Im August 2006 kam der britische Fotokünstler Spencer Tunick nach Düsseldorf, um im Ehrenhof Hunderte nackte Düsseldorfer zu drapieren und zu fotografieren. Dazu erschien damals in der Rainer’schen Post der folgende Artikel, der sich auch mit der zugehörigen Fotostrecke auf RP Online befasst:

Der Fotograf Spencer Tunick stapelt, drapiert und verteilt nackte Menschen im öffentlichen Raum – heute Morgen in Düsseldorf, und ich hatte dabei sein wollen. Jedenfalls hatte ich mich angemeldet, um einer von tausend Düsseldorfern zu sein, deren Körper dem Künstler als Knetmasse dienen sollten. Anfang der Woche bekam ich eine konspirative Mail vom Tunick-Projekt. Sonntagmorgen um 4:30 Uhr solle ich mich am Ehrenhof einfinden. Eine genaue Skizze war beigefügt. Kameras und Fotohandys seien nicht erwünscht, und Angehörige und Freunde möge man nur mitbringen, wenn diese ebenfalls an der Aktion teilnehmen wollten. Die Sache finde bei jedem Wetter statt und würde vier Stunden dauern. Fakt ist, dass ich schlicht und einfach verpennt habe.

Nackt ging ich um zwei ins Bett, nackt stand ich um zehn auf. Und erst als ich bei der Morgenlektüre auf RP Online auf den Bericht über die Tunick-Aktion stieß, fiel’s mir wieder ein. Dabei hatte ich nachts noch von riesigen Gebirgen aus nackten Leibern geträumt. Ich las den Bericht und sah mir die Fotos an. Danach war ich noch sauerer über mein Versagen.

Zwei Dinge fielen mir auf. Der Fotograf (der übrigens auch Bilder bei den Spielen von Fortuna Düsseldorf macht…) ist auf den voyeuristischen Aspekt des Projekts hineingefallen. Ganz offensichtlich waren Menschen beiderlei Geschlechts, unterschiedlicher ethnischer Herkunft und unterschiedlichsten Alters anwesend. Schätze, die jüngsten Teilnehmer waren Mitte Zwanzig, die ältesten sicher über sechzig. Das zeigen die Gruppenfotos. Auf den meisten Nahaufnahmen, also Bildern, auf denen zwei, drei oder vier Nackte abgebildet sind, sieht man junge, hübsche Frauen. Dabei findet man ansonsten die unterschiedlichsten anatomischen Dispositionen: Dicke Bäuche bei Männern, Hängebusen bei Frauen, ausladende Hüften und Schenkel, schlaffe und straffe Haut, Adipäse und Leptosome. Mit und ohne Kopf-, Bein- und Schamhaar, sonnengebrannt, gebräunt oder strahlend weiß. Aufrecht und gebeugt. Die Farbskala ist das eigentlich Aufregende. Jeder Drucker hätte seine Freude daran zu sehen, wie weit man die Bandbreite an Hauttönen auseinander ziehen kann.

Und an dieser Stelle wird jede Form von Spannerei sinnlos: Tunick benutzt menschliche Körper wie der Mosaikkünstler die farbigen Steinchen. Haut ist Farbe. Die zur Verfügung stehenden Menschen sind nur Pigmente auf seiner Palette. Deshalb ordnet er seine Modelle oft mit gesenkten Köpfen und in der Rückenansicht an. Das Individuelle verschwindet. Um so interessanter die Reportagefotos von Falk Janning. Sie zeigen die andere Seite, die Vielfalt der Individuen mit den mehr oder weniger stark ausgeprägten Spuren des gelebten Lebens. Keiner muss sich für das schämen, was aus seinem Körper geworden ist in den Jahren nach der Geburt, niemand kann stolz darauf sein. Jeder Körperkult wird in der Ansammlung von 850 nackten Körpern (bei anderen Aktionen Tunicks waren es mehrere Tausend…) ad absurdum geführt. Ich bin nackt und so wie ich bin.

[siehe auch: Falk Janning für RP Online]

Ein Kommentar

  1. Ich kann es immer noch nicht verwinden, dass ortsfremde Wald- und Aufräumarbeiter den schräg stehenden (oder fast liegenden) Baum auf der Hofgartenwiese, den Tunick auch mit Menschen fotografiert hat, nach dem Ela-Sturm für umgekippt hielten und entsorgt haben.