Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem ehemaligen Fußballprofi, der auch eine Zeitlang für die Fortuna nach der Pille trat – der Name sei hier nicht genannt. Es ging wieder einmal um die Fans, genauer: um das Verhältnis der Kicker zu den Fans. Mein Gesprächspartner gab dabei – sinngemäß – den folgenden Satz von sich: „Wenn Fans über das Spiel und die Spieler fachsimpeln, kommt es mir immer so vor, als würden Leute über die Reparatur eines Autovergasers debattieren, weil sie schon hundertmal dabei zugeguckt hätten.“ Und meinte später, manchmal sei ihm die Geringschätzung der Kompetenz von Spielern und Trainern durch die Fans ziemlich auf den Sack gegangen. „Ich sag doch dem Klempner auch nicht, welche Muffe er am Abfluss anflanschen soll…“ Es geht also um Expertentum, um Fachwissen und um den Respekt davor. Den haben Anhänger eines Vereins in Krisenzeiten oft großflächig nicht.

Im Umfeld der glorreichen Fortuna kommt noch eine typisch rheinische Verfasstheit hinzu, die die Dinge generell verschärft. Der Rheinländer mit seinem Temperament schwankt ja gern zwischen Himmelhochjauchzend und Zutodebetrübt, zwischen manischer Euphorie und dunkelgrauer Depression. Als Krankheitsbild nennt man das heute „bipolare Störung“. Nun kommt beim ächten Düsseldorfer, der ja geschichtlich betrachtet eher kein Rheinländer ist, das trübe Erbe des Bergischen Volkes hinzu. So sieht der Düsseldorfer die Dinge gern schwärzer als sie sind, wenn sie nicht gerade grellbunt strahlen. Und weil das Ganze auch noch durch den Protestantismus der Bergischen geprägt ist, gehört zu jeder Depression die Suche nach dem Schuldigen.

Manisch-depressiv

Seit dem 04.11.2016 ist es bei der Fortuna mal wieder so weit. Wobei sich der depressive Zustand nicht schlagartig mit dem 0:3 gegen Dynamo ausbreitete, sondern die Fans erst nach der Winterpause so richtig ergriff. So versetzten sich viele Anhänger in den Zustand der Grantelei und fanden alles scheiße. Weil es aber Fußball ist, und jeder, der mehr als -sammerma- 100 Partien live erlebt hat, voll die Ahnung hat, begannen die Tage der tausend Trainer. Wieder einmal. Denn so ähnlich hatten wir das schon 2013/14, 2014/15 und vor allem 2015/16.

Nennen wir es das Besserwisser-Syndrom. Die eher intellektuellen Vertreter der Tausend-Trainer-Truppe üben sich im Gespräch und in der virtuellen Debatte in Scheinanalysen. Da fallen Bemerkerungen wie „Ja, wenn der mit drei Sechsern spielt…“ Oder: „Der soll mal die AV offensiver positionieren.“ Der Jargon ist den handelsüblichen Spochtkommentatoren im TV abgelauscht oder wird der zuständigen Presse entnommen. Die Journalisten haben’s wiederum von den Trainern, die bei Nach-dem-Spiel-Interviews auf Fragen nach ihrem Gemütszustand heutzutage gern Floskeln aus dem Märchenland des Konzeptfußballs absondern. Aber das war bei fachsimpelnden Fans schon immer so: Die Begriffe machen den Experten. Auch wenn der eine oder andere Gesprächsteilnehmer mit den in den realen oder virtuellen Raum geschleuderten Buzzwords nichts anfangen kann – er muss doch mitdiskutieren.

Fern der Faktenwelt

Wenn die Dinge ganz schlecht laufen, wird nachgekartet. Gern auch fern der schnöden Faktenwelt. So heißt es ja über F95-Trainer Funkel, er habe die jungen Spieler nicht rangelassen. Nennt man dann den real berechneten Altersdurchschnitt, der für das Gegenteil spricht, erntet man ein Papperlapapp. Wird ein bestimmter Spieler zum Hauptangeklagten, dem massive Fehlpasserei vorgeworfen wird, hilft auch kein Heranziehen der offiziellen Statistik, nach der dessen Passgenaugkeit im Mittelfeld zu verorten ist. Heißt es, die Flanken dieses oder jenes Kickers kämen ja nie an, braucht man gar nicht erst die statistisch ermittelte Erfolgsquote heranzuziehen. Am Ende trägt ja sowieso der Trainer die Schuld. Und Tausende debattierfreudiger Fans sind sich sicher, dass sie ganz persönlich an des Coaches Stelle alles anders gemacht und so die Mannschaft zum Erfolg geführt hätten.

„Viele Dinge, die ich mit meinen Trainern erlebt habe,“ sagte der oben zitierte Ex-Profi, „habe ich erst Jahre später verstanden. Und zwar nachdem ich selbst ein, zwei Trainerlehrgänge absolviert hatte.“ Und ergänzt, dass ihm damals klargeworden ist, über wie viele detaillierte Informationen solch ein Coach verfügen muss, um die bestmögliche Aufstellung zu finden. Wie viel Erfahrung und Fachwissen nötig ist, dem Team dann auch noch zu vermitteln wie es im Spiel agieren soll. Er habe nach den Lehrgängen den Plan, höherklassig als Trainer zu arbeiten verworfen und sei mit seiner Tätigkeit bei den Jugendmannschaften und im Scouting exakt im Rahmen seiner Kompetenz geblieben.

Aus der Neidecke

Schlimm, eklig und widerwärtig wird’s, wenn die selbsternannten Trainer schmierölpsychologisch oder aus der Neidecke heraus argumentieren. Gerade der Neid, der ja nur die Kehrseite der eigenen Gier ist, macht Fans blind. Ohne auch nur ernsthaft zu beobachten oder gar evident zu analysieren, wird den „Großverdienern“, den „Millionarios“, den „hochbezahlten“ Kickern vorgeworfen, nicht alles zu tun, um den Misserfolg abzuwenden. Da heißt es dann gern, die Spieler müssten sich „den Arsch aufreißen“, wo man doch weiß, dass nach man nach einer solchen Aktion denselben dauerhaft offen hat. Da wird selbst bei 55 oder mehr Prozent gewonnener Zweikämpfe gefordert, „die Jungs“ sollten kämpfen. Da maßen sich irgendwelche Heiopeis Urteile über die „Körpersprache“ an oder faseln vom „unbedingten Willen“ wie Goebbels vorm Reichsparteitag. Egal wie sich dieses schmierige Zeug äußert – es belegt vor allem, dass der Verstand dauerhaft ausgeschaltet bleibt.

Zu diesen Thema meinte der befragte Kicker: „Fürs Fußballspielen bezahlt zu werden, ist ein Traumjob. Und jeder, wirklich jeder Profi wird alles dafür tun, diesen Job so erfolgreich und so lange wie möglich auszuüben. Im Rahmen seiner jeweiligen körperlichen und mentalen Verfassung wird der Berufsspieler jederzeit alles tun, um erfolgreich zu sein. Natürlich gibt es auch nicht ganz so helle Kerzen am Baum, die glauben, sich schonen zu können oder auch bei halber Leistung noch einen Verein zu finden, der sie gut bezahlt. Aber dieser Typ ist fast ausgestorben.“ Dass eine Mannschaft gegen den Trainer spiele oder eine Partie abschenke, das sei extrem selten und habe dann meistens Gründe im sogenannten „Umfeld“.

Alles aus Liebe

Aktuell, drei Spieltage vor dem Ende der Saison, spielt die launische Dame Fortuna gegen den Abstieg aus der zweiten Bundesliga. Plötzlich geschieht etwas, das von den geschilderten Mustern abweicht. Noch nach dem dumm verlorenen Spiel in Hannover posaunten die Tausendtrainer ihre Kritik durch die Gegend. Doch plötzlich wurde der Mehrheit der aktiven, engagierten und altgedienten Fans etwas klar: Die Fortuna braucht uns. Sie braucht unsere Unterstützung ohne Wenn und Aber. Es ging quasi ein Ruck durch die F95-Gemeinde. Jetzt heißt es: Supporten! Unterstützen! Anfeuern! Ins Stadion gehen! Und das alles aus Liebe zur Fortuna. Diese Entwicklung der vergangenen Tage ist so herzerwärmend, das sie der Beginn von etwas ganz Wundervollem werden könnte, dass sie für eine generelle Wende stehen könnte, für das Ende der Qualen nach dem Erstligaabstieg. Und das könnte dann aus tausend Trainer wieder tausend euphorische Fans machen.

Alles aus Liebe - Alle ins Stadion

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