Nein, die kleine Blonde mit frechen Mundwerk heißt nicht Mandy. Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber ich nenne sie einfach Mandy. Darüber ärgert sie sich ein bisschen, und wir haben einen schönen Anlass für einen witzigen Streit. „Noch’n Bier, Mandy“ führt zum Beispiel nicht dazu, dass ich einen vollen Becher serviert bekomme. Ich kann froh sein, dass ich das Bier nicht gleich in Fresse kriege. Nicht wirklich, denn Mandy ist einfach eine nette, junge Frau, die im Bierwagen hinterm Gästeblock im Stadion an der Alten Försterei in Berlin Dienst tut. Als ich in den Jahren 2013 und 2014 regelmäßig in einem Fortuna-Fan-Bus zu Auswärtsspielen gereist bin (Die Älteren unter den Fans werden sich erinnern…), war ich beide Male auch in Berlin. Ich mag Berlin, weil mein Dad Berlin mochte. Der war da von 1948 bis 1955 stationiert – britischer Sektor und so. Hat mir noch als alter Knacker immer von den Frolleins vorgeschwärmt. „Und“, hab ich dann immer gesagt, „warum hast du dann Mom geheiratet und nicht irgendeine Edeltraut?“ Hat er drüber gelacht, my old man…

Jedenfalls ist mir dieser Kampfhund unter den deutschen Großstädten sehr sympathisch. War zum ersten Mal da im Februar oder März 1990. Mit meinem britischen Pass konnte ich ja einfach rüber. Bin mit dem Bus kreuz und quer rumgedüst. Kam auch nach Köpenick. Das war ein bisschen wie Leeds. Also von den Pubs her. Da habe ich mich gleich wohlgefühlt. Hab da über die Jahre oft und gern mit ziemlich großen und starken Lads gesoffen. Vermutlich bin ich Ehrenmitglied von deren Hools – bin Ende der Neunziger auch mal mitgelaufen. Gegen diese schlimmen Kerle vom BFC Dynamo. Guter Sport. Mir waren am Ende dann aber zu viele Nazis auf beiden Seiten. Trotzdem fahre ich gern nach Berlin, wenn die Fortuna an der Wuhlheide spielt. War auch schon im Olympiastadion gegen die Hertha mit, aber die Hitler-Schüssel ist mir von A bis Z auf den Sack gegangen.

Mandy, die gar nicht Mandy heißt, kommt gar nicht aus Köpenick, sondern aus Hohenschönhausen, dem BFC-Dynamo-Country. Die findet Dynamo Scheiße, obwohl ihr Opa Mitgründer war. „Weißte“, erzählte sie mir mal, „der war Stasi, der Vater meiner Mutter. Richtiger Vollspießer. Nach der Wende hab ich alles gemacht, was der uns Kindern vorher verboten hat. Und bin zu Union gegangen.“ Komische Sachen da im Ostfußball… Der eine Kollege von Mandy ist so’n großer Dicker, der schneller spricht als er sich bewegen kann. Und dann berlinert der, dass Mandy mir dolmetschen muss. Ich nenn ihn Jürgen. Und wenn gerade nix los ist an den Sauf- und Fressständen im Union-Stadion, hol ich ihm von Gegenüber ne Wurst. Braucht der. Der andere Kollege meint, wenn Jürgen nicht alles 90 Minuten was zu essen kriegt, fällt der tot um. Wollen wir doch nicht riskieren.

Ich mach das in manchen Stadien am liebsten. Das ganze Spiel an der Bierbude verbringen. Gibt ja leider nicht mehr viele Stadien mit Bierbude. Am besten ist es im Paul-Janes-Stadion. Da kannst du das Spiel verfolgen, ohne die Bierbude zu verlassen. Mit dem großkotzigen Umbau auf Sankt Pauli ist ja die Seele vom Millerntor einfach so davongeflattert. Während der Bauzeit war die Bierbude hinterm Gästeblock der beste Platz. Vor allem hast du da alle interessanten Typen unter den F95-Fans getroffen. Hab mir immer einen Spaß draus gemacht, die vollzulabern, damit sie möglichst viel vom Spiel verpassen. Und 2009 (glaub ich) hab ich es geschafft, drei Kerle in meinem Alter ab der 20. Minute vom Spiel ganz abzuhalten. Das war das Spiel, wo der Rouwen Hennings für die Paulianer das Siegtor geschossen hat. Ein Jahr später haben sie mich dann an derselben Stelle abgefüllt. Jeder, der mich kannte und am Bierstand vorbeischaute, gab mir einen aus. Ich vertrag ja schon ne Menge Bier, aber dreiundzwanzig Mal 0,4 sind einfach too much.

Die Bierbude im alten Stadion an der Hafenstraße tat mir manchmal leid. Die wurde ja regelmäßig geplündert. Einmal ist die Besatzung einfach stiften gegangen nach dem ein paar starke Jungs den Wagen ins Schwingen gebracht haben. Im Frankfurter Waldstadion gab’s (oder gibt’s) Bierbuden direkt an der Kreuzung, wo sich Gäste- und Heim-Fans übern Weg laufen. Der Umkreis von drei Metern um jeden Bierstand gilt als entmilitarisierte Zone. Da hab ich beim ersten Spiel nach dem Aufstieg in die zweite Liga zwischen vier ziemlich kräftigen Boxern der SGE gestanden. Wir haben friedlich unsere Biere gesoffen und vom Krieg erzählt. Dann sagte einer mit diesem niedlichen hessischen Akzent: „Ei, geh ma vor, sonst müsse wir dich plattmache…“ Sie gaben mir zehn Meter Vorsprung … und hatten vorher mein Bier bezahlt.

So richtig scheiße in Sachen Bierbude sind diese Soccer-Entertainment-Tempel wie die Allianz-Arena. Und leider auch unsere Arena, die auf dem geheiligten Boden des Rheinstadions steht. Paderborn war immer scheiße, Bielefeld, Hannover und überhaupt diese Stadien der Nordvereine. Bei Union habense ja nicht nur die Bierwagen, sondern so Ausschanklöcher oben auf dem Umlauf der Stehtribüne. Da bedienen auch ziemlich coole Leute. Aber die haben Zeit, mit einem zu quatschen. Am Ende des Tages ist die Bierbude hinterm Gästeblock in Köpenick einer der schönsten Orte, den man mit der Fortuna erreichen kann.

Ein Kommentar

  1. Rund um das Waldstadion in Frankfurt gibt es nach wie vor zahlreiche Buden und Stände.
    Besonders viele auf dem Weg von der S-Bahn zum Eingangsbereich Nord-West.
    Auch am Zugang zur Brücke am Waldparkplatz stehen noch Buden.