Wir fahren meist zu zweit oder zu viert, und es ist ungeschriebenes Gesetz, dass jeder auf jeden aufpasst und keiner eigenmächtig losfährt oder irgendwelche lustigen Manöver macht. Wenn einer umkippt, müssen die anderen sehen, dass er schnell genug auftaucht, dass Paddel und Boot nicht wegdriften, und dass der Kollege samt Material schnell das Ufer erreicht. Meist klappt das ohne irgendwelche Probleme, weil zur Standard-Ausrüstung neben Neopren-Klamotten und besagter Spritzdecke immer auch eine Schwimmweste gehört. Von Stromkilometer 734 aus fahren Hans-Willi, Hossein, Johannes, Eric, Uwe, der Buschmann, und ich meist fünf Kilometer „bergauf“, also gegen den Strom. Das kann schon mal anstrengend sein, vor allem dann, wenn Gegenwind herrscht, der allerdings bei den mächtigen Rheinschleifen nicht immer komplett ins Gesicht bläst.

Uwe führt den Konvoi an (Foto: Konrad Buck)

Uwe führt den Konvoi an (Foto: Konrad Buck)

Paddeln gegen den Strom ist aber auch mehrfach schön: Du erkennst die Magie der Langsamkeit, den Reiz der kontinuierlichen, abgestimmten Bewegung und das sichere Gefühl, auch bei wenig Fahrt über Grund letztlich immer anzukommen. Die Bewegung beim Paddeln gleicht einer ausgedehnten Tai-Chi-Übung – die Beine sind leicht gespreizt, die Füße stehen an der Prallplatte oder den Fußrasten und die Knie klemmen leicht am Süllrand. So hast du über Beine, Hüfte und Oberkörper eine perfekte Kontrolle über das Boot; Körper plus Material von Boot und Paddel bilden eine Einheit, und du hast über den koordinierten Bewegungsablauf bei Rumpf und oberen Extremitäten fast eine Art Perpetuum mobile an Schulter-, Arm- und Handmuskeln. So kannst du auch größere Strecken ohne Schmerzen paddelnd zurücklegen. Wir haben mal einen Vater mit seinem Sohn getroffen, der von der Mündung (Ijssel oder Waal) bis kurz vor Schaffhausen gefahren ist; Schweizer. Die scheinen das Prinzip der Langsamkeit durch die Nähe zu Bergen und Gletschern zu kennen und zu lieben.

Nach fünf Kilometern kehren wir dann bei Himmelgeist/Uedesheim meist um und lassen uns mit dem Strom treiben. Schön am rechten Ufer wäre immer der Abstecher in die Mündung des Brücker Baches etwa bei Kilometer 731. Bei Hochwasser käme man weit rein, bei starkem Hochwasser bis zur Fischtreppe. Man sähe Reiher, die sich wütend erheben, weil hier sonst nie jemand vorbeikommt, und manchmal den Eisvogel, dessen kobaltblaues Federkleid unwirklich vorkommt, als ob du nicht paddelst, sondern im Sessel sitzt und in einem Buch blätterst. Und ja, manchmal bei längeren Fahrten und wenn wir einfach nur schweigen, weil alles gesagt ist, kommst du in eine Art Trance, in der Wasser, Ufer und Himmel zu einem magischen Fluidum verschmelzen und dein Zutun weit weg scheint.

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Das schönste aber ist Regen auf dem Wasser. Wenn um dich rum nur feine, unterbrochene Streifen von glasigem Weiß sind, die sich auf der Rhein-Oberfläche in kleine schalenförmige Trichterchen mit rundgezacktem Rand und darüber schwebenden, von unten nach oben kleiner werdenden Perlen auflösen. Wer das gesehen und verstanden hat, geht getrost nach Hause. Und kann, zurück an Kilometer 734 auf den Kies geknirscht, sein Boot zurückgefahren ins Bootshaus und umgezogen, zusammen mit den Freunden einen Anleger trinken gehen. Im neuen Fährhaus gleich vor 734, im Hammerblick in Kappeshamm mit der schönen Bedienung, im En de Ehd auf der Volmerswehrter Straße mit dem zauberhaft muffeligen Wirt, oder beim dem bei Kilometer 734 verborgenen Spaßprojekt siebendreivier.de, einer kleinen Volmerswehrter Schnapsbrennerei, die sich auf die Herstellung geistiger Getränke mit klingenden Namen wie „Biberpisse“ oder „734 Altbier-Likör“ spezialisiert hat.

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