Gestern war ich mit einem guten alten Schulfreund zum Bier im Stammhaus der Brauerei Schumacher verabredet. Wie immer bezogen wir Stellung an einem der Tische in der Schwemme, an dem ein paar junge Leute aßen und tranke. Plötzlich traute ich meinen Augen nicht: Am Tisch unter dem Fenster steht da ein Typ mit einer grauen Thor-Steinar-Jacke. Also mit einem Kleidungsstück der Marke „Thor Steinar„, die von den entsprechenden Behörden als Erkennungsmerkmal für Neonazis gewertet wird. Also nicht für irgendwelche Rechtsdrehende à la AfD, sondern für Rechtsextreme. Zu den Thor-Steinar-Trägern zählen u.a. die Sympathisanten des NSU und etliche Arschlöcher, die am Anzünden von Flüchtlingsheimen beteiligt waren. Für mich fühlte sich das so an: Jetzt stehen die Drecknazis schon rotzfrech in meinem Wohnzimmer und zeigen ihre Symbole.
Apropos: Die bewusste Jacke war noch mit dem Symbol versehen, über das Wikipedia folgendes schreibt:
Das Logo wirkte optisch wie eine horizontale Wolfsangel mit aufgesetztem Pfeil. Mehrere Staatsanwaltschaften und Gerichte sahen darin den Straftatbestand des Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB), siehe Abschnitt Juristische Auseinandersetzungen. [Quelle: Wikipedia]
![Thor Steinar: Ursprüngliches (li.; bis 2004) und zwischenzeitliches Logo (re.; ab 2005)](https://the-duesseldorfer.de/wp-content/uploads/2016/12/Thor_Steinar_Logo_alt__neu.svg_-351x185.png)
Thor Steinar: Ursprüngliches (li.; bis 2004) und zwischenzeitliches Logo (re.; ab 2005) – Quelle: Wikipedia
Einer der Kumpels des Steinar-Fans meinte, aggressiv werden zu müssen. Es gab einen, ähem, Meinungsaustausch bis sich B., einer meiner Lieblings-Köbesse, einmischte. Dann kam er zu uns rüber und erklärte mir die Sache: Er sei sehr froh, dass der junge Mann und ich aufgestanden wären und etwas zu den Thor-Steinar-Sachen gesagt hätten. Er können das ja von sich aus nicht tun. Es gäbe im Schumacher leider keine klare Regelung in Bezug auf Nazi-Klamotten und -Symbole. Nur wenn Gäste öffentlich und laut rechtsextreme Dinge sagen oder tun – z.B. den Hitlergruß zeigen -, würden sie rausgeworfen. Das sei bei russischen Neonazis schon einmal vorgekommen. Der Typ mit der grauen Jacke aber, der sei Stammgast. Und nicht gerade die hellste Kerze am Baum. Ein solider Handwerker, der die ganze Aufregung gar nicht versteht. Ich versprach, mich ruhig zu verhalten. Er selbst, so B., spreche den immer darauf an, verarsche ihn auch gern mal. Ein paar Minuten später hatte er ihm einen Storch-Heinar-Zettel auf den Rücken gebappt – genau auf den Schriftzug der Marke, die von sich behauptet, sie sei eine „Modemarke“…
Irgendwann hatte sich eine Frau mittleren Alters mit leicht exotischem Aussehen ans Ende des Tisches gesetzt. Nach und nach hatten sich die Kumpels verabschiedet, und der Mann mit der Thor-Steinar-Jacke war ins Gespräch mit der Dame an seinem Tisch vertieft. Als mein Freund zur Toilette war, bekam ich ein paar Brocken mit: Sie war offensichtlich Israelin, also wahrscheinlich Jüdin, und erzählte von den Zuständen in ihrem Land. Der Handwerker hörte zu und stellte Zwischenfragen. Spätestens da fragte ich mich, was genau er sich davon verspricht, diese Klamotten in aller Öffentlichkeit zu tragen.