Es war die Sensation im Frühjahr 1966: Am 18. Mai meldete die Besatzung des Tankschiffs Melani, man habe bei Duisburg-Neuenkamp einen weißen Wal im Rhein gesichtet. Die Wasserschutzpolizei eilte hinzu und … unterzog die Schiffer erst einmal einem Alkoholtest. Weil der negativ ausfiel und die Beamten den Beluga ein paar hundert Meter weiter selbst in den Fluten sagen, nahmen sie die Sache ernst und gaben die Information weiter. Aber selbst das Innenministerium in Düsseldorf wollte die Sache zunächst nicht glauben und bügelte den anrufenden Direktor der WSP ab. Der damalige Direktor des Duisburger Zoos, der legendäre Dr. Gewalt, aber, der wollte das Vieh für seine Delfin-Show haben und begab sich auf die Jagd.

Ein Beluga in seiner natürlichen Umgebung (Foto: Wikimedia)

Ein Beluga in seiner natürlichen Umgebung (Foto: Wikimedia)

Die Medien stiegen voll auf das Thema ein. Selbst in der Tagesschau wurde jede Sichtung vermeldet. Mit einem Interview, bei dem der Zoodirektor ausgesprochen unsympathisch ankam, drehte sich der Wind. Heute würde man sagen: Es gab einen Shitstorm. „Stoppt Gewalt!“ titelten die Gazetten, und zum ersten Mal in der Geschichte der bundesdeutschen Medien wurde über die Intelligenz und das Sozialverhalten von Walen und Delfinen diskutiert. Nicht nur Tierschützer begannen, sich um die Gesundheit von Moby Dick – so hatten Journalisten den Beluga getauft -; schließlich war der Rhein in jenen Jahren eine ziemlich giftige Brühe.

Die Hysterie bei den Medienvertretern wuchs. Täglich wurde der weiße Wal nun gesichtet: Manchmal auf Höhe Bonn, dann wieder bei Xanten und Wesel. Journalisten reisten mit einer Flotte Boote hinterher, und eine Redaktion mietete gleich einen Blimp, um das Tier aus der Luft auszumachen. Und Dr. Gewalt war dauernd unterwegs. Zunächst sollte Moby Dick mit einem Netz vom Tennisplatz, das zwischen zwei Schiffen der Wasserschutzpolizei gespannt war, gefangen werden. Aber der Beluga erwies sich als zu schlau für seine Jäger. Dann ließ der Duisburger Zoodirektor verlauten, man werde Moby Dick mit einem Betäubungsmittel sedieren, das per Pistole auf ihn abgefeuert werden sollte. Die Stimmung kippte endgültig. Und Dr. Gewalt versuchte die Hatz zu rechtfertigen: Man wolle das arme Tier aus der Phenol-Brühe retten, sonst müsse es elendig verenden.

Moby Dick (Beluga) im Rhein

Nach und nach fanden immer mehr Fakten Eingang in die Zeitungen und Fernsehberichte. Es sei gar nicht so selten, dass Belugas aus dem Nordmeer bis in die Ostsee schwämmen, und an der niederländischen Küste habe man auch schon öfters weiße Wale gesichtet. Nur im Rhein, da sei es noch nie zu einer gesicherten Beobachtung gekommen. Anfang Juni wurde Moby Dick auch ein Thema für die internationale Presse; die Ney York Times berichtet, und die BBC schickte ein Filmteam. An manchen Tagen war das Rheinufer zwischen Köln und Duisburg dicht bestanden mit Schaulustigen; Ausflugslokale waren überfüllt und machten das Geschäft des Jahrzehnts. Ein Ausflug führte den schlauen Meeressäuger bis über Bonn hinaus nach Rolandseck. Weil ihn die Menschen auf dem Rückweg erwarteten, wurde sogar eine Bundespressekonferenz abgesagt. Und später machten zwei Folksänger sogar einen ökologischen Protestsong über die ganze Geschichte.

Es gab sogar ein Protestlied über Moby Dick....

Es gab sogar ein Protestlied über Moby Dick….

Jetzt zog es Moby Dick in Richtung Meer. In den Niederlanden wurde er im Rhein zum letzten Mal am 13. Juni gesehen. Schließlich gab es eine Sichtung in der Nordsee bei Hoek van Holland, und nach dem 16. Juni wurde der weiße Wal, der vier Wochen lang das Land in Atem gehalten hatte, nie wiedergesehen. Bis heute wird darüber spekuliert, wann und aus welchem Grund der Beluga überhaupt in den Rhein geschwommen war. Vieles spricht dafür, dass es sich um einen Schiffbrüchigen handelt, denn es soll wenige Wochen vor seinem Auftauchen die Havarie eines Seeschiffs gegeben haben, das vier weiße Wale für ein Delfinarium transportiert habe die beim Sturm über Bord gegangen seien. Jedenfalls begleitete ein Patrouillenboot der Rotterdamer Hafenbehörde bis hinaus aufs offene Meer – und er wurde nie wiedergesehen.

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