Dass der rheinische Karneval überhaupt über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist, verdankt er den Medien. Waren es im 19. Jahrhundert noch die bebilderten Berichte in den frühen Illustrierten und den Tageszeitungen, berichtete der Rundfunk schon ab 1920 über das närrische Treiben – vor allem auf den Straßen der Hochburgen Mainz, Köln und Düsseldorf. Mit den Wochenschauen in den Dreißigerjahren kam der Film hinzu, und schon ab 1952 waren Rosenmontagszüge im Fernsehen zu bestaunen. Aber nicht nur Nicht-Rheinländer fragen sich seitdem, was es denn mit dem Kölner Dreigestirn auf sich hat.
Die Kölner nehmen zurecht für sich in Anspruch, den Karneval, wie wir ihn heute kennen, erfunden zu haben. Zu den wesentlichen Erfindungen gehören der Rosenmontagsumzug und der Karnevalsprinz. Im archaischen Karneval, diesem lauten, derben und gegen die Obrigkeit gerichteten Bündel Bräuche rund um die Fastnacht, gab es bereits Symbolfiguren, die alle in Richtung Hofnarr oder Hanswurst gingen. Der „moderne“ Karneval, der eng mit dem Zeitalter der Romantik verbunden ist, bekam in Köln aber zunächst einen „Held Carneval“, der erstmals 1823 regierte und bis 1829 vom italienisch-stämmigen Kölnisch-Wasser-Fabrikanten Emanuel Ciolina Zanoli dargestellt wurde. Schon bei seinem ersten Auftreten – übrigens auch im Rahmen eines Umzugs – wurde dem närrischen Helden eine „Jungfrau“ zur Seite gestellt, die symbolisch für die vermeintliche Stadtgründerin Agrippina stehen sollte. Damit begründete das Festkomitee Kölner Karneval die Tradition der während des Fastelovend regierenden Symbolfiguren.Übrigens: Der fünfzehn Jahre später als in Köln gegründete Düsseldorfer Karneval übernahm die grundsätzliche Idee, ließ es aber zunächst beim Prinzen bewenden, dem erst ab 1879 eine Venetia beigesellt wurde. Die war wiederum eine Figur, die im 17. Jahrhundert beim höfischen Karneval im Residenzstädtchen Düsseldorf auftauchte und ab 1871 eine Zeitlang dem jeweiligen kölschen Prinzen Karneval assistierte.
Dass aus dem „Helden Carneval“ der Prinz Karneval wurde, hat mit dem Erstarken des Bürgertums im Rheinland zu tun, dass es nicht so mit der Monarchie und übrigens auch nicht mit dem preußischen Militarismus hatte und beides im Karneval zu karikieren suchte. 1858 griff man die Idee von der Jungfrau wieder auf, die jetzt einerseits die Stadtgründerin Agrippina verkörpern sollte, gleichzeitig, aber auch allegorisch für die Uneinnehmbarkeit der wehrhaften Stadt Köln stehen sollte. Aber auch die kölsche Legende von den 11.000 Jungfrauen spielt mit hinein.
Und weil man schon bei den Allegorien war, erfand man den Bauern (auf Kölsch: Bure). Der bezieht sich auf die Befreiung der Stadt Köln aus den Klauen des Erzbischofs mit der Schlacht von Worringen im Juni 1288. Unter den gut 10.000 Kriegern, die sich dort einen Tag lang gegenseitig niedermetzelten, waren auch Hunderte Bauern aus dem kölschen Umland (nebenbei bemerkt: Auch rund 150 Düsseldorfer Fischer und Landwirte kämpften auf Seiten der Kölner Bürger…). Seitdem gelten sie eben als Verteidiger der Stadt. So soll der Bauer als Teil des Kölner Dreigestirns die Wehrhaftigkeit der Stadt darstellen und gleichzeitig als Beschützer der Jungfrau fungieren. Als Waffe trägt er einen Dreschflegel, und seine mit 125 Pfauenfedern geschmückte Kopfbedeckung soll nichts anderes darstellen als eine Rübe.Da der hochoffizielle Kölner Fastelovend – im Gegensatz zum Düsseldorfer Karneval – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine reine Männerdomäne war, wird die Jungfrau traditionell von einem Mann gespielt. Dagegen hatten die Nationalsozialisten etwas; sie sahen die Sache in der Nähe von Travestie und Homosexualität und ordneten an, dass 1937 und 1938 eine Frau diese Figur darstellen sollte. Die trägt übrigens eine Tunika im römischen Stil, aber eine Krone, die eher mittelalterlich aussieht.