Er wurde nur 36 Jahre alt, der weltberühmte Komponist, der vor allem durch seine Oper „Carmen“ bekannt wurde. Diese Oper zählt bis heute zu den weltweit meistgespielten. In seiner Zeit zwischen 1838 und 1875 war Georges Bizet enorm fleißig und schuf ein umfangreiches Werk. Was ihn zu den Rheinliedern von 1865, einem kurzen Zyklus an Solopianostücken, bewegt hat, ist ungeklärt. Zumal der Komponist sein ganze Leben – bis auf einen kurzen Stipendiumsaufenthalt in Rom – in Paris und Umgebung verbracht hat. Man kann nur vermuten, dass die Chants du Rhin möglicherweise eine Antwort auf die Werke der Rheinromantik von Franz Liszt gewesen sein könnten, die dieser zwischen 1840 und 1843 schrieb – unter anderem das Lied von der Loreley mit einem Text von Heinrich Heine.
Tatsächlich hatte Bizet Liszt um 1860 herum persönlich kennengelernt und diesen mit seinen herausragenden Fähigkeiten als Pianist tief beeindruckt. Bei einer Soirée beim französischen Komponisten Halévy soll Bizet ein bis dahin nie aufgeführtes, technisch anspruchsvolles Stück von Franz Liszt fehlerfrei vom Blatt gespielt haben. Es steht zu vermuten, dass die Musiker sich an jenem Abend gegenseitig ihre Klavierstücke vorgespielt haben; es könnte sein, dass Bizet bei dieser Gelegenheit auch die Loreley gehört hat. Dass seine Rheinlieder von der deutschen Rheinromantik beeinflusst sind, kann man beim Hören des Zyklus problemlos feststellen.Andererseits war Bizet, was die Themen für seine Werke anging, a) nicht wählerisch und hatte b) einen Hang zu fremden Ländern – was sich nicht zuletzt in seiner Oper Carmen zeigt, die bekanntlich in einer spanischen Zigarettenfabrik spielt, oder in der Oper „La jolie fille de Perth“, die sich auf den schottischen Ort Perth bezieht.