Meinung · Ja, ja, die Zweite Liga 2021/22 ist eine Superliga, da wird’s schwer mit dem Aufstieg. Haben wir jetzt schon tausendmal gehört. Tatsächlich wird sich im (Achtung! Spochrepochterslang!) „Unterhaus“ ein großer Haufen Clubs tummeln, denen das Etikett „Traditionsverein“ anhängt. Und weil die namhaften Insassen dieser Liga über massenhaft Fans verfügen und ja irgendwie wieder Zuschauer zugelassen sein werden, dürften die von den TV-Rechtebesitzern erhofften Emotionen in den Stadien hier mehr eintreten als in der ersten Bundesliga mit solch aufregenden Duellen wie beispielsweise Fürth gegen Hoffenheim. Ändert aber nichts daran, dass Spannung bis zum Schluss auch in Liga Zwei nicht vorprogrammiert ist. Denn so sehr die Absteiger und die Daueraufstiegskandidaten bei den Wetten vorn liegen, so sehr gibt es auch Wundertüten. Und mit all dem muss sich unsere hochverehrte Fortuna demnächst auseinandersetzen. [Lesezeit ca. 6 min]
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Zählt die Fortuna zu den Favoriten?
Eine schwere Frage. Sagen wir so: Der aktuelle Kader (+ X) hat mit dem neuen, hochsympathischen und nach allem, was man jetzt schon beurteilen kann, sehr kompetenten Cheftrainer Christian Preußer absolut das Zeug dazu, in der Saison dauerhaft oben mitzuspielen. Die Voraussetzungen sind zudem wesentlich günstiger als im Vorjahr mit diesem Generalumbruch mitten in der Pandemie. Was den Kader betrifft, gibt es aktuell insgesamt noch vier Unbekannte:
- Kriegen wir Kevin Danso zurück?
- Kommt auch Luka Krajnc zurück?
- Kriegt Dawid Kownacki endlich die Kurve?
- Für welche Positionen werden die letzten beiden Neuzugänge geholt?
Erstens: Sowohl in Sachen Danso als auch Krajnc laufen heftige Pokerpartien mit allem Zipp und Zapp und jeder Menge Bluff. Allerdings wird die Fortuna wegen ihrer seriösen Finanzpolitik kohletechnisch nicht all-in gehen, so viel ist sicher. Es ist aber auch klar, dass eine Rückkehr von Kevin Danso das Qualitätsniveau in der Innenverteidigung drastisch heben würde. Momentan riecht es wegen der immer noch nicht überstandenen Verletzungen von Andre Hoffmann und Jamil Siebert nach einer Dreierkette mit Chris Klarer, dem neuen Dragos Nedelcu und Flo Hartherz.
Zweitens: Und schon sind wir beim Ketten-Thema, denn wenn auch Krajnc zurückkäme, stünden Coach Preußer die Türen zu allen möglichen Dreier- und Viererkettenvarianten offen, weil der gute Luka eben nicht nur IV kann, sondern auch linker Außenverteidiger.
Drittens: Wer den armen Dawid Kownacki letzthin gebasht und beschimpft hat, hat vom Fußball keine Ahnung. Sein spielerisches Potenzial steht außer Zweifel, und auch wenn er kein Lewandowski ist, könnte er in einer idealen Saison Topknipser im F95-Hemd werden. In der vergangenen Saison standen ihm nicht nur seine Krankheiten und Verletzungen im Weg – in den Systemen des Uwe Rösler wurde er nicht einmal in einer für ihn optimalen Konstellation eingesetzt, und wenn er vorne auf Budenjagd gehen sollte und dabei unterstützt wurde, hatte er oft viel Pech. Das Doofe für den guten Dawid: Wenn der Knoten bei ihm in der kommenden Saison nicht platzt, kann er sich eine internationale Karriere von der Backe putzen.
Viertens: Dass gerüchteweise noch ein IV gesucht wird, spricht dafür, dass die Standardvarianten unseres jungen Cheftrainers auf Dreierketten beruhen werden; da ist es immer gut, eine reiche Auswahl an Kollegen unterschiedlichen Zuschnitts zu haben. Wo ja die Bedeutung der Innenverteidiger, das hat diese EM gezeigt, drastisch gewachsen ist. Gut ist es, mindestens zwei kampfstarke Kerle für die Position zu haben, am besten auch zwei, die präzise spieleröffnende und -verlagernde Flanken schlagen können sowie ebenfalls zwei kopfballstarke Typen. Momentan herrscht – siehe oben – noch Mangel. Wenn weder Danso noch Kranjc kommen, MUSS ein IV geholt werden. Ebenfalls ein MUSS ist die Anschaffung eines weiteren rechten Außenverteidigers, zumal es Zimbo Zimmermann ja auf seine Wunschposition als Sechser zieht.
Zurück zur Eingangsfrage: Ja, Fortuna Düsseldorf gehört zu den Favoriten der kommenden Zweitligasaison und hat alle Karten in der Hand, um bei der Vergabe der ersten drei Plätze mitzuspielen.
Und die anderen so?
Eine dieser statistisch nie erhärteten Fußballweisheiten zählt die Absteiger automatisch zu den Aufstiegskandidaten – Schalke und Bremen schauen wir uns gleich näher an. Dann natürlich die Teams, die in der vorhergehenden Saison um die drei goldenen Plätze mitgespielt haben, also Kiel, der HSV und der KSC sowie natürlich die glorreiche Fortuna. Ihr Ergebener hat zudem Hannover und St. Pauli auf der Rechnung. Zur Überraschung könnte Aufsteiger Dresden werden. Im Detail:
Schalke: Der Umbruch, den die Könichsblauen vollziehen mussten, ist sehr viel dramatischer als der bei der Fortuna im Vorjahr, so wird S04 zur Ü-Ei. Die Unruhen im Verein lassen eher vermuten, dass die Gelsenkirchener trotz nominell starker Zugänge eher nicht zu den Aufstiegskandidaten zählen. Zumal ja immer noch Punktabzüge drohen. Mehr wird man nach dem dritten Spieltag wissen, wenn sie schon gegen den HSV und Kiel ranmussten und dann das erste „leichte“ Heimspiel gegen Aue haben.
Bremen: Bei den Werderanern verläuft die Vorbereitung relativ still. Fragt sich nur, ob Trainer Markus Anfang dieses Mal was auf die Reihe kriegt. Der Kader ist eine Wundertüte mit ein paar starken Dagebliebenen und Neuzugängen, die man nicht so richtig einschätzen kann. Schon die Partie bei uns am zweiten Spieltag könnte mehr Aufschluss geben, ob Werder wirklich zu den Topteams der Liga zählt.
Kiel: Mit Ole Werner haben die Störche einen Trainer, der in vieler Hinsicht unserem Christian Preußer ähnelt, das ist ein Pluspunkt. Der Kader hat nichts von seinen Qualitäten verloren, mit dem leider zu lange gehypten Fiete Arp ist jemand gekommen, der – Wie sagt man heute? – befreit von der FCB-Last zum Unterschiedsspieler werden kann. Ja, die Kieler werden wieder oben mitspielen.
HSV: Bei den Rothosen rumort es – wie immer. Und wieder haben sie keinen Kader zusammengekriegt, der qua individueller Klasse automatisch eine Spitzenmannschaft bildet. Dazu einen bisher nicht erfolgreichen Trainer. Außerdem ist der HSV spät in die Vorbereitung gestartet und bastelt immer noch an der Zusammenstellung der Spieler. Könnte sein, dass es dieses Mal anders wird, dass sie schwach starten und erst in der Rückrunde aufkommen. Das Auftaktspiel gegen Schalke könnte diese Prognose erhärten.
Karlsruhe: Ohne es sachlich schlüssig begründen zu können, zählt Ihr enorm Ergebener den KSC zu den Mitfavoriten – vor allem wegen Trainer Eichner, der in der Vorsaison hervorragende Arbeit geleistet hat. Allerdings ist der Kader einen Hauch überaltert, und so richtige Unterschiedsspieler sind nicht auszumachen. Allerdings haben die Karlsruher ein relativ leichtes Auftaktprogramm und müssen erst am vierten Spieltag gegen Bremen zeigen, wie gut sie wirklich sind.
Hannover: Der Verein, den Investor Kind immer wieder nach Belieben beutelt, setzt auf Regionalität – zumindest in Gestalt von Trainer Zimmermann, der von Havelse kam. Andererseits hat man mit Haraguchi den besten Spieler verloren, und ob Marvin Ducksch seine Leistung aus der Vorsaison wiederholen kann, weiß niemand. Schon seit zwei Jahren holt Hanoi gezielt junge Spieler von bewährten Ausbildungsvereinen und wird gleich vier davon in den Zweitligakader integrieren. Das könnte das Erfolgsrezept sein.
St. Pauli: Die (Achtung! Klischee!) „Kiezkicker“ haben einen tollen Trainer und einen stabilen Kader. Ob das reicht, wird davon abhängen, ob Burgstaller nochmal so richtig in Form kommt.
Dresden: Dünamo als Mitfavorit zu betrachten, ist eine Minderheitsmeinung, keine Frage. Zumal sie sich einen unsteten Trainer geholt haben, der immerhin ein paar Jahre Zweitligaerfahrung mitbringt. Aber, die Dresdner haben interessant eingekauft und setzen, betrachtet man den Kader, vor allem auf Zweikampfstärke. Vielleicht wird sogar unser ehemaliger Teamfrisör, Mr. BB, in Sachsen zum Helden. Könnte ja sein…
Fazit
Ob die zweite Liga der Saison 2021/22 auch spielerisch zur Superliga wird, ist eher fraglich. Könnte allerdings sein, dass die neuen jungen Trainer bei den meisten Teams moderne Spielweisen einführen. Das wird die Partien nicht unbedingt attraktiver machen, weil dies ohne spielerische Giganten zu sehr, sehr viel Mittelfeldgeplänkel führen könnte. Außerdem sind die Qualitätsunterschiede zwischen den Mannschaften erheblich, was dazu führt, dass die nominell schwächeren Truppen hinten mit Fünferketten und maximal einer Spitze spielen werden – und wie das aussieht, hat man bei der EM ja ein paar Mal gesehen. Je mehr aber das Mittelfeld in den Fokus gerät, desto mehr wird es auf Balleroberung und Ballbehauptung ankommen. Klein-klein und Tiki-Taka sind out, Ballbesitzfußball wird in dieser zweiten Liga zu nichts führen.
Für diesen modernen Fußball ist unsere bisweilen launische Diva bestens gerüstet. Wenn es dann auch noch regelmäßig beim Umschaltspiel durch Spielverlagerung kommt und vor allem die Standards sich deutlich verbessern, gehört die Fortuna zu den Aufstiegsaspiranten. Natürlich nur und wie immer, wenn der Kade vom Verletzungspech verschont bleibt. Schon die Partie gegen Bremen am 31. Juli in der Arena könnte da wegweisend sein.