Wer je die Gelegenheit hatte, mit diesem irren Boot über den Rhein zu rasen, wird es sein Leben lang nicht vergessen. Von 1972 bis 1997 befuhr der Rheinpfeil, ein Tragflächenschiff der russischen Baureihe Raketa, im Linienverkehr der Köln-Düsseldorfer (KD) den Fluss – hauptsächlich von Köln nach Koblenz und zurück. 1010 PS hatte die 12-Zylinder-Maschine, die auch in Panzern der sowjetischen Armee zum Einsatz kam und … ziemlich oft kaputt war. Weil der Hersteller das wusste, wurde gleich eine Ersatzmaschine mitgeliefert. Mit bis zu 70 km/h, in der Regel aber mit 65 km/h bei voller Fahrt zischte das Boot durch die Wellen. Ab einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/h hob sich der Rumpf aus dem Wasser, und das Gefährt „flog“ auf den Tragflächen an Bug und Heck über den Rhein.

Der Rheinpfeil auf einer zeitgenössischen Postkarte

Der Rheinpfeil auf einer zeitgenössischen Postkarte

Maximal 64 Passagiere fanden Platz. Man saß auf gepolsterten Stühlen in Reihen mit dem Gesicht nach vorne wie im Flugzeug. In seiner Glanzzeit war der Rheinpfeil zu Spitzenzeiten meist ausverkauft, sodass man Fahrkarten mit einem gewissen Vorlauf reservieren musste. So aufregend schnell die Fahrt, so laut war das Ding – und war nicht nur außen, sondern vor allem im Innenraum. Die rund zwei Stunden bergwärts von Köln nach Koblenz konnten da einigermaßen anstrengend werden. Beliebt war das Tragflächenboot bei den Leuten trotzdem; Binnenschiffer waren – besonders bei der Fahrt im Gebirge – dagegen nicht besonders begeistert, wenn der Rheinpfeil an ihren Kähnen vorbeisauste.

Der Rheinpfeil in voller Fahrt (Foto: binnenschifferforum.de)

Der Rheinpfeil in voller Fahrt (Foto: binnenschifferforum.de)

Der Typ Raketa wurde ursprünglich für das Militär entwickelt und ab 1956 in großer Stückzahl für den zivilen Passagierverkehr auf den Flüssen der UdSSR gebaut. Von der ersten Serie wurden mehr als 100 Stück hergestellt; insgesamt wurden es bis zum Bauende der Reihe mehr als 400 Exemplare. In keinem anderen Land der Welt sonst wurden Tragflächenboote für die Binnenschifffahrt hergestellt; exportiert hat man die Schiffe vor allem in die Länder des Ostblocks sowie nach Finnland und Österreich. Der Rheinpfeil war das einzige Exemplar, das je in die Bundesrepublik kam, und zwar per Schiff nach Rotterdam. Dort wurde es auf einen Schubleichter gesetzt und zur Ausrüstung in den Niehler Hafen von Köln gebracht.

Der glücklose Rheinjet vor Köln (Foto: privat)

Der glücklose Rheinjet vor Köln (Foto: privat)

Gebaut wurde die Raketa, die dann von der KD „Rheinpfeil“ getauft wurde, auf der Werft Feodossija auf der Krim. Die Länge über alles betrug knapp 30 Meter, die Breite 5 Meter. Lag der Rheinpfeil vollbesetzt auf dem Wasser, betrug der Tiefgang 1,80 Meter. In den 25 Jahren „verbrauchte“ der Rheinpfeil sage-und-schreibe dreizehn Maschinen, und als auch die Hülle und die Ausrüstung sanierungsbedürftig wurde, stellte man das Tragflächenboot außer Dienst und bestellte als Ersatz ein Hydrofoil vom Typ Polesye, das als Rheinjet in Dienst gestellt wurde. Dieses Gefährt erwies sich als dermaßen störungsanfällig, dass man es nach nicht einmal drei Jahren wieder verkaufte.

Der Rheinpfeil kam dagegen in die Niederlande, wo es zum Partyschiff umgebaut werden sollte. Stattdessen lag es vier Jahre still. Es gab mehrere Besitzerwechsel. Dann baute es der letzte Eigner zum Hausboot um und nannte es Raketa 72. Heute liegt dieses Wohnschiff im Hafen bei Delft.

Und hier ein kurzes Video aus dem Jahr 1972, das den Rheinpfeil vorstellt:

Tragflügelboot „Rheinpfeil“ bei Bonn (1972)

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