Eine sehr frühe Kindheitserinnerung: Die Tante fährt eine Freundin in Waldniel besuchen und nimmt mich mit. Es wird im Sommer 1957 gewesen sein. Wir sitzen in einem Zugabteil, und draußen wehen die Dampffetzen der Lokomotive vorbei. Dann kommen wir auf eine mächtige, rußig-schwarze Brücke mit vier gewaltigen Bögen. Die Lok pfeift, die Waggons rattern, und ich kann den Rhein sehen – wir haben die alte Hammer Eisenbahnbrücke überquert. Und, ja, diese Brücke ist wirklich sehr, sehr alt. Ihre erste Version wurde am 24. Juli 1870 eröffnet, kurz nach dem Beginn des Deutsch-Französischen Krieges, an dessen Ende die Gründung des Deutschen Kaiserreiches stand.

Konstruktionsdetail der neuen Hammer Eisenbahnbrücke

Konstruktionsdetail der neuen Hammer Eisenbahnbrücke

Tatsächlich fand die Eröffnung ohne Pomp und vorzeitig statt. Die preußischen Generäle hatten nämlich erkannt, dass die Eisenbahn einer Armee entscheidende Vorteile bringen würde. Die ersten Züge, die über die Hammer Eisenbahnbrücke rollten, waren Truppentransporte. Heute erinnern noch die Sicherungstürme an beiden Rheinufern an diese Vergangenheit. Sie dienten nicht dazu, dem Bauwerk mehr Bedeutung zu verschaffen, sondern waren zur militärischen Sicherung gedacht. Auf der Neusser Seite hatte man zusätzlich ein kleines Fort am Deich errichtet, das aber – weil es nicht mehr gebraucht wurde – schon 1885 wieder geschleift wurde.

Google-Map: Hammer Eisenbahnbrücke

Google-Map: Hammer Eisenbahnbrücke

Schon wenige Jahre nach der Gründung der Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft im Jahr 1843 hatte man begonnen, über eine Rheinquerung nachzudenken. So sollte das geplante Streckennetz, das mit einer Verbindung zwischen (Wuppertal)-Elberfeld und (Düsseldorf)-Gerresheim begonnen hatte, nach Westen und Süden bis nach Mönchengladbach und den Niederlanden bzw. Köln ausgeweitet werden. Im Mai 1868 begannen dann die Arbeiten an der zweigleisigen Brücke mit ihren markanten Halbparabelträgern – nach der Dombrücke in Köln erste die zweite Rheinquerung für die Eisenbahn im gesamten Rheinland. Am 20. November 1869 ereignet sich ein schwerer Unfall, als ein mit Eisenerz beladenes Schiff gegen ein Brückengerüst stößt und einer der vier Bögen einstürzt. Bei diesem Unglück finden 15 Menschen den Tod. Daraufhin werden die Arbeiten über den Winter eingestellt und erst im Frühjahr 1870 fortgesetzt.

Ostseite der Hammer Eisenbahnbrücke mit Brückentürmen (Foto: Hajo Kendelbacher)

Ostseite der Hammer Eisenbahnbrücke mit Brückentürmen (Foto: Hajo Kendelbacher)

Schon in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts musste das Bauwerk aufwändig saniert werden, und zu dieser Zeit wurde auch deutlich, dass die Kapazität nicht mehr ausreichte. Also wurde zwischen 1909 und 1911 eine zweite Brücke, von der Konstruktion her ein Zwilling der ersten, errichtet. Nun standen dem stark angewachsenen Verkehr vier Gleise zur Verfügung. Dabei war es vor allem der extrem angewachsene Güterverkehr auf der Schiene, der die Erweiterung nötig machte. Fernlinien des Personenverkehrs verliefen nicht über die Hammer Eisenbahnbrücke. Wie beinahe alle Rheinbrücken in unserer Region wurde auch dieses Bauwerk in den letzten Monaten des zweiten Weltkriegs von Pionieren der Wehrmacht gesprengt. Dabei wurde die südliche Brücke sehr viel stärker beschädigt als ihr Pendant. Also nutzte man zur Sanierung der nördlichen Brücke ganze Baugruppen des Zwillings und schaffte es, dass eine zweigleisige Hammer Eisenbahnbrücke schon am 31. Juli 1946 wieder in Betrieb genommen werden konnte. Die Reste der südlichen Brücke blieben als Ruinen an beiden Ufern bzw. im Fluss stehen.

Abriss der Vorlandbrücken der südlichen Eisenbahnbrücke als Vorbereitung für den Neubau (Foto: WDR Digit)

Abriss der Vorlandbrücken der südlichen Eisenbahnbrücke als Vorbereitung für den Neubau (Foto: WDR Digit)

Erneut überwog die Nutzung durch den Güterverkehr bei weitem das Aufkommen der Personenzüge – nach wie vor ratterten nur Bummelzüge über die Brücke: Man kam so von Wuppertal und Düsseldorf aus bis nach Mönchengladbach, Aachen und Venlo. In den frühen Sechzigerjahren wurde die Strecke elektrifiziert, und mit dem Start der S-Bahn im Rhein-Ruhr-Gebiet 1968 war bereits vorgezeichnet, dass es irgendwann auch eine West-Ost-Strecke geben würde. Klar war außerdem, dass die alte Hammer Eisenbahnbrücke dem Taktverkehr einer S-Bahn als zusätzlicher Belastung neben dem starken Verkehr der Güterzüge nicht standhalten würde. Eine neue, moderne und viergleisige Brücke musste her.

Abbau der alten Hammer Eisenbahnbrücke  1987 (Foto: Deutsche Digitale Bibliothek)

Abbau der alten Hammer Eisenbahnbrücke 1987 (Foto: Deutsche Digitale Bibliothek)

Errichtet wurde sie dort, wo zuvor die Ruinen der südlichen Brücke zu finden waren; der Verkehr über die nördliche Brücke blieb die ganze Bauzeit über unbeeinträchtigt. Zur Konstruktion der neuen Hammer Eisenbahnbrücke heißt es auf Wikipedia:

Die zweifeldrige Strombrücke ist im Hauptfeld eine 250 Meter lange Stabbogenbrücke mit einem Fachwerkversteifungsträger, im Randfeld besitzt die Fachwerkkonstruktion eine Stützweite von 135 Meter. Das Bauwerk soll in dieser Formgebung an die historische Konstruktion erinnern. Die Brücke ist so konstruiert, dass sich zwei Gleise innerhalb der Fachwerkkonstruktion befinden und jeweils ein Gleis beidseitig außerhalb des Fachwerks. Die 9.000 Tonnen schwere Konstruktion ist komplett geschweißt. Die Brücke wurde aus ihren bis zu 100 Tonnen schweren Einzelteilen auf einem Montageplatz auf Düsseldorfer Seite montiert und mit dem Einschubverfahren fertiggestellt. [Quelle: Wikipedia]

Das Vereinsheim der Bergischen Lehnsritter in den Hammer Brückentürmen (Foto: Bergische Lehnsritter e.V.)

Das Vereinsheim der Bergischen Lehnsritter in den Hammer Brückentürmen (Foto: Bergische Lehnsritter e.V.)

Natürlich ist die neue Brücke wieder mit vier Gleisen ausgestattet, von denen zwei innerhalb des Fachwerkträgers verlaufen und zwei außerhalb. Begonnen hatte man im Frühjahr 1984, im Sommer 1987 wurde die neue Brücke eingeweiht, und man begann mit dem vollständigen Abbau der alten Stahlkonstruktion und der Vorlandbrücken; lediglich die Brückentürme ließ man als Denkmäler stehen. Während der Turm auf der Neusser Seite zugemauert ist und nicht genutzt wird, hat der Mittelalter-Club Bergische Lehnsritter sein Vereinsheim in den Brückentürmen in Hamm eingerichtet.

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