Baden im Rhein ist lebensgefährlich!
Bericht · Der Fall der drei Mädchen, die vergangene Woche bei Duisburg im Rhein ertrunken sind, löste große Betroffenheit aus. Leider sind tragische Fälle wie diese in den Sommermonaten an den Ufern des großen Stroms keine Seltenheit. Tatsächlich nimmt die Zahl der Todesopfer von Jahr zu Jahr zu. Das hat nach Meinung von Feuerwehr und DLRG drei Ursachen: [Lesezeit ca. 5 min]
Erstens: Wachsende Fließgeschwindigkeit des Rheins und mehr große Schiffe
Man kann es nicht oft genug betonen: Der Rhein ist eine Wasserstraße! Also kein Fluss im Sinne romantischer Vorstellungen. Seit rund 200 Jahren wird der Strom durch Begradigung, Befestigung der Ufer und Bearbeitung des Flussbettes immer mehr im Hinblick auf die Binnenschifffahrt optimiert. Das führt dazu, dass die Fließgeschwindigkeit des Wassers kontinuierlich steigt.
Bei Mittelwasser liegt sie am Niederrhein bei 6 bis 8 Stundenkilometern – noch vor rund 60 Jahren waren es eher 4 bis 6 Stundenkilometer. Und das, obwohl das Gefälle hier in der Ebene bei lediglich einem Meter auf je 8 Kilometer liegt. Je weniger Reibungswiderstand das Wasser erfährt, desto schneller fließt es. Und das ist in der Strommitte gut für die Schiffe. Deshalb wird ununterbrochen am Flussbett gearbeitet, um es möglichst glatt zu halten. Je schneller der Rhein aber fließt, desto unberechenbar werden die Strömungen, Wirbel und Strudel an den Ufern.
Die Zahl der großen Containerschiffe auf dem Rhein hat sich in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt; das gilt in ähnlichem Maße für die großen Schubverbände. Das bedeutet: Unterhalb der Wasseroberfläche entstehen kräftige Strömungen und Wirbel. Schiffe, die zu Berg fahren, saugen dabei das Wasser vor sich an – je größer das Schiff und sein Tiefgang, desto mehr. Das führt dazu, dass auf einer Strecke von bis zu zwei Kilometer „Ebbe“ entsteht, das Wasser am Ufer also zurückgeht. Ist das Schiff vorüber, kommt eine „Flut“, das Wasser kehrt zurück. Wie am Meer zieht die Ebbe Menschen, die im Wasser stehen in die Mitte; besonders gefährlich wird es, wenn ma dem zurückgehenden Wasser folgt.
Zweitens: Wachsende Anzahl an Menschen, die nicht schwimmen können
Die DLRG (Deutsche Lebensrettungsgesellschaft) ist besorgt: Es gibt immer mehr Nichtschwimmer. Was schon seit Jahren zum Trend geworden ist, hat sich während der Corona-Pandemie noch beschleunigt. Eine Ursache dafür ist der Rückgang beim Schwimmunterricht der Schulen, bedingt durch Lehrermangel und Sanierungsstau bei den Bädern, eine andere die Vorbehalte gegen und das Nichtwissen über die Gefahren des Nicht-Schwimmen-Könnens bei Menschen aus fremden Kulturkreisen.
Um es klarzustellen: Selbst wer das Schwimmen gelernt hat oder gar erfahrene:r Schwimmer:in ist, wird sich kaum rette können, wenn er:sie beim Baden im Rhein in die Strömung gezogen wird. Selbst die Lebensretter der DRLG müssen die Selbstrettung in solchen Situationen erlernen und üben. Nur: Wer Schwimmen lernt, wird auch über die Gefahren aufgeklärt und weiß, dass das Baden im Rhein lebesgefährlich ist!
Im Jahr 2020 gab es die 59 mal (2019: 60) den Alarm „Personen im Rhein“. Dabei konnten 25 (2019: 12) Menschen gerettet werden, davon mussten 15 (2019: 6) ins Krankenhaus. Für vier Menschen kam jede Hilfe zu spät (2019: 8). [Quelle: Feuerwehr Düsseldorf]
Drittens: Unkenntnis über die Gefahren und Sorglosigkeit der Menschen am Rhein
Kürzlich schilderte jemand in de sozialen Medien seine persönlichen Erfahrungen mit dem Rhein. Er schrieb in etwa: „Ich bin einsneunzig und wiege über 90 Kilo, bin sportlich gut trainiert. Im vergangenen Sommer stand ich an einem der heißen Tage zum Abkühlen in einer Sandbucht am Rhein. Das Wasser reichte mir kaum bis übers Schienbein. Da fuhr ein dickes Containerschiff flussabwärts an mir vorbei. Der Sog war so stark, dass es mich beinahe umgerissen hätte; ich konnte keinen Schritt rückwärts machen. Hätte ich bis zum Bauch im Wasser gestanden, hätte mich der Fluss bestimmt in die Mitte gezogen.“
Ein beispielsweise 6-jähriges Kind von 20 Kilo hätte in einer solchen Situation keine Chance sich gegen den Sog zu wehren. Und trotzdem unternehmen immer noch viele Eltern, die den Tag an einem Rheinstrand verbringen nichts dagegen, dass ihre Sprösslinge im „flachen Wasser“ spielen. Immer wieder sieht man auch an den Stränden Düsseldorfs junge Männer, die im scheinbar seichten Wasser untertauchen oder gar Schwimmbewegungen machen. Selbst ein herannahendes Schiff, dass die Leichtsinnigen nicht sehen können, könnte sie in Lebensgefahr bringen.
Verhalten im Notfall
Erfahrenen und guten Schwimmer:innen, die in den Strom gezogen wurden, kann man nur raten: Versuchen Sie nicht, gegen den Strom oder zurück ans Ufer zu schwimmen! Schwimmen Sie mit dem Strom und versuchen sie eine Strömung zu erfühlen, die Sie ans Ufer, besonders in eine Bucht zwischen zwei Kribben treibt! Machen Sie durch lautes Rufen auf sich aufmerksam – nur dann können Menschen am Ufer Ihnen helfen.
Hören oder sehen Sie einen Menschen, der im Rhein in Schwierigkeiten geraten ist: Bleiben Sie am Ufer! Gehen Sie nicht selbst in den Fluss! Fast immer mussten Menschen beim Versuch, jemanden aus dem Rhein zu retten, selbst gerettet werden; viele Helfer haben ihren „Mut“ sogar mit dem Leben bezahlt. Wählen Sie stattdessen umgehend de Feuerwehr-Notruf 112. Geben Sie den Unfallort (Stromkilometer, Straße/Hausnummer, markante Wegmarke etc.) an. Geben Sie Antwort auf Rückfragen und beachten Sie die Anweisungen, die man Ihnen gibt.
Behalten Sie die gefährdete Person im Auge, folgen Sie ihr wenn möglich am Ufer. Melden Sie zwischendurch gegebenfalls ihren Standort. Ist das nicht möglich, bleiben Sie an Ort und Stelle, damit die Feuerwehr Sie findet. Haben Sie mitbekommen, dass die Person das Ufer aus eigener Kraft erreichen konnte, melden Sie auch das.
Übrigens: Bei höherem Wasserstand oder Hochwasser wählen Menschen nicht selten den Notruf, weil sie etwas im Rhein treiben sehen. Das kann natürlich ein Schwimmer in Not sein, viel öfter aber handelt es sich um einen Gegenstand, zum Beispiel einen Baumstamm, oder schlimmstenfalls ein Tier (meistens ein Schaf).