Man mag es kaum glauben, aber in unserer Region führten bis ins 19. Jahrhundert hinein keine festen Brücken über den Rhein. Die alte, historisch nachgewiesene Römerbrücke bei Köln, erbaut um 310 n.Chr, bestand wohl nur knapp 100 Jahre; nach anderen Quellen gab es sie in oft veränderter Form bis ins 10. Jahrhundert. Kein Wunder, denn feste Brücken waren nur da sinnvoll, wo der Strom so gezähmt war, dass sein Flussbett halbwegs stabil war und sich seine Breite kaum änderte. Weil aber spätestens nach dem Ende der römischen Besatzung der Handel zwischen links- und rechtsrheinischen Gebieten blühte, wurden Dutzende von Fährverbindungen eingerichtet.
Und obwohl mittlerweile insgesamt 22 Straßen- und Eisenbahnbrücken den Fluss überqueren, halten sich einige Fährverbindungen hartnäckig und werden nicht nur von Menschen in der Freizeit genutzt, sondern von Autofahrern, die sich so Umwege sparen können. Zwischen den Stromkilometern 677 (Köln-Zündorf) und 792,6 (Duisburg-Walsum) sind aktuell sechs Personen- und Autofähren in Dienst. Natürlich handelt es sich dabei durchweg um motorgetriebene Fahrzeuge, die Mehrzahl ist nach dem Roll-On-Roll-Off-Prinzip gebaut, sodass Autos und Zweiräder am einen Ufer über eine Rampe direkt aufs Deck fahren und dieses auf der anderen Seite wieder verlassen können.
In der langen, langen geschichtlichen Phase ohne feste Rheinbrücken – diese entstanden durchweg erst mit dem Beginn der industriellen Revolution ab etwa 1860. Davor spielten Schiffbrücken eine wichtige Rolle, zum Beispiel zwischen Köln und Deutz sowie zwischen Düsseldorf und Heerdt. Tatsächlich verlief der gesamte Warenverkehr zwischen den linksrheinischen Wirtschaftsregionen sowie den Niederlanden und der rechten Rheinseite samt Bergischem Land und Westfalen über insgesamt drei Brücken, den bei Xanten bestand ebenfalls eine Rheinquerung. Schiffbrücken, später auch Pontonbrücken, bestehen aus einer Reihe schwimmender Körper, die quer mit Planken, Stegen oder Plattformen verbunden sind. Der große Nachteil: Wann immer Schiffe auf dem Fluss an solchen Stellen durch wollten, mussten mindestens zwei Schwimmkörper aus der Kette ausgeklinkt und beiseite gezogen oder gefahren werden.
Da der Strom am Niederrhein in historischer Zeit immer eine gewisse Mindesttiefe hatte, gab es nach allem, was man weiß, keine Furten, also flache Stellen, die man zu Pferd oder mit einem Gespann oder Kutsche durchqueren konnte. Gesichert ist stattdessen, dass spätestens nach dem Ende der römischen Besatzung zahlreiche Fährverbindungen entstanden, wobei es sich bei diesen Fähren vermutlich durchweg um segellose Nachen handelte. Der Fährmann verstand es geschickt durch die Stellung des Ruders den Kahn so in die Strömung zu stellen, dass diese das Gefährt quer über den Fluss schob. Einen guten Ruf hatten Fährleute im Mittelalter allerdings nicht, weil sie nicht selten ihre Fahrgäste erpressten, die keine Wahl hatten als den unterwegs geforderten Preis zu zahlen, wollten sie nicht mit Gewalt über Bord geworfen werden.
Für den Warenverkehr spielten Fähren über Jahrhunderte kaum eine Rolle. Was auf der einen Rheinseite gefördert, geerntet oder erzeugt wurde und am anderen Ufer verkauft werden sollte, wurde in den Rheinhäfen auf Lastensegler verladen, die – im Gegensatz zu Treidelkähnen – problemlos Häfen am jeweils anderen Ufer ansteuern konnten, um ihre Ladung dort abzuladen.
Ab etwa dem 17. Jahrhundert wurden immer mehr sogenannte „Fliegende Brücken“ eingerichtet, die technisch betrachtet Gierseilfähren sind. Erfunden wurde das Prinzip in den Niederlanden:
Eine Gierseilfähre hängt an einem langen Drahtseil, das sich kurz vor der Fähre aufteilt. Ein Seilende ist am Bug und eines am Heck der Fähre befestigt. Verändert sich nun die Länge der Enden zueinander, verändert sich auch der Anstellwinkel der Fähre zum Strom. Dieses Einstellen der Seilenden geschieht heute mit Motorkraft, im Übrigen ist die Fähre motorlos. Der Druck des anströmenden Wassers drängt sie an das Ufer. [Quelle: Wikipedia]
Trotz der relativ komplizierten Konstruktion, die Bauten an beiden Ufern erforderten, brachten fliegende Brücken eine Revolution, weil die Gefährte wesentlich größer sein konnten als die alten Fähren und tatsächlich schon als Roll-On-Roll-Off-Gefährte ausgeführt waren, auf die man mit Pferdefuhrwerken fahren konnte. Von einigen dieser Gierseilfähren am Niederrhein heißt es, dass sie je nach Jahreszeit zwöf Stunden pro Tag im Halbstundentakt den Rhein gequert haben.
Eine kurze, aber enorm wichtige Renaissance erlebten die Rheinfähren in unserer Region nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Auf Befehl Adolf Hitlers und der obersten Heeresleitung wurden in den ersten Monaten des Jahres 1945 sämtliche Rheinbrücken zerstört. Man wollte es damit den nahenden Truppen der Alliierten den Übergang erschweren und so Zeit gewinnen. Wie wir wissen, hat auch diese wahnwitzige Zerstörungsorgie nicht den Endsieg gebracht.
Aber gerade in den großen Städten entstanden ab April 1945 Dutzende von mehr oder weniger sicheren Fährverbindungen, von denen rund zehn auch nach den Reparaturen der Brücken bzw. nach der Eröffnung der Neubauten bestehen blieben. Anfangs handelte es sich ausschließlich um Personenfähren, mehr oder weniger abenteuerliche, notdürftig nutzbar gemachte Schiffe unterschiedlichster Bauart. Manche Fähre war in ihrem ersten Leben nichts anderes als ein offener Hafenkutter, und auch die Anleger waren ausnahmslos improvisiert. Ausgerechnet die moderne Fähre bei Neuss-Uedesheim musste 1949 einen schrecklichen Unfall mit 14 Toten erleben.
Heute erfüllen die sechs genannten Fähren vorwiegend touristische Aufgaben, bringen also Wanderer und Radler von einem Ufer zum anderen. Und doch haben in den vergangenen rund zwanzig Jahren viele Pendler, die vom linken Niederrhein zur Arbeit in die Landeshauptstadt Düsseldorf kommen, die Autofähren zwischen Zons und Urdenbach sowie zwischen Meerbusch-Langst und Kaiserswerth für sich entdeckt. Am Kaiserswerther Anleger informiert eine Tafel darüber, dass man durch das Nutzen der dortigen Fähre als Pendler gut 3.000 Kilometer pro Jahr sparen kann. Wenn das kein Grund ist, eine Rheinfähre zu nutzen…
[Bildnachweise – Titelbild: Rheinfährbetrieb Wolfgang Jansen & Söhne; Schiffbrücke Düsseldorf 1850: Stadtarchiv Düsseldorf; Kölner Fähre Strolch: Rolf Heinrich, Köln via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 3.0; Gierfähre Altrip: Flodur44 via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 3.0]