnisse nach klarer Überlegenheit können 2 oder von mir aus auch 3x in der Saison passieren. Aber wenn das eher die Regel ist, stimmt gewaltig etwas nicht. Nur die Hälfte der in verschenkten Spielen verlorenen Punkte und wir könnten schon die neue Saison planen.
Nächste Saison muss wieder ein kleiner Umbruch her. Ganz so klamm können wir doch finanziell nicht sein.
Der so sehr Ergebene mag ja gerne weitere zwei Jahre auf den Durchbruch von Eigengewächs „Emma“ hoffen, ich meine aber, die dritte Liga stünde ihm deutlich besser zu Gesicht. Ein sehr gescheiter Pass pro Spiel genügt einfach nicht.
Unser Torwart lebt von seinen Showelementen, beherrscht aber seinenTorraum nicht, nur die Linie.
Gavory ist nach Koutris und Hartherz der dritte unvollendete Gießelmann-Nachfolger – kein Kommentar.
„Ao lässt sich dann zwischen die beiden fallen, steht vertikal sogar oft hinter denen, überblickt den Raum und entscheidet dann.“ Über diesen Satz habe ich sarkastisch grimmig gegrinst, ich verrate aber nicht, warum …
Warum kann eigentlich kein einziger Fortuna-Trainer „Jokern“?!?
Im Übrigen vermisse ich eine Würdigung des überaus beherzten, nimmermüden Gegners: Die Jungs in Schwarzgelb wirkten wie gedopt und haben auch in HZ 1 bestens mitgespielt – zum Glück zunächst nur bis vor das Tor. Konditionell waren sie m.E. überlegen, gewiss auch „mental“. Wenn man deren Auftritt z.B. mit dem Offenbarungseid des Auftiegs-HSV von neulich in der Arena vergleicht, dann haben die entsprechenden Aspiranten aus Liga 3 keine Chance in der Relegation und wir letztlich einen Punkt gegen den Abstieg (!) gewonnen.
Glückwunsch an unsere U17 Klasse Leistung !!! Jetzt Meister werden