Fast jeder Sportbootfahrer hat ein gewisses Lampenfieber, wenn er seinen Kahn zum ersten Mal durch eine Schleuse bringen muss. Zum Glück für die Hobbykapitäne gibt es diese Herausforderung aber in unserer Region – ausgenommen sind natürlich die Schleusen an den Zuflüssen des Rheins. Das sieht am Oberrhein ganz anders aus. Zwischen Kembs und Iffezheim sind schon im Zuge der Rheinbegradigung im 19. Jahrhundert erste Schleusenanlage; heute passieren Schiffe auf ihrem Weg von Basel talwärts elf solcher Bauwerke, mit denen der Höhenunterschied zwischen den Teilabschnitten ausgeglichen wird.

Kleine Kanalschleuse bei Poppenbüttel auf einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert

Kleine Kanalschleuse bei Poppenbüttel auf einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert

Erfunden haben es natürlich wieder die Chinesen. Im großen Reich gab (und gibt es) ungezählte Kanäle, die Seen und Flüsse miteinander verbinden. Bevor Qiao Weiyue im Jahr 984 die erste Kammerschleuse bauen ließ, setzte man an den Übergängen auf Rampen und Rutschen – was beides bei niedrigem Pegel nicht so gut funktionierte. Erst im 14. Jahrhundert kam man in Europa auf ähnliche Ideen: Man errichtete da, wo der Niveauunterschied auszugleichen war, Tore, mit denen das Fließgewässer nach beiden Seiten abgesperrt werden konnte. Sollte ein Kahn auf das tiefere Niveau gebracht werden, lag er also höher als der Wasserspiegel des Ziels, ließ man nun das Wasser aus der entstandenen Kammer abfließen. Umgekehrt: Um das Schiff nach oben zu bringen, öffnete man das andere Tor, sodass Wasser hineinströmen und den Pegel anheben konnte.

Der Ablauf beim Ein- und Ausschleusen (Quelle: Wikimedia)

Der Ablauf beim Ein- und Ausschleusen (Quelle: Wikimedia)

Das ist immer noch das grundsätzliche Prinzip von Schleusen, das sich beispielsweise auf Kanälen mit relativ geringem Aufwand realisieren lässt, weil dort die Wasserstände in aller Regel nur in geringem Umfang schwanken. Auf großen Flüssen wie dem Rhein sieht die Sache schon anders aus. So schwankt der Pegel bei Iffezheim am Oberrhein jahreszeit- und witterungsbedingt um mehr als vier Meter um den Mittelwert. Das bedeutet, dass die Schleusen dort auf die Maximal- und Minimalwerte angepasst werden müssen. Mit dem beschriebenen Prinzip lassen sich aber keine beliebigen Niveauunterschiede überbrücken bzw. es ist technisch lösbar, aber ineffizient. Also erfanden Wasserbauingenieure Schleusentreppen, bei denen eine ganze Reihe von Kammern nacheinander befahren werden müssen.

Als der Rhein zur Wasserstraße ausgebaut wurde, gab es eben nur jenseits des Bodensees und zwischen Bodensee und etwa Straßburg größere Höhenunterschiede – teils ausgeprägt als Wasserfälle oder Stromschnellen. Schiffbar konnte der Strom dort aber auch nur werden, in dem die Fließgeschwindigkeit den technischen Möglichkeiten der Schiffe angepasst wurden. Dies wurde durch den Bau der elf Schleusenanlagen bewirkt. Spätestens jenseits des „Gebirges“, also der Passage des Rheins durch das Rheinische Schiefergebirge zwischen Bingen und St. Goar, fließt der Strom ganz gleichmäßig und für die Binnenschifffahrt mit passender Geschwindigkeit. Deshalb besteht am Niederrhein kein Bedarf an Schleusen.

[Bildnachweis: Nordschleuse Strasbourg – Ikar.us via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 3.0 DE; Schleusenablauf – Cmglee via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0]

2 Kommentare

  1. Ein sehr interessanter Artikel, vielen Dank. Angesichts zunehmender Trockenheit, niedriger Pegelstände und Trinkwasserknappheit wäre es noch interessant zu erfahren, ob es vage Pläne oder Szenarien gibt, auch auf dem Nieder- und Mittelrhein schleusen zu installieren.

  2. Gerd Rauhut am

    Meine Worte
    Zudem könnte man an den Wehren Strom erzeugen