Erschreckend, mit welch simplen Rezept die nicht besonders starken Nürnberger gestern in der Arena gewinnen konnten.
Analyse · Nach einer solch blöden und möglicherweise sich auf den Rest der Saison auswirkenden Niederlage neigen Otto und Lisa Normalfan dazu, den oder die Schuldigen zu suchen. Aber das gestrige 0:1 lässt sich eben nicht auf das schlechte Spiel einzelner F95-Kicker zurückführen. So blieben zum Glück irgendwelche Beschimpfungen der „Versager“, „Flaschen“ und „Graupen“ im Block aus. Im Gegenteil: Das Publikum verabschiedete die Mannschaft mit einem aufmunternden Applaus. Das war dann auch fast das einzig Positive, was sich zu diesem Nachmittag sagen lässt. [Lesezeit ca. 2 min]
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So wie die Burschen in Rot gegen die Darmstädter Spitzenmannschaft vor einer Woche auf Augenhöhe verlor, so gaben sie gestern ebenfalls auf dem nicht besonders hohen Niveau der Gäste die drei Heimpunkte ab. Deren Rezept war simpel: Zwei Fünferkette agierten parallel zueinander rund um die Mittellinie. Das mit zero Pressing und nicht einmal besonders kampfstark. Das drückte sich zur Pause auch in der Statistik aus, in der die Fortuna in allen Belangen vorne lag. Nun täuscht eine phänomenale Passquote von 88 Prozent ein kreatives Spiel in dieser Konstellation nur vor, denn es handelte sich überwiegend um Quer- und Rückpässe, garniert mit einigen feinen langen Bällen – vor allem auf dem linken Flügel – und zugehörigen Doppelpässen auf Höhe des gegnerischen Sechzehners.
Daran beteiligt immer Michal Karbownik und auch Emma Iyoha. Einen Mann des Spiels müssen wir bei einer Niederlage nicht unbedingt benennen, aber wenn es einer war, dann der junge Pole, der ab der 60. Minute, nachdem Nicolas Gavory eingewechselt worden war und die Position des rechten Außenverteidigers übernahm, ins offensive Mittelfeld rückte und dort zeigte, welchen Edelstein unsere Kadermanager da geholt haben. Wie ein Freund im Block sagte: „Der ist doch als Außenverteidiger verschwendet.“
Dass die Fortunen zu derartig wenigen Abschlüssen kamen, hatte damit zu tun, dass sie beinahe ausschließlich über diese linke Schiene hinter die Doppelkette der Nürnberger kamen. Die spielten dieses einfache Konzept mit högschder Disziplin runter, setzten auf Konter und ihre ebenfalls starke linke Seite. Der Grundfehler der Buben von Trainer Thioune bestand darin, dass es vor allem Ao Tanaka und Shinta Appelkamp immer und immer wieder durch die Mitte versuchten und ihnen sonst nicht viel einfiel.
Auch Felix Klaus, der nur wenig von Zimbo Zimmermann bedient wurde, zog gerne mal in die Mitte, und wenn unser Felix Tore schießen könnte, dann hätte er auf diesem Weg bereits in der 9. Minute das 1:0 auf die Anzeigetafel bringen können. Vorausgegangen war eine dieser schicken Gemeinschaftsaktionen von Karbownik und Iyoha, der den Ball schön quer durch den Strafraum legte. Klaus‘ Schuss aber wird geblockt. Das passierte so ähnlich noch zweimal. Der Rest bestand aus Fernschüssen, die kaum je für Gefahr sorgten.
Zur Pause stand schon fest, dass die Coaches mal ganz schnell Schusstraining ansetzen müssen – nicht nur für Felix Klaus. Dawid Kownacki braucht das im Prinzip nicht, aber der bekam praktisch gar nichts auf die Füße. Dafür war er ständig unterwegs, schaltete sich vorbildlich in die Defensive ein, wenn nötig, und holte sich die Bälle aus dem Mittelfeld – ein ganz schlechtes Zeichen im Hinblick auf den eigentlich Spielplan.
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Wer trägt also die Schuld? Wieder einmal das Innenverteidiger-Duo aus Chris Klarer und Tim Oberdorf? Sicher nicht, auch wenn die Bude für den Glubb aufs Konto der Beiden sowie Karbownik und Sobottka geht. Ausgangspunkt war ein vom Tim abgefangener Ball, den er dann aber prompt einem Nürnberger in die Schuhe spielte. Cello konnte seinem Mann nicht folgen, Michal den Flankengeber nicht aufhalten, und Chris Klarer und Zimbo Zimmermann standen völlig falsch zum späteren Torschützen. So fiel die Hütte in der 47. Minute. Es blieb das einzige Tor. Dass aber fünf 95er drei Glubberer nicht aufhalten konnten, macht schon ein bisschen Angst – es hatte etwas mit Konzentration und Geschwindigkeit zu tun.
Apropos Geschwindigkeit: Ein Kollege im Block, mit dem der Ergebene in der Pause diskutierte, meinte zu Recht: „Diesen doppelten Catenaccio kannste nur mit Speed knacken.“ Wohl war. Schnell aber – vor allem auch im Kopf – waren die nominellen Kreativen gestern nie. Folgerichtig holte Thioune in der 63. Minute Appelkamp und Tanaka von der Wiese. Dadurch wurde die schon beschriebene Umstellung auf der linken Seite ausgelöst, aber auch eine Doppelspitze mit Kownacki und dem eingewechselten Rouwen Hennings installiert. Wir alle lieben unseren Rouwen und werden ihm für seinen Pfundsanteil am Aufstieg 2018 ewig dankbar sein, aber wenn er in den 33 Minuten auf dem Platz auf insgesamt nur auf fünf Ballkontakte kommt und der erste erst in der 82. Minute stattfindet, dann darf man schon fragen, ob seine große Zeit bei der Fortuna nicht doch langsam vorbei ist.
Immerhin – und das muss man ihm ausgesprochen hoch anrechnen – wird er nach jeder Einwechslung sofort zum Mentalanführer. Das drückte sich gestern darin aus, dass er es war, der a) die mit maximaler Unsportlichkeit auf Zeit spielenden Nürnberger verbal anging und b) auch den jungen Schiri Haslberger ein ums andere Mal auf dieses unfaire Verhalten aufmerksam machte. „Hätten wir doch in der Situation auch so gemacht“, flüsterte der Ergebene seinem Stehnachbarn ins Ohr. Der antwortet fortunakorrekt mit: „Die Fortuna darf das auch.“ Die Ernennung zum Arschloch des Tages war dem FCN-Keeper Mathenia nicht zu nehmen, der zum Zwecke der Zeitverschwendung zur Eckfahne lief, um das Ei für einen Abstoß zu holen, während ihm direkt am Pfosten ein Balljunge ein Spielgerät anbot.
Irgendwann kassierte diese Pflaume in Taubenblau dann eine Gelbe Karte, aber selbst die angeordneten sechs Minuten Nachspielzeit waren angesichts des Verhaltens der Nürnberger zu wenig. Da hätte der Referee bereits in der 70. Minute eingreifen müssen, als sich die Behandlung eines am Kopf getroffenen FCN-Kickers auf dem Rasen sage-und-schreibe über drei Minuten dreißig hinzog, wobei der Verletzte durchaus in der Lage gewesen, mit Hilfe seiner medizinischen Helfer den Platz zu verlassen. Als dann beim Doppelwechsel in der 84. Minute die Ausgewechselten leise über den Platz zur Bank schlurften – erst der eine, dann der andere – und einer von den Beiden das Spielfeld nicht über die nächstgelegene Außenlinie verließ, wären nach geltendem Regelwerk gleich mehrere Gelbe Karten fällig gewesen.
Wohlgemerkt: In allen anderen Belangen verfolgte der 29-jährige Unparteiische eine klare Linie und pfiff frei von Fehlentscheidungen. Es stellt sich tatsächlich die Frage, wie viel Zeitschinderei (Ja, auch unsere Jungs machen das bei Bedarf.) zu tolerieren ist. Dieser blöde Mathenia hätte sich nach einer Gelben um die 80. Minute herum bestimmt zweimal überlegt, ob er die Pille zum Abschlag nochmal von links nach rechts trägt und so eine Gelbrote riskiert. Sportmanager Christian Weber bemerkte zudem ganz korrekt, dass sich dieses völlig überzogene Spiel auf Zeit nicht nur auf die Uhr auswirkt, sondern die Mannschaft, die am Ausgleich arbeitet, ständig aus dem Rhythmus bringt.
Jedenfalls kochte die Wut unter den Anhänger:innen der glorreichen Fortuna spätestens nach dieser 84. Minute hoch. Und das wirkt sich in Düsseldorf immer steigernd auf den Support aus, der dann zum ersten Mal auch die ganze Süd und Teile der Sitzplatztribünen erfasste. Bis dahin war die Stümming mehr so lala, auch wenn man den Ultras ein Kompliment dafür machen muss, dass sie vorwiegend auf altbekanntes und bewährtes Liedgut zurückgriffen und sich ihre schmalzigen Lieder voller Ehre, Tod und Treue verkniffen. Mit merkwürdig gebremsten Schaum agierte gestern auch der Block 160 im Oberrang, von dem sonst oft Anfeuerungsrufe und -gesänge angestimmt werden, wenn die Ultras hinterm Tor mal wieder in Schlafwagen-Lala versinken.
Tatsächlich drehte die Fortuna ungefähr ab der 80. Minute mal richtig auf. Mittendrin oft der hochbegabte, aber auch ungestüme Elo Neto (gerade einmal siebzehn Jahre alt), der ein paar Mal an einer Gelben Karte vorbeischrammte. Aus dem ollen 4-2-3-1 war durch die Einwechslungen von Hennings und Neto nun ein 4-4-2 mit Raute geworden, wobei Karbownik und Neto (zusammengenommen nur geringfügig älter als Rouwen Hennings) die gesamte Breite bespielten und Gavory genauso hoch spielte wie der gute Michal zuvor.
Zweimal gab es Handspiel im FCN-Sechzehner, beide Male gab es zu Recht keinen Elfer. Ein paar Mal sahen Aktionen der Düsseldorfer aus wie Torchancen, aber zwingend war das nicht, nur einmal ging das übliche Aufstöhnen der Enttäuschung durch die Reihen der Zuschauenden. Schon in der ersten Halbzeit hatte sich Chris Klarer mehrfach in den Sturm eingeschaltet und war mit nach vorn gegangen, auch wenn gerade keine Ecke anlag; ab der 90. Minute gab er dann einen Mittelstürmer. Aber so richtig fiel dem gesamte Team nichts ein.
Und, ja, einen Kastenmeier-Moment, eher ein Momentchen, gab es auch. Obwohl gleich zwei seiner Kollegen einen Nürnberger bedrängten, der von halbrechts ballführend angerannt kam, kam Flo in der 45. Minute bis zur Grenze des eigenen Sechzehners raus. Das hätte blöd ausgehen können, wenn der Angreifer die Chance zum Lupfen ergriffen hätte. Zweimal rettete unser Keeper Nr. 1 grandios, und sein Siebzigmeter-Pass auf Iyoha in der 54. Minute war eines der wenigen Highlights der ganzen Partie.
Immer noch ist nicht geklärt, ob es Schuldige gab und wenn ja, wer es war. Wenn es keiner der Kicker war, dann müssen wir uns dem Trainer zuwenden, diesem angeblich „schwächsten Glied“ in welcher Kette auch immer. Kritisch könnte man anmerken, dass die Mannschaft nicht besonders gut auf den Gegner eingestellt war, also weder erwartet hatte, wie der Club auftrat, noch, was sie dagegen hätten tun können. Ihre Schützlinge auf den Kontrahenten vorzubereiten, ist bekanntlich Aufgabe der Coaches. Nun muss man denen zugutehalten, dass alle Videoanalysen wenig genützt hätten, denn erst unter dem neuen Trauner Weinzierl verlegten sich die Nürnberger auf das Konzept, das wir gestern gesehen haben.
Die Kritik könnte grundsätzlicher werden und dreht sich um diesen gerade sehr in Mode gekommenen Begriff der „Spielidee“. Dass Daniel Thioune eine hat und weiß, wie sie sich umsetzen lässt, hat er nur hinreichend bewiesen. Es fragt sich aber, ob diese Vorstellung davon, wie die Kicker zu kicken haben, nicht flexibel genug ist, sich auf eine taktische Grundordnung wie die des FCN gestern umstellen zu lassen. Im „Dorf“ des Ergebenen wurde das in der Pause nach dem Motto diskutiert „Was könnte anders gemacht werden?“ Klar war, dass eine Umstellung nicht einfach durch Wechsel zu bewerkstelligen war, sondern dass eine systemische Veränderung nötig war. Und die hätte schon in der ersten Halbzeit passieren müssen.
Es ist aber aus unerfindlichen Gründen nicht nur bei Thioune so, dass er innerhalb der ersten Halbzeit nur ungern etwas verändert. Er hätte die Mannschaft aber schon ab etwa der 20. Minuten anweisen müssen, ihr Spiel breiter und schneller anzulegen, also das, was auf dem linken Flügel gelang, auch auf dem rechten Flügel stattfinden zu lassen. Als schon um die 30. Minute herum deutlich wurde, dass Ao Tanaka und Shinta Appelkamp mit der Spielanlage der Gäste überhaupt nicht klarkamen, hätte Thioune den beiden anderen Aufgaben zuteilen oder einen von beiden auswechseln können. Man stelle sich vor, Michal Karbownik wäre schon vor der Halbzeit auf eine Achter- oder Zehnerposition gerückt – es hätte das Spiel komplett verändert.
Wäre, wäre … Fahrradkette. Hat er aber nicht. Ihm jetzt den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben, ist natürlich auch falsch, und „Trainer raus“ sollte nicht mal irgendwer flüstern. Es beliebt zu hoffen, dass die Coaches dieses blöd verlorene Spiel zum Anlass nehmen, ihr Grundkonzept zu überdenken und eventuell anzupassen. Und das hat gar nichts damit zu tun, dass dies zu Lasten des einen oder des anderen Spielers gehen müsste.
Erfreulich ist immerhin, dass nun dieses dumme Gelaber rund um Heim- und Auswärtsserien aufhört, mit dem sich Spochtrepochter gern auf einfachste Weise die Fußballwelt erklären wollen. Die übergreifende Statistik des europäischen Clubfußballs zeigt nämlich, dass der generelle Unterschied in der Punktausbeute „at home“ und „away“ so gering ist, dass eine Unterscheidung zwischen Heim. und Auswärtsspielen nur eine geringe Rolle spielt. Und das von besonders uninspirierten Kommentatoren gern zitierte „Gesetz der Serie“ hat es nie gegeben.
Insofern ist es auch scheißegal, dass unsere labile Diva nun gleich drei Auswärtspartien vor der Brust hat. Aus Sicht des Ergebenen, dieses ewigen Pokalfetischisten, steht natürlich das Ding am Mittwoch in Regensburg im Zentrum; dort sollte das Team bitteschön einen weiteren Schritt in Richtung Berlin machen. In Karlsruhe gewinnen die Fortuna ja ganz gern mal, während die Rotweißen gegen Kiel in der Zweiten Liga noch nie gewonnen haben – wird also Zeit für einen Auswärtssieg an der Ostsee. Seien wir realistisch: Gehen diese beide Begegnungen verloren, müssen wir F95-Fans über einen möglichen Aufstieg keine Gedanken mehr machen … und können uns ganz auf den DFB-Pokal konzentrieren.
Ein Kommentar
Ich denke, dass die Fortuna z. Zt. etwas ausgebrannt wirkt. Es fehlen die Ideen und besonders vermisst ein Ideengeber oder der vielzitierte Leitwolf. Die vielen Verletzten lassen sich in diesem eigentlich guten Kader eben doch nicht auf Dauer kompensieren. Es bleibt, weiter zu hoffen; aber mit den ersten Plätzen wird’s wohl in dieser Spielzeit nix mehr werden.