Die Lieder des kölschen Dichters und Komponisten Willi Ostermann als reine Karnevalsschlager zu betrachten, wird seinem Werk nicht gerecht. Mit 19 Jahren wurde der 1876 in Mülheim, also auf der „scheel Sick“, geborene Mann Mitglied einer Laienspielschar, und weil er bereits Erfahrungen im Puppentheater – der einer ur-kölschen Volkskunst – Erfahrungen gemacht hatte, tat er sich bald als Stückeschreiber hervor. Überhaupt: Dä fussige Willi musste ständig schreiben. Seine Gedichte und Geschichten las er gern in den Kneipen seiner Heimatstadt vor. Das blieb in Köln, wo er nun lebte, nicht unbemerkt. So kam es, dass ihn Karnevalisten baten, ein paar Lieder für die Session 1906/07 zu schreiben.
Weil er Noten weder lesen, noch schreiben konnte, musste er sie den geplanten Sängern vorsingen, damit diese sie in den Karnevalssitzungen vortragen konnten. Erst der Kapellmeister Emil Palm (dessen Schwester Ostermann später heiratete) übertrug die Lieder in Noten und Arrangements. Schon 1911 war der Volksdichter so erfolgreich, dass er als Verleger seiner eigenen Lieder ganz gut von den Erlösen leben konnte. Außerdem wurde er auch über die Domstadt hinaus so berühmt, dass er bald quer durch Deutschland tourte und eigene und fremde Lieder zum Besten gab – meist zu den Themen wie „Rhein, Weib und Gesang“.
Schon vor dem ersten Weltkrieg hatte er Grammophonplatten eingesungen, die sich recht gut verkauften. Ab den Zwanzigerjahren wurde Ostermann so etwas wie ein früher Superstar – sein Lied vom „Rheinland-Mädel“ erreichte 1927 eine Millionenauflage und wurde weit über das Rheinland hinaus zum Schlager der Saison. Die Weltwirtschaftskrise beendete den Boom der Musikindustrie, und auch dä kölsche Willi hatte kaum noch Auftritte außerhalb seiner Heimatstadt. 1936 starb im August 1936 nach einer Magen-OP – Zehntausende Kölner begleiteten seinen letzten Weg. Willi Ostermann schrieb seine Texte besonders gern in der kölschen Mundart, ja, man kann sagen, seine Art, die Sprache zu verwenden, hat den Dialekt der Domstadt wie er heute noch verwendet wird, entscheidend geprägt. Dabei entwickelte er einen heiter-melancholisch Stil, der dem Wesen der Kölner so sehr entgegenkam, dass sich die Bürger der uralten Römerstadt darin wiederfanden – der langjähriger Oberbürgermeister und glühende Lokalpatriot Konrad Adenauer war ein großer Bewunderer der Ostermann’schen Kunst. Weil dä Will seine Heimatstadt auch von Herzen liebte, verfasste er eine ganze Reihen von Liedern zu diesem Thema, u.a. den Titel „Heimweh nach Köln„, der als sein letztes Lied gilt. Wegen der berühmten Textzeile „Ich mööch zo Foß noh Kölle jon“ wurde es gegen Ende des zweiten Weltkriegs zur Hymne der Kölner, denen es als Soldaten und Kriegsgefangene fern der Heimat so schlecht ging. Willi Ostermann ist in Köln unvergessen – die Willi-Ostermann-Gesellschaft, die natürlich auch im Karneval aktiv ist, pflegt sein Andenken, und die diversen Karnevalsmusikanten der Fastelovend-Hochburg haben selbstverständlich alle auch Ostermann-Lieder im Repertoire. Mehrere Hundert Liedtexte und Gedichte schrieb Willi Ostermann in den knapp dreißig Jahren seines Wirkens, die meisten davon erzählen vom kölschen Leben jener Jahre, aber ganz oft ist der Vater Rhein, der ja das erwähnte kölsche Leben so prägt, das Thema. Nicht nur deshalb wird dieser Heimatdichter im ganzen Rheinland weit über die Grenzen der Domstadt hinaus verehrt – sogar in Düsseldorf.Im folgenden YouTube-Clip hört man Willi Ostermann selbst mit einer Plattenaufnahme seines Schlagers vom „Rheinland-Mädel“: