Hartnäckig hält sich die Legende, dass ein Kleinflugzeug in das noch unfertige Bauwerk, das zunächst Nordbrücke hieß und ab 1963 Theodor-Heuss-Brücke benannt wurde, geflogen und abgestürzt sei. Tatsächlich ereignete sich im September 1957 während der Bauarbeiten ein Unfall, bei dem ein rund 330 Tonnen wiegendes Teil der Brückenkonstruktion in den Rhein fiel. Ursache war aber kein Flugzeugabsturz, sondern ein Montagefehler. Zum Glück gab es nur einen Leichtverletzten, und es kam nur zu einer geringen Verzögerung im Zeitplan. So entstand die erste Schrägseilbrücke Deutschlands, erdacht und geplant von Prof. Friedrich Tamms. Der in der NS-Zeit erfolgreich gewordene Architekt war in den Fünfzigerjahren oberste Stadtplaner Düsseldorfs und setzte seine Vision einer autogerechten Stadt rigoros durch. Berühmt wurde er aber vor allem als Vater der Düsseldorfer Brückenfamilie, zu der neben der Theodor-Heuss- die Rheinknie- und der Neubau der Oberkasseler Brücke zählt. Zusammen haben diese Bauwerke das Panorama der nordrhein-westfälischen Hauptstadt entscheidend geprägt.

Stahlkästen beim Bau der Brücke

Stahlkästen beim Bau der Brücke

Dass die Nordbrücke als erste errichtet wurde, hat damit zu tun, dass Bund und Land an dieser West-Ost-Autoverbindung großes Interesse hatten und ihre Fördermittel entsprechend angeboten hatten. Wie in allen anderen Großstädten am Rhein gab es bis dahin auch in Düsseldorf nur die eine Brücke für den innerstädtischen Verkehr über den Rhein; wer vor 1959 mit Pkw oder Lkw über den Rhein wollte, um weiter Richtung Niederlande westwärts zu gelangen, war gezwungen, die nach dem Krieg wiederaufgebaute Oberkasseler Brücke zu benutzen, um sich dann durch die linksrheinischen Stadtteile zu quälen. Die Verbindung geht auf die Fernverkehrsstraße bzw. Reichsstraße 7 zurück, die von der niederländischen Grenze bis nach Dresden führte.

Nach dem zweiten Weltkrieg begann in der Bundesrepublik die Ära des Autobahnbaus nach dem Konzept, die Großstädte und Ballungsräume mit reinen, vierspurigen Autofahrstraßen zu verbinden, die aber jeweils um die Orte herum oder an ihnen vorbei geführt werden sollten – dies im Unterschied zu den meisten anderen Ländern, in denen Highways und ähnliche Fernstraßen an den jeweiligen Stadtgrenzen enden. Das Konzept selbst stammt aus den Dreißigerjahren, an dessen Entwicklung war Prof. Tamms von 1935 bis 1939 als beratender Architekt und später unter Albert Speer maßgeblich beteiligt. In seiner Position in Düsseldorf sah er die Chance, die während der NS-Zeit begonnene Entwicklung in die Praxis umzusetzen und zudem an der Realisierung einer autogerechten Stadt mitzuwirken.

Google-Map: Theodor-Heuss-Brücke samt Anbindungen

Google-Map: Theodor-Heuss-Brücke samt Anbindungen

Die Idee – tatsächlich ab den Sechzigerjahren in Köln verwirklicht – war, die Stadt mit einem Autobahnring zu umschließen, die über sogenannte „Zubringer“ mit dem innerstädtischen Straßennetz verbunden sind. Die Theodor-Heuss-Brücke war – genau wie die später entstandene Rheinkniebrücke – Teil des Zubringersystems und sollte die A3 über die B7 mit den geplanten linksrheinischen Autobahnen in Richtung Niederlande, Niederrhein und Köln verbinden. Gleichzeitig wurde die südliche Variante geplant, bei der die B1 und die B8 über den Rhein geführt wurden. Ob ein innerstädtischer Autobahnring à la Boulevard Périphérique daraus wachsen sollte, ist unklar und nicht mehr nachzuvollziehen. Stattdessen entstand der sogenannte „Lastring“, der die Innenstadt östlich umspannt und vom „Mörsenbroicher Ei“ im Norden bis zum Südring und damit zur ehemaligen Südbrücke führt, die heute Josef-Kardinal-Frings-Brücke heißt.

Die Auffahrt zur Brücke auf dem rechten Rheinufer

Die Auffahrt zur Brücke auf dem rechten Rheinufer

Tamms war aber nicht nur Verkehrsplaner, sondern auch Architekt mit hochmodernen ästhetischen Vorstellungen – die so gar nicht zu dem passen, was er unter Speer für den Umbau Berlins in die neue Superhauptstadt Germania zu planen hatte. Elegant und leicht sollte sie werden, die Nordbrücke, und so wurde ein Wettbewerb für eine Schrägseilbrücke ausgeschrieben. Von diesem Typ gab es bis dahin nur die 1956 eingeweihte Strömsundbrücke in Schweden. Als Schrägkettenbrücke ist diese Bauform dagegen schon seit dem siebzehnten Jahrhundert bekannt: Das Brückendeck hängt an Ketten, die von der Spitze von Pylonen schräg nach außen verlaufen. Der Fortschritt im Metallbau und auch in der Technik der Tragwerkberechnung machte es nun möglich, relativ schlanke Pfeiler und vergleichsweise filigrane Stahlseile zu verwenden.

Aus rein ästhetischen Gründen bestand Tamms nun darauf, dass die Tragseile der vier Pfeiler nicht in Bündeln von den Spitzen aus verspannt werden sollten, sondern parallel zueinander an verschiedenen Punkten der Pylonen befestigt sein sollten. Auch die anthrazitgraue Lackierung mit den weißen Streifen außen an den Brückenkörpern war ihm als optisches Merkmal wichtig. Technisch interessant ist aber nicht nur die eigentliche Brücke, sondern auch die Vorflutbrücken mit ihren Rampen und vor allem die spiralförmigen Aufgänge am rechten Rheinufer. Im Gegensatz zur Rheinkniebrücke, deren Rampen rechtsrheinisch eine harte Schneise durch ein Wohngebiet schlägt, führten die Rampen auf dem rechten Ufer des Flusses während des Baus und einige Zeit danach durch wenig genutztes Gelände und mündete in die Heinrichstraße, die zwischen den Fabriken von Rheinmetall und DKW (später Mercedes-Benz) hindurchführte.

Die Nordbrücke im Winter 1963

Die Nordbrücke im Winter 1963

Bis vor wenigen Jahren hieß das Bauwerk bei eingesessenen Düsseldorfern immer noch Nordbrücke, und manche älteren Einwohner erinnern sich noch gut an die spannenden Bauarbeiten; so stand das Stück östlicher Rampe, das heute die Kaiserswerther Straße überquert, einige Zeit als Monolith ganz allein da. Auch die Vorflutbrücke auf Löricker Seite war bereits fertiggestellt als die Arbeiten an den Fundamenten für die Pylonen erst begannen. Diese stehen auf massiven Betonkonstruktionen, die ohne den Einsatz von Tauchkästen jeweils an Land errichtet wurden. Die Träger der Rampen bzw. der Vorflutbrücke sind mit diesen Fundamenten optisch identisch.

Die Theodor-Heuss-Brücke ist fast 60 Jahre nach ihrer Einweihung einigermaßen in die Jahre gekommen. Während die eigentliche Struktur in gutem Zustand ist, müssen demnächst mit großem Aufwand die Fußgänger- und Radwege erneuert werden. Noch im Jahr 2018 sollen die Arbeiten beginnen, die sich über mindestens acht Monate hinziehen und gut elf Millionen Euro kosten sollen. In dieser Zeit wird es zu massiven Einschränkungen des Autoverkehrs kommen, weil jeweils eine Spur ganz gesperrt sein und auf der anderen Tempo 50 gelten wird. Weil die Brücke schon seit langer Zeit ein wichtiges Tor zur Stadt für Pendler darstellt, ist das Verkehrschaos vorprogrammiert.

[Foto „Fahrradauffahrten“: Edgar EL via Panoramio und Wikimedia unter der CC-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“; Foto „Winter 1963“: Andreas Schwarzkopf via Wikimedia unter der CC-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“; ]

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