…mich fragte dieser Tage einer, was ich denn davon halte, dass am 4. September ein „Großkonzert“ mit bis zu 13.000 Zuschauern in der Arena stattfinden soll. Ich antwortete: „Da bin ich hin und her gerissen.“ Gut, ich persönlich finde, dass Gigs mit Bryan Adams, Sarah Connor und Rea Garvey nicht unbedingt stattfinden müssen, aber so etwas zu mögen, ist Geschmackssache. Der unzerstörbare Marek Lieberberg nennt die Sache „Give Live a Chance“ und argumentiert damit, dass das Konzert eine „Leuchtturmfunktion“ habe. Dem kann ich unbedingt folgen.

Denn je länger die Corona-Krise andauert (und ich persönlich gehe davon aus, dass es noch mindestens neun bis zwölf Monate sein werden), desto weniger wird unsere Gesellschaft mit einem Auf und Ab von Einschränkungen leben können, ohne dass die Hälfte der Bevölkerung durchdreht. Inzwischen sind ja ziemlich konsistente Hygieneregeln bekannt, die anscheinend auch gut wirken. Denn immer, wo sich die Leute nicht dran halten, schießen die Infektionszahlen in die Höhe. Was von den entsprechenden Maßnahmen rund um das Event in der Arena bekannt ist, wirkt absolut überzeugend und hat ja auch den Segen des hiesigen Gesundheitsamts.

Also: Die Sache ist ein Leuchtturm. Aber, man sollte nicht auf die kranke Idee kommen, das Ereignis als Test zu betrachten. Das hieße ja, dass man ein paar Wochen später mal nachschaut, wie viele der namentlich registrierten Besucher*innen sich das Virus eingefangen haben. Das wäre zynisch. Bestenfalls kann man das „Großkonzert“ als Testlauf für die Einhaltung von Hygieneregeln unter den Bedingungen einer Massenveranstaltung betrachten. Das hieße aber auch, dass der Veranstalter am Tag des Events SOFORT eingreifen und das Ding notfalls abbrechen müsste, wenn sich die Leute nicht an die Regeln halten.

Nun herrscht ja Kommunalwahlkampf im Bundesland. Und da wenden fast alle Politiker*innen alles, was auch nur annähernd wirken könnte, gegen die Kandidat*innen der jeweiligen Konkurrenzparteien an. Anders kann man sich die hirnrissigen Einlassungen des NRW-Gesundheitsministers Laumann nicht interpretieren, der wohl eine Chance gesehen hat, dem amtierenden Düsseldorfer OB Thomas Geisel einen einzuschenken. Es ist maximal perfide, solche Vorgänge in der Corona-Krise parteipolitisch zu missbrauchen – Laumann sollte sich was schämen.

Leider kann man aber auch die Argumentationen von Lieberberg und auch der Volkssängerin Sarah Connor nicht einfach so stehen lassen, die sich in eine Grunddauerjammerei der gesamten „Event-Branche“ einreihen. Natürlich ist es vollkommen unmöglich, dass der Bund eine marode, durch Misswirtschaft an den Abgrund getriebene Luftfahrtgesellschaft mit neun Milliarden Euro stützt (und nebenbei einem der skrupellosesten Investoren des Landes, einem Förderer rechter Kreise zumal, damit Millionen in mindestens zweistelliger Höhe in die Tasche schiebt), für Künstler*innen aller Sparten, für Betriebe der ernsten Unterhaltung und der Popkultur, für Kultur- und Musikfestivals, für eine Branche, an der – je nach Betrachtungsweise – zwischen 1,5 und 3 Millionen Arbeitsplätze hängen, aber so gut wie keine finanziellen Hilfen bereitstellt.

Wenn aber die Plattenmillionärin und der Veranstaltungsmillionär jammern, dann sind sie die goldenen Pflaumen, die man nicht mit den Feld-, Wald- und Wiesenäpfeln vergleichen kann. Ganz richtig gibt die gute Sarah an, dass an ihrem Business allein über 100 Arbeitsplätze hängen, sie vergisst aber zu erwähnen, dass die Sarah-Conner-AG (nein, sie ist keine Firma…) in den vergangenen Jahren nachweisbar Millionen gescheffelt und satte Gewinne gemacht hat. Das gilt in gesteigertem Maße natürlich auch für Meister Marek. Die ganzen Roadies und Stagehands, die Aushilfsbeleuchter, die Caterer und die Fahrer, alle, die im Hintergrund von Groß-Events schwer arbeiten, meist unterbezahlt, oft nicht mal mit dem Mindestlohn vergütet, die haben nur ganz selten so viel verdient, dass sie Kohle auf die hohe Kante legen konnten. Da sind die Tausenden von Sub- und Off-Künstler*innen schon fast besser dran, denn die haben in der Regel nie irgendwas sparen können, sondern sind es gewohnt von der Hand in den Mund zu leben. Denen hilft ein Leuchtturm-Großkonzert nichts, null, niente.

Hinterfragt wird außerdem nicht, welchen Wert die schlagerartige Mucke, die bei „Give Live a Chance“ zu erwarten ist, im gesellschaftlichen Kontext betrachtet, überhaupt hat. Ja, heißt es, die Menschen sollen mal wieder eine Freude haben. Die ziemlich mauen Vorverkaufszahlen weisen darauf hin, dass nicht sehr viele Menschen Freude am zu erwartenden Programm haben. Und auch, dass viele Bürger*innen inzwischen ziemlich vorsichtig geworden sind, was größere Menschenmassen angeht. So betrachtet könnte das Arena-Konzert am 4. September tatsächlich ein Leuchtturm sein, der den Leute ein bisschen Angst vor der Ansteckung nehmen könnte. Aber, wie gesagt, ich bin da hin und her gerissen.

 

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