Ungefähr auf Höhe der Dreifaltigkeitsstraße verläuft die Grenze zwischen dem italienischen und dem weniger italienischen Teil von Gerresheim. Von unten aus der Stadt heraus betrachtet galt immer der ganze schöne Ort unterhalb der Höhenzüge des Bergischen Landes als „Little-Italy“. Auch weil über Jahrzehnte die Gerresheimer Glashütte für die ganze Vorstadt das Symbol hergab. Obwohl die Fabrik doch so weit entfernt vom eigentlichen Zentrum rund ums Kölner Tor lag. Und doch hat diese Betrachtungsweise historisch seine Begründung. Denn die Keimzelle von Gerresheim liegt an der Quadenhofstraße, die ihren Namen nach einem dortigen Gutshof trägt. Funde deuten darauf hin, dass die Gegend schon in der Jungsteinzeit besiedelt war.

Google-Map: Heyestraße in Gerresheim

Google-Map: Heyestraße in Gerresheim

Damit ist Gerresheim viel älter als Düsseldorf, wurde aber später zur Stadt. Denn unser Graf Adolf von Berg gab dem Ort erst 1368 die Stadtrechte. Damit begann eine Blütezeit, die sich rund um das Gerresheimer Frauenstift entwickelte. Das ging rund 200 Jahre gut, dann leitete der Brand des Rathauses und der umliegenden Gebäude den Niedergang der Stadt ein. Weil in der Folge die alten Straßen verfielen, war Gerresheim zeitweise nur auf sehr beschwerlichen Wegen zu erreichen. Verrückterweise wurde das erhaltene Katharinenkloster zum Ausgangspunkt der industriellen Entwicklung des Ortes. Und dann hatte Gerresheim Glück: Ab 1838 wurde quer durch den südlichen Teil die Eisenbahn gebaut. Die Trasse der Elberfelder-Düsseldorfer-Eisenbahngesellschaft gehört zu den ältesten in ganz Westdeutschland, und der Haltepunkt Gerresheim war der erste und lange Zeit einzig „Bahnhof“ zwischen den Endpunkten der Linie.

Die Gerresheimer Glashütte

Dass es diese Eisenbahntrasse mit diesem Haltepunkt gab, war für Ferdinand Heye ausschlaggebend, hier seine Glashütte zu errichten, denn so konnten die Rohstoffe und die Erzeugnisse schnell und preiswert transportiert werden. Und hier kommt es gern zu einem ersten Missverständnis. Nein, die starke Konzentration italienischer Familie auf das südliche Gerresheim hat nichts damit zu tun, dass Italien das führende Land der Glasherstellung in Europa war. Die Italiener, die aus dem Ort „Klein-Italien“ machten, kamen später.

Und trotzdem ist es interessant, einen Blick auf die Geschichte der Italienisch-Düsseldorferischen Freundschaft zu werfen. Die begann nämlich mit Anna Maria Luisa de’ Medici, der gebürtigen Florentinerin und Gattin vom ollen Jan Wellem, der der Stadt Kultur und Zivilisation brachte und die eigentliche Mutter dessen ist, was Düsseldorf heute darstellt. Vor allem aber holte die gute Anna Maria jede Menge italienische Handwerker rüber – Seidenweber, Tischler, Fliesenmaler und auch Glasmacher aus Venetien. Dort hatte man die alte byzantinische Kunst der Glasherstellung über die Jahrhunderte bewahrt, während sie sonst in Europa fast ganz verloren gegangen war. Mehr über die Geschichte der Glaskunst kann man im Museum Kunstpalast in der Glassammlung erfahren.

Die ersten Gastarbeiter

Wie gesagt: Mit dem Entstehen des italienischen Viertels rund um den südlichen Teil der Heyestraße hat das nichts zu tun. Die zweite Welle italienischer Einwanderer nach Düsseldorf kam kurz vor dem ersten Weltkrieg aus den Dolomiten und brachte das italienische Eis ins Rheinland. So kam 1910 die Familie da Forno nach Düsseldorf. Viel mehr italienische Immigranten, davon viele aus dem Textilgewerbe, zogen weiter in die Seidenstadt Krefeld. Der geniale Düsseldorfer Schriftsteller Dieter Forte, selbst mit italienischem Hintergrund, beschreibt das in seiner wunderbaren Romantrilogie „Das Haus auf meinen Schultern„, die jeder Düsseldorfer gelesen haben sollte.

Es waren eher Zufälle, die dafür sorgten, dass ausgerechnet die Gerresheimer Glashütte ab dem Ende der Fünfzigerjahre begann, „Gastarbeiter“ aus Italien zu rekrutieren. Weil aber zwischen etwa 1958 und 1966 so viele italienische Familien kamen und sie sich – wie es Italiener weltweit gern tun – in der Nähe anderer italienischer Familien ansiedelten, wurde die Heyestraße zwischen dem Gerresheimer Bahnhof und der Dreifaltigkeitsstraße zum Little Italy am Rhein. Tatsächlich klumpen sich hier die Café-Bars, Eis-Cafés, Trattorien, Pizzerien und Restaurants. Ob auch die ungewöhnliche große Zahl Frisörsalons typisch ist, bleibt fraglich.

Immerhin ist das Flair immer noch so wie man es aus Filmen über die italienischen Kolonien in den USA kennt. Vor jedem Café stehen ein zwei Tischchen, an denen Männer sitzen und (vermutlich) Geschäfte machen. Ein älterer Herr, fein gekleidete und mit weißen Lederschuhen, schlendert vorbei und singt lauthals italienische Canzone. Und beim Arzt wird ein junger Typ, der sich nicht von den anderen jungen Typen in anderen Stadtteilen unterscheidet, nach dem Namen gefragt, und er antwortet „Valentino Capigrosso“ (Name verändert). Natürlich reden die Menschen hier auch auf Italienisch miteinander, und man bekommt alles, was Italiener so brauchen.

Dass mit „Mama Lisi“ um die Ecke beim Bunker die vermutlich beste Pizzeria der Stadt schon seit 1965 Fladen backt, ist so gesehen natürlich kein Zufall.

4 Kommentare

    • Rainer Bartel am

      Ja, natürlich – habe aus der Dreifaltigkeitsstraße mal eben eine Kirche gleichen Namens gemacht. Danke für den Hinweis, ist korrigiert!