Zum Abschluss unserer Serie über ALLE Rheinbrücken zwischen Köln-Rodenkirchen und Duisburg-Beeckerwerth haben wir uns die Oberkasseler Brücke in Düsseldorf aufgehoben. Die wurde zwischen 1969 und 1973 neben der bestehenden alten Brücke gebaut und im April 1976 an ihre „richtige“ Position verschoben – ein bis dahin einmaliger Vorgang, der weltweit Beachtung erfuhr. Unser Autor Rainer Bartel hat 2009 seine ganz persönlichen Erinnerungen an diese Geschichte und auch an die alte Brücke zwischen der Altstadt und Oberkassel veröffentlicht, die wir hier noch einmal in aktualisierter und überarbeiteter Form präsentieren wollen.

Am 07.04.1976 begann man, die neu gebaute Oberkasseler Brücke an ihre endgültige Position zu verschieben. Man hatte das neue Mitglied der Düsseldorfer Brückenfamilie 47,5 Meter stromaufwärts errichtet und die alten Kastenbrücke zunächst bestehen lassen. Als die neue Brücke fertig war, wurde sie zunächst provisorisch in Betrieb genommen; auf beiden Seiten machte die Straße einen Schlenker. Nach dem die eigentlich auch nur provisorische Brücke abgerissen war, sollte die neue nun wieder in einer Flucht mit der Luegallee liegen. Mit hydraulischen Pressen wurde das Riesending mit einer Geschwindigkeit von weniger als einem Meter pro Stunde verschoben; die Aktion dauerte mehr als zwei Tage.

Zu der Zeit war ich Mitglied im Studentenparlament der Kunstakademie Düsseldorf. Die Aktion fand also vor der Haustür statt. In jenen Tagen gab es mal wieder Streit mit dem Wissenschaftsministerium, das damals von Johannes Rau geführt wurde. Der hatte sich die Kunststudenten mit der Suspendierung von Joseph Beuys zu Feinden gemacht und unterstütze einige Professoren bei dem Versuch, die studentische Selbstverwaltung einzuschränken. Passend zum Anlass malten wir deshalb ein großes Transparent und hängten es an der Nordfassade aus. Der (zugegeben blöde) Spruch lautete: „Dort wird die Brücke verrückt, hier Demokratie unterdrückt“. Beteiligt war übrigens auch mein Kommilitone Uli Kiesow, der Erfinder des Rollenspiels Das Schwarzen Auge – aber das ist eine andere Geschichte…

Die alte Brücke

Das Bild der alten Oberkasseler Brücke ist ein Bild meiner Kindheit und untrennbar mit der Großen Düsseldorfer Kirmes verbunden. Denn das große Volksfest auf den Oberkasseler Rheinwiesen war für uns der einzige Anlass die Brücke zu Fuß zu überqueren. Dagegen bin ich viele Male mit der K-Bahn darüber gefahren, also der Straßenbahn, die von Düsseldorf aus bis nach Krefeld fuhr. Dort lebte das Ehepaar Jäger, alteingesessene Krefelder Wirtsleute, mit denen mein Vater eng befreundet war. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

Diese alte Brücke war 1948 als Provisorium errichtet worden, nachdem die vorherige Behelfslösung, eine schwimmende Pontonbrücke, durch Eisgang und eine Schiffskollision zerstört worden war. Man hatte eine schwere Eisenkastenkonstruktion auf die Fundamente der alten Oberkasseler Brücke von 1898 gelegt. Das ergab eine kaum zweispurige Verbindung in einem dunklen Kasten, der dröhnte und schwankte, wenn die Straßenbahn (eingleisig!) darauf fuhr. Es hieß damals immer, die Schützen dürften nicht im Gleichschritt darüber marschieren, denn sonst würden die Schwingungen das Ding zum Einsturz bringen.

Natürlich war das Provisorium ein schlimmes Nadelöhr und bis 1957, als die Nordbrücke zwischen Derendorf und Lörick eröffnet wurde, die einzige Brückenverbindung zwischen den rechts- und linksrheinischen Stadtteilen. Später hat man sie nach dem ersten Bundespräsidenten, Papa Heuss, benannt. Aber echte Düsseldorfer nennen sie immer noch Nordbrücke (und auch das mit den Brückennamen ist eine andere Geschichte…).

Die neue Brücke

Natürlich ist auch die Oberkasseler Brücke auf dem Mist des Friedrich Tamms gewachsen, des ehemaligen Mitarbeiters Albert Speers, der die Stadt Düsseldorf nach dem Krieg ganz im Sinne seiner Vorstellungen von einer autogerechten Stadt umgestalten durfte. Mit den drei Schwestern Knie-, Oberkasseler- und Nordbrücke setzte sich der umstrittene Architekt sein persönliches Denkmal.

Tatsächlich hat die neue Oberkasseler Brücke aber die Rheinseiten der Stadt stark aneinander gerückt. Denn plötzlich waren die netten Kneipen Oberkassels eine echte Alternative zur Altstadt. Endlich konnte auch die Rheinbahn zweigleisig fahren, und der Autoverkehr nahm ganz neue Dimensionen an. Ob aber der ganze Aufwand mit seinen enormen Kosten gerechtfertigt war, ist ungewiss. Merkwürdigerweise ist danach nirgendwo auf der Welt wieder eine Brücke in Querrichtung an ihre endgültige Position verschoben worden. Es wird Gründe dafür geben.

[Zuerst erschienen auf The Düsseldorfer am 07.04.2009]

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