Haben wir nicht alle in der Schule etwas von „Urstromtälern“ gehört, wenn im Unterricht von der Eiszeit die Rede war? Dabei handelte es sich um relativ flache, aber zig Kilometer breite Senken, durch die das Wasser der abschmelzenden Gletscher in die Meere floss. Sie haben die geologische Struktur Mitteleuropas entscheidend geprägt. Das Ende der letzten Eiszeit liegt rund 35 Millionen Jahre zurück, aber der Rhein ist „erst“ um die 15 Millionen Jahre alt. Deshalb zählen Geologen die Kette der Täler, durch die der Rhein fließt, eben nicht zu den Urstromtälern.

Die Entwicklung der Hauptströme aus den Alpen

Die Entwicklung der Hauptströme aus den Alpen

Allerdings führte der mächtige Strom in den Zeiten bevor der Mensch auftrat – der sogenannte „Ur-Rhein“ oder „Proto-Rhein“ -, sehr viel mehr Wasser als in historischen Zeiten, und das Flussbett am Niederrhein war bis zum Beginn der Steinzeit immer mindestens fünf, meist aber zehn oder zwanzig Kilometer breit. Das war eine Spätfolge der Eiszeiten mit den abschmelzenden Gletschern der Hochgebirge. Noch heute kann man talwärts ab dem Ende des sogenannten „Gebirges“, also der Passage zwischen der Mündung der Nahe bei Bingen und dem Zufluss der Sieg bei Bonn, die alten Ufer des Rhein erkennen. Zwischen diesen finden sich die verschiedenen Tiefebenen.

Erste Maßnahmen der Rheinbegradigung durch Anlegen von Abkürzungskanälen

Erste Maßnahmen der Rheinbegradigung durch Anlegen von Abkürzungskanälen

Als immer weniger Wasser aus den Alpen und über die Nebenflüsse kam, schrumpfte der Rhein. Und ganz ähnlich wie das Wasser der Priele bei Ebbe, floss der Rhein nicht einfach in einem schmaleren Strom, sondern bildete ungezählte Nebenarme und Inseln. In unserer Region erkennt man ehemalige Rheininseln an Ortsnamen, die auf „-werth“ oder „-ward“ enden – also beispielsweise Kaiserswerth und Breeckerwerth. Wo sich der Fluss zurückgezogen hatte, entstanden Sümpfe – die Endungen „-bruch“ und „-broich“ zeigen das an. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein änderte sich das Mäander der verschieden breiten Arme ständig – je nachdem, wie viel Wasser der Rhein über längere Zeit führte. Alte Karten aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigen das für den Niederrhein sehr deutlich. Der negative Nebeneffekt waren ständige Überschwemmungen von Ortschaften und Nutzflächen nach Hochwasserlagen.

Ausbaggern der Fahrrinne

Es gab allerdings auf den schiffbaren Bereichen des Rheins immer einen Hauptstrom, der praktisch die Wasserstraße bildete. Und deshalb nahm der Fluss seit dem frühen Mittelalter eine bedeutende Rolle als Handelsweg ein. Schon vor 1810 aber schlugen die ersten Experten vor, den Rhein – und zwar zunächst den Oberrhein – durch Baumaßnahmen zu zähmen. Immer mehr konkrete Maßnahmen zum Trockenlegen von Nebenarmen und Sümpfen und zum Eindeichen wurden in Konzepten festgehalten und dann im Zuge der aufkommenden Dampfschifffahrt auch realisiert. Und erst nach dem ersten Weltkrieg wurde mit der Einrichtung und regelmäßigen Pflege der Fahrrinne begonnen. Deshalb fließt der Rhein zwischen Köln und Duisburg und weiter in die Niederlande erst seit rund 100 Jahren so wie heute.

2 Kommentare

  1. Barbara Schulz am

    Liebe RMD-Redaktion,
    erst heute Abend habe ich Ihren Webauftritt entdeckt und bin begeistert. Ich segele seit meiner Kindheit auf dem Rhein und mich interessiert alles: Geografie, Geschichte, Schiffahrt….
    Freue mich darauf, in nächster Zeit hier alle Texte zu zu lesen!
    Hier: „Wie der Strom früher floss“ hat sich allerdings ein Fehler eingeschlichen. Die letzte Eiszeit (Weichsel- Eiszeit) endete vor etwa 11 500 Jahren (nicht 35 Millionen). Das liegt gar nicht so lange zurück. Unsere eiszeitlichen Vorfahren haben viele archäologischen Spuren zurückgelassen, so die Jagdlager nahe Neuwied. Ihnen war der eiszeitlich breite, sehr viel Wasser führende Strom sicherlich bestens vertraut. Wäre toll, wenn man sich mal in diese vergangene Zeit zurück beamen könnte…. Aber mit Rückkehr-Garantie.