Bericht · „Eine aktivistische Bürgerschaft, das war das letzte, womit der Investor rechnete. Dabei haben wir immer versucht, ihm klarzumachen, dass wir ein Wörtchen mitzureden haben.“ Wir, damit ist Planwerkstatt 378 gemeint, eine Bürgerinitiative, die sich für Mitgestaltung ihres Wohnumfeldes einsetzt. Schon ab Unterzeichnung des Kaufvertrages im Jahre 2017 ging sie mit dem Investor in den Clinch. Zwei ihrer Vertreter, Harald Schwenk und Leonie Wendel sind zum Interview erschienen. Wir sitzen, mit weitem Abstand selbstverständlich, in einer kalten Lagerhalle auf der Erkrather Straße. Altbestand, der im Zuge der kommenden Maßnahme verschwinden wird und derzeitiges Domizil der Planwerkstatt ist. [Lesezeit ca. 4 min]
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„Man hat uns immer wieder abgewiesen. Es sei noch nicht so weit. ‚Ja, ja‘, so hieß es, selbstverständlich würden die Regeln des Baurechtes eingehalten. Bis dann im Mai 2019, Überraschung!, die Bauvoranfrage von der Stadtplanung mit Verweis auf die Bürgerproteste abgelehnt wurde.“ Daraufhin habe der Investor einen Mediator engagiert, erzählt Harald weiter, der dann Gespräche auf Augenhöhe ermöglichte. Man stieg in einen gemeinsamen Planungsprozess ein.
Alle wollten, dass etwas Gutes entsteht.
„Natürlich war das mit Umdenken verbunden. Sowohl für den Investor als auch für uns.“ Leonie lacht. „Aus Protestlern wurden aktive Planende, die viel zu lernen hatten. Wer von uns hatte schon Ahnung von Immobilien und Baurecht. Auch Thore Marenbach, Mitinhaber der Firma Cube Real Estate und Investor, hat bekundet, man sei im Laufe des Planungsprozesses zwar nicht die dicksten Freunde geworden; dass er aber das konstruktive Miteinander durchaus zu schätzen wisse.“
So habe man gemeinsam an einer neuen Bauvoranfrage gearbeitet, die dann im Juni 2020 eingereicht werden konnte. Kein weiterer Hotelneubau, keine Einfahrt zur Tiefgarage über den „Dorfplatz“ der Kiefernstraße, Büros und Micro-Appartements, die für eine funktionierende Nachbarschaft kontraproduktiv sind, nur an der lauten, vielspurig befahrenen Erkrather Straße. Teil des Einigungsprozesses ist ein Grundstück direkt am „Dorfplatz“, das der Investor der Planwerkstatt zum Kauf anbietet. Zum Selbstkostenpreis. Hier soll ein nachbarschaftlicher Treffpunkt mit Kultur- und Sozialräume, Repair-Café, Ateliers und gegebenenfalls auch Wohnungen entstehen. Ein spannender Prozess für den harten Kern der Planwerkstatt.
Wie hat sich die Stadt in diesem Prozess verhalten?
„Die Stadt hat sich rausgehalten. Sie hat interessiert zugeguckt,“ meint Harald. „Cornelia Zuschke, die Leiterin der Stadtplanung, hat unser Engagement sogar begrüßt. Nun ja, die Stadt Düsseldorf gibt sich wirtschaftsliberal. Der Markt hat immer Recht und wer das Geld hat, sprich: der Investor, macht was er will.“ Im Zuge dessen würde dann schon mal ohne Genehmigung abgerissen. Stichwort: Brause an der Oberbilker Allee. Hatte dieser Vorfall Konsequenzen? Das Thema „Brause“ wird laut Sitzungsprotokollen wieder und wieder thematisiert. Cornelia Zuschke wird einvernommen. Eine wirksame Bestrafung für den voreiligen Investor? Fehlanzeige. Ärgerlich, ja, denn es ist Sand im Getriebe. Die zuständigen Mitarbeiter im Amt werden bürokratische Steine in den Weg rollen, verzögern den Genehmigungsprozess und werden aber irgendwann Zähne knirschend nachgeben.
Traurige Berühmtheit hat auch das „Grand Central“ am Düsseldorfer Hauptbahnhof erreicht. Auf der Internetseite des schwedischen Investors Catella können die geplanten architektonischen Prachtbauten bestaunt werden. Die Ausführung dagegen stockt. Grundstücksteile wurden im laufenden Planungsprozess weiterverkauft. Der neue Investor, diesmal Adler Real Estate AG, der sich auch im Zusammenhang mit dem Glasmacherviertel in Gerresheim hervortut, verhandelt nach. Die einst schön hergerichtete und stolz präsentierte Baugrube verwahrlost.
Bürgerschaft diskutiert Stadt
„Leider ist Düsseldorf voll von Beispielen, wo erst gebuddelt und dann gedacht bzw. gerechnet wird. Die Folge: Viel Zeit vergeht. Investoren, Bürger und Presse setzen die Stadtplanung unter Druck. Am Ende wird etwas gebaut, was keiner so richtig wollte,“ beklagt Harald und fügt hinzu: „Die Gründung der Planwerkstatt erfolgte als Reaktion auf die geplante Baumaßnahme in der Kiefernstraße. Aber sie ist nicht ’nur‘ Kiefernstraße. Sie ist ein Beispiel, das Schule machen sollte.“
Die Planungswerkstatt 378 würde sich gerne als eine Institution etablieren, die im gesamten Stadtgebiet als Bürger- bzw. Anwohnervertretung die Entscheidungen in der Stadtplanung beeinflusst. „Am Beispiel der Kiefernstraße kann man sehen,“ erklärt Leonie, „wie wertvoll eine funktionierende Nachbarschaft ist. Hier leben aktuell ca. 700 Leute, Familien mit Kindern, Alleinstehende, Alte und Junge. Viele von ihnen haben einen ausländischen Pass.“
„Jedes Haus organisiert sich selbst. Das ist dann sehr unterschiedlich, wie oft man sich trifft. Ob Hausversammlungen oder Mietertreffen stattfinden,“ fügt Harald hinzu. „In den ‚ungraden‘ Hausnummern wohnen viele der ehemaligen Hausbesetzer, auch wenn es lange nicht mehr so viele sind, wie so mancher Düsseldorfer glaubt. Speziell während des Lockdowns ist wohl vielen Menschen klar geworden, wie wichtig eine funktionierende Nachbarschaft und ein wohnliches Umfeld sind. So gesehen ist die Kiefernstraße einzigartig. Es wäre schön, wenn es in Düsseldorf mehr solcher Inseln gäbe, in denen die Nachbarn für ihre Interessen aufstehen.“
Ein Kommentar
Weiß jemand, wann es hinter dem ARAG Haus mit dem Wohnhochhaus weiter gehen soll?
In dem Riesenloch ist ja seit über einem halben Jahr Stillstand?