Nein, Neuss ist keine Hafenstadt mit langer Tradition. Erst mit der beginnenden Industrialisierung entstand 1835 durch den Ausbau eines Seitenarms des Rheins dieser Hafen. Tatsächlich war die Stadt des heiligen Quirinus schon seit Römerzeiten ein wichtiges Handelszentrum, aber eben nicht dem Rhein zugewandt. Die Bedeutung des Neusser Hafens hat sich über gut 120 Jahre wenig geändert. Erst durch die Fusion mit dem Düsseldorfer Hafen wurde er zu dem, was er heute ist – einem der größten Binnenhäfen Europas.
Wobei die Größe von Binnenhäfen auf derart unterschiedliche Weise gemessen wird, dass Neuss (zusammen mit Düsseldorf) am Ende sogar den drittgrößten Binnenhafen Europas haben könnte. Wie in vielen anderen Hafenstädten am Rhein ist das Hafengebiet aber nicht allein wegen des Warenumschlags wichtig. Im Hafengebiet haben sich jede Menge Firmen mit ihren Produktionsbetrieben angesiedelt. So sitzen die Entwicklung und Produktion des Autozulieferers Pierburg (Teil von Rheinmetall Automotive) hier. Knauf stellt Gips her, Thommy Feinkostprodukte und Tempo Taschentücher und Toilettenpapier. Hinzu kommen große, hafentypische Fabriken wie die Ölmühle Sels. Über viele Jahrzehnte bot so der Neusser Hafen die mit meisten Arbeitsplätze der Stadt. Aber, es gibt wenig, was sich so oft so grundlegend ändert wie Häfen. So sind über die Jahrzehnte einige Firmen abgewandert und wurden durch andere ersetzt. Zudem hat sich die Binnenschifffahrt so gewandelt, dass immer weniger Fläche für den Umschlag benötigt wird. Trotz des wachsenden wirtschaftlichen Erfolgs haben die Neusser sehr, sehr lange mit ihrem Hafen gefremdelt. Immer hat sich die Innenstadt vom Hafen abgewandt, und das ganze Gebiet war das Schmuddelkind von Neuss. Das ändert sich seit einiger Zeit. Am Rande des Hafenbeckens 1, im Rücken von St. Quirinus, entstand vor ein paar Jahren ein UCI-Kino-Multiplex, unweit das Schulforums des Gymnasiums Marienberg sowie ein Bürokomplex. Ein Stück weiter im Hafen gibt es endlich Gastronomiebetriebe und Clubs, in denen Party gemacht wird. Und nun hat man an der Spitze der Hafenmole einen Park angelegt, eine Freitreppe und eine Fußgängerbrücke vom Münster zum Hafenbecken soll folgen. Also wird es dem Neusser Hafen ähnlich ergehen wie dem Düsseldorfer Pendant, der diese Öffnung zur Stadt hin und den Umbau zu einem Medienstandort mit Restaurants und Clubs schon einige Jahre hinter sich hat. So rückt die Stadt nach fast 200 Jahren endlich an den Hafen und damit an den Rhein. Trotzdem wird der gesamte Bereich zwischen Düsseldorf-Heerdt und der Galopprennbahn wohl noch für einige Jahrzehnte wichtiger Standort für Produktionsbetriebe bleiben. Und auch der Hafenbetrieb wird seine Bedeutung nicht verlieren – seit der Fusion zur RheinCargo sind die Neuss-Düsseldorfer Häfen unternehmerisch nun auch mit dem Kölner Hafen verbunden. Das Unternehmen positioniert sich nicht allein als Hafenbetreiber, sondern als Logistik-Dienstleister mit einer breiten Palette an angeboten.[Fotos: alle Abbildungen Fotoarchiv der Neuss-Düsseldorfer Häfen ausgenommen Bild „Abendstimmung“ von Marcello2016 via Wikimedia unter der CC-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“]