Unsere Autorin schildert ihre Erfahrungen mit der Trauerbegleitung nach dem Tod ihres Kindes.

Bericht · Es fühlt sich an, als ob wir in einer Achterbahn sitzen, die in rasantem Tempo nach unten rast. Ins Ungewisse, in das Dunkel, in die abgrundtiefe Trauer. So waren die ersten Wochen, nachdem unser Kind vorausgegangen ist. Ich nenne es so, weil ich das Wort, welches mit „t“ beginnt und endet, noch nicht aussprechen, noch nicht ertragen möchte. Was dieses unvorstellbare Ereignis mit uns, mir als Mama, meinem Mann als Papa, den Geschwistern macht, kann sich niemand ausmalen, der es nicht erlebt hat. Als an einem Abend im Februar 2021 ein Polizeibeamter in unser Haus kommt, um uns zu sagen, dass unser Sohn mit 22 Jahren und vier Monaten bei einem tragischen Unfall verstorben ist, endet unser aller bisheriges Leben. Ab dieser Sekunde gibt es ein Leben davor und möglicherweise ein Leben danach. Aber das alles können wir in diesem Moment nicht glauben. Und uns nicht vorstellen. [Lesezeit ca. 4 min]

Der Schmerz ist abgrundtief und zerreißt uns. Wir können nicht essen, nicht trinken, nicht schlafen, nicht denken. Nur funktionieren. Wie Gespenster unserer selbst schleichen wir durch das Haus, sitzen stundenlang, tagelang und nächtelang beieinander und versuchen einfach nur, den nächsten Tag, die kommende Nacht, irgendwie zu überstehen. Wir ziehen die Vorhänge zu, ziehen dunkle Brillen auf und schotten uns von allen und allem ab. Nur die engsten Freunde kommen, nur die engste Familie. Alle anderen sperren wir aus.

Das Protokoll stammt von einer Autorin, die namentlich nicht genannt werden möchte.

Doch ich spüre rasch, dass wir, dass ich Hilfe brauche. Von außen. So schaue ich im Netz und das Netz ist dafür einmal gut. Ich finde Trauernde Eltern Düsseldorf, ich finde Sylvia Schleuter. Sie ist ausgebildete Trauerbegleiterin – für Eltern, die ein Kind verloren haben. So nenne ich es nun, doch sie sagt es anders. Eltern ist es unmöglich, ihr Kind zu „verlieren“, sagt sie, und du bist seine Mama – für immer.

Begleitung ist Trost

Schon die ersten Worte mit ihr sind tröstlich. Sie kommt in unser Haus, da ist der Unfall etwa drei Wochen her. Corona dominiert die Lage, wir ziehen Masken auf und sitzen weit auseinander. Zu Beginn unseres Gesprächs, ziehen wir die Masken einmal kurz ab, damit wir uns anschauen können. Das reicht schon für den Beginn einer vertrauensvollen Begleitung. Mein Mann möchte keine Begleitung, er will die Trauer mit sich alleine abmachen. Auch unsere erwachsenen Kinder suchen ihren eigenen Weg. Ich kann mich an das erste Gespräch mit Sylvia Schleuter gut erinnern. Dabei habe ich viel geweint, fast nur geweint. Einen vollständigen Satz zu formulieren, mir, die das Reden im Eiltempo gewohnt ist, gelang es nicht. Sie war da, einfach da. Sie hört zu, sie bewertet nicht, sie nimmt sich alle Zeit der Welt.

Krähe auf dem Golzheimer Friedhof (Foto: TD)

Krähe auf dem Golzheimer Friedhof (Foto: TD)

Die Wochen vergehen. Das Leben geht irgendwie weiter, wie ein zäher und dunkelgrauer Fluss ziehen sich die Trauertage durch die Gefühlslandschaft, durch den Alltag, der keiner mehr ist.
Sylvia, wir sind inzwischen beim vertrauten Du, ist für mich auch außerhalb unserer Termine erreichbar, wenn die Tränen wieder die Herrschaft übernehmen. Ich kann mit ihr über mein Kind reden, Geschichten von ihm erzählen, weinen und lachen. Dabei habe ich eine große Nähe zu meinem Kind. Über alles Geschehene hinaus.

Sylvia kommt alle zwei Wochen zu uns, zu mir. Auch zum „walk and talk“, dann gehen wir große Runden, immer mehr als eine Stunde, durch Wind und Wetter, die Wangen werden rot, in mir kommt alles in Bewegung, Körper, Seele, Gedanken und Gefühle.

Kontakt: Trauernde Eltern Düsseldorf
Sylvia Schleuter
0211/58 60 817
kontakt@trauernde-eltern-duesseldorf.de
www.trauernde-eltern-duesseldorf.de

Und dabei spricht es sich leichter. Wir sprechen manchmal viel, manchmal weniger. Und schweigen auch. Alles fühlt sich richtig an. Schweigen muss ich erst lernen. Das war früher nicht so meins. Sylvia gibt mir Raum für meine überbordernden Gefühle, meine endlose Sehnsucht und Liebe nach meinem Sohn. Sie schaut mich an, sie lächelt, sie nickt, sie spricht, sie schweigt. Alles hilft, denn sie begleitet mich.

Ein Rettungsanker

Schon nach einer kurzen Weile freue ich mich auf unsere Treffen. Wie auf einen Rettungsanker. Wenn das Treffen einmal ausfallen muss, weil ich in Urlaub oder krank bin, fehlt es mir. Inzwischen bin ich bei ihr auch in einem Gesprächskreis für trauernde Eltern, die sich alle vier Wochen treffen. Das habe ich anfangs rundweg abgelehnt. Doch als ich Sylvia immer wieder frage, wie andere Eltern damit weiterleben können, wenn ein Kind vorausgeht, empfiehlt sie mir immer wieder diese Gruppe, ermutigt mich, es auszuprobieren. Ja, sie ist hartnäckig, dabei immer sensibel, lebenserfahren und empathisch. Sowohl die Einzelbegleitung als auch der Trauergesprächskreis helfen mir sehr.

Nah Kaiserswerth (Foto: TD)

Der Weg ist noch immer steinig, die Wunde längst nicht verheilt, doch die Kruste wird ein wenig fester. Die Trauerbegleitung stärkt und hält mich. Die Farben meiner Trauer werden vielfältiger. Am Anfang nur dunkelstes Schwarz, manchmal Grau, schleicht sich nun nach 15 Monaten ab und an ein heller Strahl dazwischen. Und damit die Zuversicht, dass wir unseren Weg finden, mit dem Tod unseres Sohnes irgendwann gut weiterleben können. Denn wir, mein Mann, unsere erwachsenen Kinder und auch ich haben ein Recht darauf. Unser Weg bleibt schwer, doch ich fühle mich gut begleitet und bin froh, dass es sie gibt, Sylvia Schleuter und die Trauernden Eltern Düsseldorf.

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