Ob die MS Willi wirklich das älteste, noch existierende Binnenschiff Europas ist, ist nicht zu klären. Das allerdings nur, weil es kaum ein Schiff aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg gibt, dessen Geschichte so vollständig dokumentiert ist. Nachdem es 1983 stillgelegt worden war, verrottete es in einer Kiesbucht bei Speyer. Dann wurde die MS Willi ohne größere Restaurierung ab 1992 zum Museumsschiff und lag bis August 2004 in Speyer beim alten Ladekran. Der Schweizer Verein Historische Binnenschifffahrt kaufte das Schiff und arbeitet seitdem an der behutsamen Restaurierung. Und seit einigen Jahren ist die MS Willi wieder oft und gern auf dem Rhein, auf den Nebenflüssen und den Kanälen zu sehen.
Nach allem, was bekannt ist, wurde die MS Willi 1909 den Scheepsbouwers P. & A. van Gelder in Deest (Niederlande) gebaut und als St. Joseph in Dienst gestellt – natürlich ohne eigene Maschine, denn erst nach dem zweiten Weltkrieg fuhr die Mehrheit der Binnenschiffe mit eigener Maschinenkraft. Die St. Joseph verkehrte auf den Kanälen zwischen Häfen von Amsterdam über Rotterdam bis nach Antwerpen und später auch auf der Maas, dem Rhein und vor allem in Frankreich auf der Seine, sodass sie lange Zeit mit Standort Paris gelistet war.
Von der Bauform her handelt es sich um eine Péniche (auch „Spits“ genannt) von 39,36 Metern Länge und knapp über 5 Metern Breite sowie einem Tiefgang von 2,10 Metern. Die MS Willi kann bis zu knapp 308 Tonnen Ladung transportieren. Erst 1961 wurde das Schiff mit einer Maschine ausgerüstet, damals mit einem Langsamläufer vom Typ Daimler-Benz M 204 B mit Vierzylinder-Reihendiesel, einem Hubraum von 13 Litern und einer Leistung von nur 120 PS. Schon 1972 kam eine neue Maschine ins Schiff: wieder ein Dieselmotor von Daimler-Benz. Beim OM 355 handelt es sich um die Marineversion eines verbreiteten Busmotors, einem Sechszylinder-Reihenmotor mit 11,575 Litern Hubraum sowie einer Maschinenleistung von 200 PS (147 kW) bei 2000 Umdrehungen pro Minute. Nachdem die MS Willi 1983 außer Dienst gestellt wurde, blieb sie zwar fahrfähig, war aber in einem schlechten Zustand. Der Verein Historische Binnenschiffe hat das Schiff nach der „Charta von Barcelona“ restauriert, die besagt, dass nicht der Originalzustand wiederherzustellen ist, sondern dass bei den Arbeiten ein fahrfähiges Schiff entsteht, das als schwimmendes maritimes Erbe durch behutsame Ein- und Umbauten den aktuellen Sicherheitsstandards entspricht. Die Restaurateure des Vereins haben dies mit größter Sorgfalt beherzigt, sodass allein durch die Oberflächenbehandlung unterscheidbar ist, was bis 2004 so war und was später getauscht oder hinzugefügt wurde. In diesem Sinne verfügt die MS Willi jetzt sogar über ein Bugstrahlruder und natürlich eine moderne Elektrik.2016 fuhr das Schiff bis in unsere Region, u.a. über den Rhein-Herne-Kanal bis Henrichenburg und machte im September auch im Düsseldorfer Hafen halt. Der Verein arbeitet weiter an diesem historischen Binnenschiff und strebt an, regelmäßige Fahrten zwischen Basel und Rotterdam, nicht nur auf dem Rhein, sondern auch auf kleineren Flüssen und über Kanäle, zu unternehmen, damit möglichst viele Menschen Gelegenheit haben, die MS Willi live zu sehen.
[alle Fotos erscheinen mit freundlicher Genehmigung des Vereins Historische Binnenschifffahrt, Muttenz, Schweiz]