Es war noch vor dem 3:0 als Trainer Friedhelm Funkel in seinem roten T-Shirt in der Coaching-Zone auf und ab hüpfte und mit hoch erhobenen Händen zu noch mehr Anfeuerung animieren wollte – eine Szene, die eines Tages vielleicht für diese Saison 2017/18 stehen wird. Denn derlei emotionales Körperkino ist man vom faltigen Neusser ja nicht gewohnt. Dass es ihm einige Spieler, allen voran der heute wirklich grandiose Niko Gießelmann, vormachten, wird Funkel möglicherweise mitgerissen haben. Ganz sicher aber die prächtige Kulisse von leider nur knapp 33.000 Zuschauern; eine deutliche Mehrheit darunter in Rot oder Weiß. Natürlich hatten die Utras verstanden, was bei diesem vorletzten Heimspiel nötig war und sorgten dafür, dass die gutgelaunte Süd das Team bereits mit starken Fortuna-Fortuna-Rufen zum Warmmachen empfing. Überhaupt: Als es den aktiven Fans in den Stehblöcken immer wieder gelang, die Haupttribüne zum Aufstehen und Mitsingen und -klatschen zu bringen, war klar: Dies war ein historischer Nachmittag.

Und all die Erfolgsfans, die sich schon vor Längerem Tickets für das letzte Heimspiel gegen Kiel gekauft haben in der Hoffnung, am 6. Mai das Ganz Große Aufstiegsspiel mitzuerleben, es aber nicht für nötig befunden haben, der Mannschaft heute beizustehen, werden sich möglicherweise in den Hintern beißen, weil sie diesen großen Tag, diese großartige Leistung und diese grandiose Stümmung verpasst haben. Aber, wie heißt es: Strafe muss sein. Komischerweise waren an diesem sommerlich schwülen Tag die Sorgen der meisten Anhänger, die Fortuna könne den Aufstieg noch verpassen, wie weggewischt. Man fröhlich und optimistisch und diskutierte am ehesten über die nicht unbedingt erwartete Vertragsverlängerung von Tormann Raphael Wolf und die Frage, wie der Trainer in der kommenden Saison mit den beiden tollen Keepern umgehen könnte oder sollte. Auch die Frage, ob Marlon Ritter wirklich von Paderborn zurückkehrt, stand im Raum, und natürlich die Unsicherheit, ob die beiden unglaublichen Japaner, Takashi Usami und Genki Haraguchi, auch in der ersten Liga mit an Bord sein werden.

Fortuna als Leuchtturm

Dass ein mit Automillionen am Leben erhaltener Verein, den es ja auch schon einmal aus Versehen in Liga 1 verschlagen hat dort nichts zu suchen hat, bewiesen die Fans dieses Clubs, die mit kaum 500 Leuten zu diesem Spitzenspiel angereist waren. Da darf man sich als Freund der zweiten Liga dann schon fast auf Paderborn und ganz sicher auf Magdeburg und deren Anhänger freuen. Wenn, ja, wenn die glorreiche Fortuna nächstes Jahr noch dabei wäre. Wird sie aber nicht – genauso wie der Club aus der weinerlichen Region, jahrelang vom Landespapa Beck mit Milliönchen aus den Steuerkassen des Landes künstlich am Leben erhalten, der nun wohl Richtung Liga 3 wandert. Und wenn man genau hinschaut, dann könnte die Fortuna im „Oberhaus“ (Was für eine blöde Reporterfloskel!) eine Leuchtturmfunktion einnehmen als der Club, der felsenfest dazu steht, dass Fußball von Vereinen betrieben werden muss, die den Mitgliedern gehören.

Aber wir eilen voraus. Ungefähr so wie die Jungs in Weiß, die den Ingos bereits in der siebten Minute einen einschenkten – und zwar zu Recht. Der Freistoß kam flach von Gießelmann, und Haraguchi schob ihn ebenso flach in den Fünfer, wo Rouwen Hennings wenig Mühe hatte, das Ei zu versenken. Und anstatt nun wild drauflos zu stürmen, um schnell einen Kantersieg zu befestigen, zeigte die Elf von Funkel eine reife taktische Leistung, stand nicht allzu hoch und griff die etwas schwerfälligen Ingolstädter selten vor der Mittellinie an. Die hatten wiederum kein erkennbares offensives Konzept und waren wohl eher darauf eingestellt, sich hinten einzumauern, um auf Konter zu warten. Damit das Spiel zu machen waren sogenannten „Schanzer“ überfordert. Auch wenn es ausgerechnet der Ex-Fortuna Levels war, der mit sichtbarer Wut Offensivaktionen startete. Und nicht einmal der Skandalschiri Gräfe, dem die Fortuna in all den Jahren schon mindestens drei Niederlagen (bzw. Unentschieden) in wichtigen Spielen durch seine Fehlentscheidungen verdankt und der sich ja mehr als einmal abfällig über unsere schöne Stadt und ihren Verein geäußert hat, konnte die Fortuna am Sieg hindern. Obwohl er es in der ersten Spielhälfte drei-, viermal versuchte.

Gräfe hat’s versucht…

Während Käpt’n Bodzek das Gespräch mit dem angeblich „Unparteiischen“ suchte, hielt sich der notorische Heißsporn Kaan Ayhan glücklicherweise zurück. Dafür hielt der Mann mit der Nummer 5 hinten den Laden auf eine Weise zusammen, die seine Viererketten-Kollegen sichtbar förderte. Besonders der junge Robin Bormuth profitierte davon und war, nicht nur wegen seines Tores, einer der stärksten Spieler im Fortuna-Team. Auch wenn er sich nie wirklich Spielaufbauer werden wird, er zeigt zunehmend Übersicht und eine Sicherheit bei der Abwehrarbeit, die mancher Routinier nicht hat. Das machte den Weg frei für Gießelmann, der im Verbund mit Haraguchi sein vielleicht bestes Spiel für F95 machte und mit seinem wuchtigen Kopfballtor zum 2:0 belohnt wurde. Wobei: Auch das 3:0 geht eigentlich auf sein Konto, denn wieder kam der Kopfball von ihm, nur dass er dieses Mal nicht gleich in der Hütte landete, sondern am Pfosten. Von da sprang er hinter die Linie – und wieder zurück, sodass es erst Bormuth war, der die Pille tatsächlich einnetzte.

Auf der anderen Seite zeigte auch der zu Unrecht viel gescholtene Julian Schauerte eine hervorragende Leistung. Hauptgrund dafür ist sicher, dass er ähnlich gut mit Usami harmoniert wie die Kollegen auf dem linken Flügel. Überhaupt ist dies schon die ganze Saison über das Erfolgsgeheimnis der Fortuna: Je ein schneller, offensiver Außenverteidiger in der Kooperation mit einem ebenfalls schnellen Außenstürmer erobern die Flügel und leiten von das aus gefährliche Situationen für den Gegner ein. Welche Insassen die jeweiligen Flügelduos haben, ist dabei erst einmal unerheblich bzw. von der individuellen Form der Kandidaten abhängig.

Stabiler Kader

Die zweite Halbzeit erinnerte dann an die tollen Spiele der Fortuna in der Hinrunde, als viele Fans dachten, mit solchen Leistungen sei die Rückrunde für die Mannschaft eher ein Kindergeburtstag. Pustekuchen – nach einer Schwächeperiode im vergangenen November und Dezember leistete sich die launische Diva jetzt noch einmal eine Niederlagenserie. Allerdings ging jedes verlorene Spiel auf eine andere Weise verloren. Mal waren es zu viele (individuelle) Fehler, mal mangelte es dann doch am Einsatz und einige Male funktionierten Aufstellung und/oder System nicht. Ja, es gab auch Partien, in denen die Fortuna glücklos war und nicht siegen oder ein Unentschieden erzielen konnte. Über alles gerechnet waren die Männer von Funkel aber das ausgeglichenste Team der Liga und das mit dem besten Fußball … wenn dieser denn funktionierte.

Wie stabil dieser Kader tatsächlich ist, zeigte sich – positiv wie negativ – bei Verletzungsausfällen. Heute konnte das Team das Fehlen von Andre Hoffmann und Oliver Fink optimal kompensieren. Dafür sah es jedes Mal nicht so gut aus, wenn Ayhan, ähem, nicht konnte oder sich Florian Neuhaus oder Marcel Sobottka einen gebrauchten Tag genommen hatten. Das war heute bei beiden ganz sicher nicht der Fall, und auch Adam Bodzek zeigte seinen Wert auf der gewohnten Position als Defensivmann vor der Viererkette wieder einmal. Nur Hennings, der konnte einem nicht nur in der Partie gegen Ingolstadt manchmal leidtun; als Einzelkämpfer ganz vorne ist er ständig hin und her gerissen zwischen der Wühlarbeit im Pressing und seiner Rolle als Torschütze. Vermutlich hat sich Funkel bzw. damals noch Funkel und Peter Hermann das anders vorgestellt, nämlich mit einem optionalen zweiten Strafraumstürmer. Aber, der dafür vorgesehene Emir Kujovic konnte diese Rolle nie auch nur annähernd erfüllen, und der ebenfalls auf einer solchen Position vorstellbare Harvard Nielsen bewies seine Torgefährlichkeit nie.

Wie geht’s weiter?

Übrigens: Dass er in der 83. Minute für Neuhaus eingewechselt wurde, lag an einem blöden Versehen der Assistenten, die dem dritten Schiri die falsche Rückennummer genannt hatten – was Funkel zu einer Schimpfkanonade in Richtung Bank veranlasste. Der Tausch von Benito Raman gegen Usami war dagegen geplant und auch sinnvoll. Allerdings ist der junge Belgier immer noch nicht wieder der alte und spielte deutlich zaghafter als noch zu Beginn der Saison. Dass dann Jean Zimmer für Gießelmann kam, stand auch auf dem Zettel und bot den Fans Gelegenheit, den Mann des Spiels gebührend zu feiern.

So verließ die Fortuna den Platz als absolut verdienter Sieger, der den Gästen in der zweiten Halbzeit kaum Luft zum Atmen ließ. Es steht zu vermuten, dass sich derlei in Dresden nicht wiederholen wird. Die Situation ist eine völlig andere. Zwar ist die SGD rein rechnerisch sicher vor dem Abstieg, aber bei den bekannt fordernden schwarzgelben Zuschauern wird man sich nicht auf Sommerfußball einlassen, sondern vielleicht sogar versuchen, dem künftigen Aufsteiger einen reinzuwürgen. Geht F95 die Sache taktisch und diszipliniert an, könnte es eine zähe Sache werden, die dann möglicherweise mit einem Remis endet. Vermutlich wird ein Punkt im Osten sogar reichen. Insgesamt spricht allerdings wenig dafür, dass sich erst am letzten Spieltag endgültig klärt, welche Mannschaften direkt aufsteigen und welches Team in die Relegation muss.

4 Kommentare

  1. Okay, jetzt glaube ich wieder dran, bald Erstligafußball in Düsseldorf zu sehen. Nach den letzten Spielen kamen doch leise Zweifel auf, aber heute wurden diese nachdrücklich ausgeräumt. Es hat einfach alles gepasst, Mannschaft, Publikum, Wetter, und drei Punkte am Schluss.
    Sehr peinlich die Ingolstädter Fans, an einem Sonntag bei perfektem Wetter nur eine armselige Handvoll Leute in D, das war schon ein trauriger Anblick.
    An Peinlichkeit wurden sie allerdings locker vom Schiedsrichtergespann überboten. Nach rekordverdächtigen 23 Minuten schon mit „Schieber“-Rufen bedacht zu werden, dass muss man erst mal so souverän hinbekommen.

    Freue mich auf die letzten drei Spiele!

  2. Es ist halt wirklich Kopfsache, so sind dann wohl auch die letzten drei Niederlagen zu erklären. Hut ab vor dem Trainerteam, dass die Köpfe der Spieler wieder „frei“ bekommen hat. Deutlich zu sehen noch mal nach dem 2:0, da wirkte die Truppe wie befreit. Zweifel hatte ich aber nach den letzten 3 verlorenen Spielen auch. Aber irgendwie war schon vor dem Spiel eine positive Stimmung im Stadion.

    Nur der Fortuna-Hasser Graef passte nicht ins Bild, mal wieder nicht. Wie kann ein Schiedsrichter nur so offen gegen eine Mannschaft pfeiffen und dass mit einer Arroganz, die bis auf die Tribüne zu spüren war? Zum Glück hat das die Mannschaft auch nicht aufhalten können. Ich befürchte nur, den sehen wir nächste Saison öfter.

    Mit dem Willen und der Leidenschaft wie gegen Ingolstadt werden die notwendigen Punkte noch eingefahren und dann geht es mindestens ein Jahr in die erste Liga. So sehr ich mich freue, dass das letzte Heimspiel gegen Kiel ausverkauft ist, bleibt aber doch ein „Geschmäckle“. Ohne „Eventies“ geht es wohl nicht, ich hätte mir nur schon mehr von denen bei den letzten Heimspielen gewünscht.

    Na ja, so konnte man wenigsten noch ein paar Mal entspanntere Wartezeiten beim Catering geniessen und die Toiletten auch noch ohne „in die Hose machen“ aufsuchen. Da besteht noch Verbesserungspotential, wenn unsere Hütte wieder regelmäßig voller wird.

  3. Chef, über deine charmant-bösartigen „Erfolgsfans“ könnte man locker eine komplette Sitzung in Sachen linguistischer Pragmatik ansetzen; die enthaltene konnotative Häme musste unbedingt raus, gelle?

    Vielleicht liegt es daran, dass manche der sog. „EFs“ etwas weniger gläubig sind als jene Jubelperser, die gerne ausblenden, was Fakt ist (Schauerte, Levels, Bodzeck, Lambertz), und die eben keine FANS (=Fanatiker) darstellen, sondern mehr oder minder solidarische Anhänger, die auch schon mal aus Frust zehn Minuten eher gehen, weil sie’s nicht länger ertragen mögen, oder Karten verfallen lassen, weil sie echte Angst haben, wieder mitleiden zu müssen.

    Die Überheblichkeit der Fans hat für mich ein Gschmäckle, aber natürlich kann man die Massen auf Knopfdruck prima zusammenschweißen, „wenn ihr Fortunen seid“. Das Ganze hat allerdings was mit elitärer Ausgrenzung zu tun; das „like“ ich nicht besonders.

    Hab ich was über mich verraten? Yep:
    Offenbach-Hannover-Basel-Teveren lassen schön grüßen …

    • Rainer Bartel am

      Mal halblang. Gemeint ist die Sorte „Erfolgsfans“, die sich nur mäßig für Fußball und so gut wie gar nicht für Fortuna interessiert, vor ungefähr sechs Wochen dann doch plötzlich und mit großer Geste dann doch eine Herzkammer für F95 geöffnet haben und nach einem emotionalen Volkskongress rund um den Aufstieg geiern. Und eben nicht die „mehr oder minder solidarischen Anhänger“. Nichts liegt mir ferner, als zwischen denen und den „wahren Fans“ einen Zaun zu ziehen.