Analyse · Man kennt das ja schon: Wirbeln heute Abend Shinta Appelkamp und Ao Tanaka die Störche durcheinander und gewinnt die glorreiche Fortuna dadurch, werden gewisse Sportreporter sich den Begriff „Nippon-Power“ nicht verkneifen können. Das war ja bei Taka Usami und Genki Haraguchi anno 2017/18 auch nicht anders. Jenseits aller Sensationsheische könnten die beiden Burschen aber tatsächlich der Erfolgsfaktor Nummer Eins werden. Nun heißt es ja auch immer, man solle solchen jungen Talenten nicht zu viel Druck auferlegen. Deshalb ist die spannendste Frage zur Partie: Wird Tanaka in der Startelf stehen? [Lesezeit ca. 5 min]
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Chefcoach Christian Preußer hielt sich bei der Pressekonferenz vorgestern noch bedeckt nach dem Motto „Schaumerma“. Das ist schlau, denn wichtiger als der Einsatz vom japanischen Olympiakicker ist die Analyse des Gegners. Dass die Beinaheaufsteiger aus Kiel mit null Punkten und null Toren am Ende stehen, ist alles in allem tragisch. Nicht dass man die Störche unbedingt sympathisch finden muss, zumal den KSV Holstein und F95 eine durchaus spannende Historie verbindet, die im liebevollen Schlachtruf „Kiel, du Arschloch“ mündete. Aber das Schicksal der Kieler sagt viel über den Zustand des modernen Fußballs unterhalb der Milliardenligen aus, denn ihnen war es nur möglich, einen Neuzugang (von sieben) zu bezahlen, mussten aber neun Kicker abgeben, darunter ein Leistungsträger und ein großes Talent. Alles nicht einfach für Trainer Ole Werner.
Dem es in den ersten drei Spielen aber auch nicht gelang, aus der grundsätzlichen Kontinuität im Kader Gewinn zu schlagen. Eher im Gegenteil: Konstanz war nicht zu finden. Im Auftaktspiel agierten die Störche fast lethargisch. Gegen S04 fehlten ihnen das Glück, und gegen den kommenden Erstligaaufsteiger aus Regensburg war der Deckel einfach zu früh drauf. Das alles nahm unser Jungtrainer Preußer zum Anlass, den heutigen Gast nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, was angesichts der intensiven Analyse der Niederlage in Nürnberg auch sehr schlau ist. Überhaupt: Das ist vielleicht das Hauptmerkmal dieser neuen jungen Trainer, dass sie sehr, sehr viel Zeit in die Videoanalyse investieren, um das, was gut lief, und die Fehler ganz detailliert beschreiben zu können.
Der Matchplan
Aus Fehlern lernt man, und Christian Preußer fasste erneut seine Analyse in der PK vor dem Kiel-Spiel so zusammen, dass sie jeder geneigte Zuhörer verstehen konnte. Die Untersuchung hat bei ihm (wie den anderen modernen Coaches) zwei Ebenen: die der individuellen Fehler in einzelnen Situationen und die der übergreifenden Mängel in der Defensive und der Offensive. Letztere fasste er ungefähr so zusammen: Es wurden viel zu wenige Situationen im gegnerischen Sechzehner kreiert. Dass dies vermutlich am meisten an den schlechten Tagen der beiden Außenverteidiger, also Zimbo Zimmermann und Flo Hartherz, lag und an der milden Mutlosigkeit von Kris Peterson, sagte er nicht. Wie auch immer: Da die Fortuna im Fluchtlichtspiel als Favorit antritt, muss besonders dieses Angriffsproblem beseitigt werden.
Das kann nur durch mehr Flexibilität der Angriffszüge geschehen. Auch wenn dank Kris Peterson und Felix Klaus viel über außen gehen wird, muss auch das Steilpassspiel in die Schnittstellen mehr Raum einnehmen – dazu übrigens auch die Distanzschüsse. Flexibilität kommt aus dem offensiven Mittelfeld, und wenn nicht alles am armen Shinta hängt, dann hat der Kader das Potenzial für eine mächtige Offensive. Die kann durch beherztes Tun der beiden nominellen Außenverteidiger noch verstärkt werden. Der Spielplan lässt sich also unter dem Motto: Attacke! zusammenfassen, denn mit großer Angriffswucht kamen die Störche in keiner der ersten drei Partien zurecht.
Das System und die Startaufstellung
Ja, Ihr alles in allem doch Ergebene würde Ao Tanaka von Minute 1 an bringen, um diesen aggressiv-offensiven Spielplan Realität werden zu lassen. Zusammen mit Shinta Appelkamp sollte er die Zweierreihe in einem 4-3-2-1 bilden. Wenn es nun aber im Verlauf der Partie möglich wird, die Außenverteidiger regelmäßig ins Angriffsspiel einzubinden, muss die Absicherung stark sein, sodass in Kontersituationen hinten eine Dreierkette entsteht. Das spricht für Käpt’n Bodze als „Libero“ vor der Viererkette.
Chris Klarer und Dragos Nedelcu (der sich nach eigenem Bekunden in Düsseldorf sauwohl fühlt und aus eigenem Antrieb fleißig Deutsch lernt) sind eh gesetzt. Beide kommen übrigens auch auf kollegialer Ebene wunderbar mit Adam Bodzek klar, sodass sich eine Dreierkette (sollte Preußer die mal anordnen) von selbst ergibt – solange der arme Andre Hofmann noch verletzt ist. Wie schon angedeutet: In der Hoffnung, dass Leon Koutris nicht wieder einen gebrauchten Tag in den Haferflocken gefunden hat, sollte er auf der linken Seite einen offensiven AV geben. Und der immer noch und immer wieder leicht überspielt wirkende Zimbo Zimmermann sollte Khaled Narey weichen, der bei jedem Einsatz seine Qualitäten beweist, aber noch nie so richtig zeigen musste, ob er auch als Verteidiger taugt.
Als Außenläufer ist Kris Peterson auch nach einem nicht so dollen Spiel wie in Nürnberg aktuell alternativlos. Rechts könnte anstelle von Felix Klaus auch Niklas Shipnoski ran, aber noch ist Klaus einen deutlichen Tacken besser. Und in der Spitze? Keine Frage: Rouwen Hennings! Das Experiment mit der Doppelspitze, bei der Dawid Kownacki hängend auftritt, ist final gescheitert. Auch wenn die beiden Stürmer auf den ersten Blick so unterschiedlich sind, laufen sie doch häufig dieselben Positionen im gegnerischen Strafraum an und stehen sich dann im Weg. Eine wahre Alternative als zweiter Frontmann wäre Emma Iyoha, aber die arme Socke (der vermutlich gern gegen sein Ex-Team mitgemacht hätte) ist leider schon wieder verletzt.
Überhaupt: Auch wenn von einer „Verletztenmisere“ (noch) nicht die Rede sein kann – Cello Sobottka wird schmerzlich vermisst, und ohne Emma und auch Tyger Lobinger fehlen mögliche Einwechsler für den Sturm. Also ergibt sich die Bank auch beinahe von selbst mit Zweitkeeper Raffa Wolf, Flo Hartherz, Eddie Prib, Kuba Piotrowski, Niklas Shipnoski und Tim Oberdorf. Weil Kelvin Ofori ja blöderweise an Paderborn vertickt wurde, sitzt dann als Stürmer nur Dawid Kownacki draußen.
Kleiner Hinweis des Ergebenen: Nein, seine Startaufstellung ist keine Prognose, sondern eher ein Wunsch, der aus der Untersuchung des Spiels davor und des Gegners woei der Liste der einsetzbaren Spieler entsteht.
Der Tipp
Sagen wir es klar: Mit einer Heimniederlage wäre die erste Preußer-Krise eingeläutet. Das steht fest. Selbst ein Unentschieden gegen den Tabellenletzten würde auf vielen Seiten Unmut auslösen, nicht nur bei den Fans und in den Medien, sondern auch in den Vereinsgremien. Also MUSS ein Sieg her! Der ist angesichts der Gesamtkonstellation auch möglich. Geht der Matchplan rasch auf, könnte auch die wunderschöne Fortuna mit einem 3:0 vom Platz gehen. Je nachdem, ob sich die Störche angesichts der Punkt- und Torlosigkeit zusammenreißen können, ist auch eine sehr zähe Angelegenheit vorstellbar, die in einem mühevollen und überhaupt nicht ruhmreichen 1:0 für die Hausherren endet.
Ein Kommentar
Ich finde die hier genannte Aufstellung gut. Ich vermute, dass Tanaka erst später eingewechselt wird, kann Preusser noch nicht so gut einschätzen. Vielleicht beginnt er ja doch neben Appelkamp.
Kiel ist verunsichert, meiner Ansicht nach muss man die sofort unter Druck setzen und auf ein schnelles Tor drängen. Zimmermann wirkt auf mich auch zu Beginn der Saison noch überspielt, so wie in der letzten Rückrunde. Auch wegen einer offensiven Ausrichtung wäre auch für mich Narey die bessere Wahl. Wäre auch interessant zu sehen, wie Narey defensiv funktioniert.
Eine Vorhersage fällt mir aus Erfahrung mit Fortuna eher schwer, aber ich tendiere auch zu einem Sieg. Bleibt zu hoffen, dass die Kieler offensiv nicht so viel zu Stande bringen und das Kastenmeier nicht wieder einen seiner berühmten Aussetzer produziert.
Ich bin noch gespannt, wie der Einlass so abläuft. Trotz der eher geringen Anzahl verkaufter Tickets (angeblich 10.000, Stand Mittwoch Abend), werde ich mich wohl lieber früher auf dem Weg machen.