Was Köln der Dom, ist Düsseldorf das besondere Rheinpanorama mit Rheinuferpromenade, Rheinturm und der Rheinkniebrücke. Mehr Rhein geht kaum. Millionen Fotos zeigen dieses Ensemble, Hunderte Künstler haben sich an dem Motiv versucht, und ganz besonders patriotische Lokalpatrioten haben ihre Wohnung mit Wand-Tattoos verschönert, auf denen die Silhouetten der Bauwerke zu sehen sind. Dabei ist der Blick, zum Beispiel vom Burgplatz mit dem Schlossturm oder von der Oberkasseler Brücke oder den Rheinwiesen aus, in Richtung Südosten noch nicht sehr lange so spektakulär wie heute. Ausgangspunkt war tatsächlich die im Oktober 1969 dem Verkehr übergebene Rheinkniebrücke, die so heißt, weil sie das sogenannte „Rheinknie“ überbrückt, eine Rheinschlinge, die der Form nach diesem Körperteil ähnelt.
Zusammen mit der Theodor-Heuss-Brücke im Norden und der Oberkasseler Brücke zählt das von den Düsseldorfern knapp „Kniebrücke“ genannte Bauwerk zur sogenannten „Düsseldorfer Brückenfamilie„. Deren geistiger Vater ist der langjährige Leiter des Stadtplanungsamtes Professor Friedrich Tamms. Der schon im Nationalsozialismus als Stadtplaner aktiv an den Irrsinnsplänen für Hitlers Megastadt „Germania“ beteiligte Architekt vertrat die These von der autogerechten Stadt – die gesamte Planung sei auf einen möglichst störungsfrei fließenden Autoverkehr auszurichten. Unter vielem, was er in diesem Sinne durchboxte, leidet die Stadt heute noch. Durchgesetzt hat er sich mit Hilfe der konservativen Stadtväter jener Jahre auch beim sogenannten „Düsseldorfer Architektenstreit“. Eine breite Initiative Düsseldorfer Architekten, Baumeister und Stadtplaner leistete Widerstand gegen Tamms‘ Pläne, die Stadt durch Autoschneisen zu zerteilen. So umstritten die Rolle von Friedrich Tamms bei der Stadtplanung ist, so dankbar sind ihm bis heute die Bürger für seine ästhetischen Vorstellungen beim Brückenbau. Zwei Denkschriften unter dem Titel „Brücken für Düsseldorf“ veröffentlichte er 1951 und zehn Jahre später in einer überarbeiteten und konkretisierten Fassung. Dabei nahm er einerseits Pläne für die Ost-West-Erschließung der Stadt durch Brücken aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg auf und vertrat das Prinzip der Zubringer, durch die der Straßenverkehr der Städte an die außerhalb der Orte verlaufenden Autobahnen angebunden werden soll. Es ging ihm also nicht bloß um mehr Rheinquerungen, sondern um eine übergeordnete Strukturierung des Autoverkehrs – übrigens der Grund dafür, dass weder auf der Theodor-Heuss-, noch auf der Kniebrücke Straßenbahngleise gebaut wurden. Der eigentliche Vater der typisch düsseldorferischen Schrägseilbrücken ist jedoch Fritz Leonhardt, einer der wichtigsten deutschen Bauingenieure des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich war die besondere geografische Lage und der Wunsch, keine Pfeiler und Pylonen am rechtsrheinischen Ufer zu haben, der wahre Grund dafür, dass die Düsseldorfer Brückenfamilie so aussieht wie sie aussieht. Denn um die große Entfernung der Ufer am Rheinknie überbrücken zu können, ohne Pylone in den Strom oder ans rechte Ufer setzen zu müssen, kam nur eine sogenannte „zweihüftige“ Spannseilbrücke mit einem Paar besonders hoher Pylone in Frage. Die Höhe der sogenannten „Stile“ beträgt bei der Kniebrücke 114 Meter, die Spannweite liegt bei 319 Meter – damit war sie lange Zeit Weltrekordhalterin. Ursprünglich sollten die Stiele wie bei der Theodor-Heuss-Brücke aus Stahl in gegossene und verklinkerte Stützfundamente gesetzt werden; auf Vorschlag der Stahlbaufirma Hein Lehmann AG entschied man sich aber dafür die stählernen Pylone bis zu den gegründeten Fundamenten durchzuführen. Ganz einfach war es nicht, die konkrete Linienführung zu finden. Am linken Rheinufer musste auf die existierende Bebauung und damit auf die vorwiegend wohlhabende Bevölkerung Rücksicht genommen werden. Auf der anderen Seite sollte der Villa Horion, dem damaligen Sitz des NRW-Ministerpräsidenten, genug Raum gelassen werden. Trotzdem sagen noch heute ältere Bürger der Stadt, dass die rechtsrheinische Rampe ein ganzes Stadtviertel verschandelt hat – unter anderem auch die Schönheit des Ständehauses am Kaiserteich, ehemals Sitz des NRW-Parlaments und heute als K21 Teil des Düsseldorfer Kunstmuseums. Dass es überhaupt eine Anbindung nach Norden Richtung Haroldstraße gibt, war möglicherweise schon Folge des Widerstands der Architekten gegen Tamms, denn der hatte ursprünglich vor, die Herzogstraße drastisch zu verbreiten und den Verkehr von der Kniebrücke über Hochstraßen an die Corneliusstraße und damit an die von ihm quer durch die Stadt geschlagene Nord-Süd-Autoachse anzubinden. Heute bildet die Rheinkniebrücke ein wichtiges Einfallstor für die Pendler aus den linksrheinischen Gebieten bis weit über Kaarst hinaus, die von der A52 kommen. Apropos: Diese Unvollendete unter den Autobahnen führt bekanntlich bis zum Seestern, wo sie sich als B7 gabelt. Der eine Ast führt nördlich über die Theodor-Heuss-Brücke und mündet am Mörsenbroicher Ei in den Zubringer zur A52 Richtung Essen. Der südliche Arm aber endet stumpf mitten im Stadtteil Friedrichstadt, was ebenfalls darauf hinweist, dass die Tamm’sche Planung für eine autogerechte Stadt letztlich nie vollendet wurde. Und trotzdem: Die Kniebrücke ist eine Schönheit, die ihre ästhetische Qualität aus vielen Blickwinkeln vorführt. Kenner lieben den Blick auf der linksrheinischen Seite auf die Brücke mit ihren geschwungenen Rampen. Die Pylone sind Kunstwerke für sich, und wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass die Wölbung in Fahrtrichtung nicht nur der Konstruktion geschuldet ist, sondern optisch so gewollt. Das Besondere aus Sicht von Autofahrern ist aber der fantastische Blick auf das Rheinpanorama der Stadt, der schon kurz vor dem Rheinufertunnel bei Heerdt beginnt und sich während der ganzen Überquerung bietet.