Analyse · Es ist ein Kreuz mit diesem Fußballjargon: Ständig kommen neue Begriffe hinzu, und alte werden umgedeutet. Etwa seit der für die DFB-Elf bös in die Hose gegangenen WM im lupenrein demokratischen Russland reden Spochtrepochter und Trainer vom „Unterschiedsspieler“, ohne dass sie je verraten haben, was genau sie damit meinen. Man kann davon ausgehen, dass sich das Wort auf den Ausdruck, dieses oder jenes „mache den Unterschied“, bezieht. Wobei das wieder einmal fürchterliches Denglish ist – so wie die Floskel „noch 13 Minuten zu gehen“, bei der sich jedem Germanisten der Magen kräuselt. Oder wie diese falsche Verwendung des Personalpronomens „du“ anstelle des in der deutschen Sprache korrekten „man“: „Wenn du den nicht reinmachst, kannst du nicht gewinnen.“ Egal. Wenden wir uns den beiden Eingangsfrage zu und beantworten wir den zweiten Teil mit einem glatten NEIN. [Lesezeit ca. 3 min]

Denn im aktuellen Kader der F95-Zweitligamannschaft ist ein solcher Kicker, der im real existierenden Spiel den Unterschied macht, gemacht hat oder machen könnte, schlicht nicht zu finden. Einige wir uns mal auf die Definition, dass ein Unterschiedsspieler einer ist, der ein Match praktisch ganz allein im Sinne seiner Mannschaft entscheiden kann. Wer sich gestern die CL-Partie zwischen dem BVB und Manchester City angeschaut hat, konnte einen solchen Akteur rasch ausmachen: Kevin de Bruyne. Der hat praktisch allein für den Sieg gesorgt, weil buchstäblich ALLE Offensivaktionen der Hellblauen von ihm eingeleitet und/oder orchestriert wurden. Dabei hat er nicht einmal selbst ein Tor erzielt…

Auch unsere glorreiche Fortuna hatte in den vergangenen Jahren immer wieder solche Unterschiedsspieler am Start, leider nie welche, die IN JEDEM SPIEL den Unterschied machten, sondern eben nur manchmal. In der Aufstiegs- und der ersten Bundesligasaison war beispielsweise Rouwen Hennings ein solcher Typ, weil er ohne viel Hilfe von den Kollegen aus eigener Initiative heraus, mit dem brennenden Torinstinkt und dem unbändigen Willen einzulochen, entscheidende Treffer machte. Oder Dodi Lukebakio, der 2018 dem großen FC Bayern fast allein ein Unentschieden abtrotzte. Kaan Ayhan war manchmal der Unterschiedsspieler, weil er die Initiative ergriff, die letztlich zum Sieg führte. Natürlich auch Kevin Stöger in seinen besten Zeiten. Oder auch Erik Thommy in der jüngsten Vergangenheit.

Nur ist es so, dass (übrigens semantisch vom englischen Original abweichend) das Wörtchen „Unterschied“ vorgibt, wie ein entsprechender Kicker zu identifizieren ist. Dessen Treiben auf dem Platz muss sich a) von dem seiner Kollegen und b) vor allem von der jeweils aktuellen Leistung aller Spieler der gegnerischen Mannschaft unterscheiden. Heißt: Ein Unterschiedsspieler ist nicht immer DER Unterschiedsspieler, sondern nur manchmal. Echte Weltklassefußballer wie Mbappé oder Neymar (auch das diese Woche in der CL-Partie von PSG gegen den FCB prima zu sehen) machen fast immer den Unterschied aus, weil ihre individuellen Fähigkeiten selbst an nicht so guten Tagen über dem Niveau von vermutlich 95 Prozent aller anderen Kicker liegen.

In diesen Höhen habe sich Fortuna-Spieler in den vergangenen rund 50 Jahren nie bewegt. Und doch fallen einem immer wieder Namen von Jungs ein, die in vielen Begegnungen für den Unterschied zuständig waren; Maxi Beister war so einer. Der konnte – natürlich nur im Duett mit dem unvergleichlichen Sascha Rösler – ein Spiel fast allein zugunsten der störrischen Diva drehen. Und dann sind da noch die Burschen, die ein einziges Mal zum Unterschiedsspieler wurden – wie wär’s mit Ken Ilsö? Der 2011 mit drei Toren das 6:0 gegen FSV Frankfurt klarmachte und dabei vielleicht das Spiel seines Lebens zeigte.

Bleibt die Frage: Können die Scouts und Kaderplaner einen zukünftigen Unterschiedsspieler erkennen … bevor er unbezahlbar wird? Eher nicht. Fußballer mit herausragenden technischen und taktischen Fähigkeiten zu identifizieren, ja, das müssen sie können, sonst hätten sie den Beruf verfehlt. Aber nach dem Studium eines Kickers zu sagen „Okay, der wird mal ein Unterschiedsspieler“ ist kaum möglich. Denn selbst die größten Talente, die schon mit 14, 15, 16 Jahre ihr Potenzial bewiesen haben, können sich auch einfach nur zu Weltklassespielern entwickeln, aber im Verlauf ihrer Karriere nie den Unterschied machen.

Die Qualitäten, die einen Akteur im Verlauf einer konkreten Partie zum Unterschiedsspieler machen, können ganz unterschiedlicher Art sein. Meistens denkt man den genialen Regisseur, der seine Kollegen immer und immer wieder brillant einsetzt. Oder an den unwiderstehlichen Dribbler, der die Gegner reihenweise nassmacht. Dabei kann auch ein Kerl, der es schafft, seine Truppe zu ungeahntem Engagement zu motivieren, zum Unterschiedsspieler werden. Und ganz selten ist es der Torhüter, der mit seiner Unbezwingbarkeit den Unterschied macht, was Manuel Neuer im Dress der DFB-Auswahl einige Male gelungen ist.

Was heißt das für unsere Fortuna? Eigentlich bräuchten wir für die kommende Saison mal wieder einen Unterschiedsspieler. Vielleicht haben wir sogar einen, der auf dem Weg dahin – da muss Ihr Ergebener gleich an Shinta Appelkamp denken, der auf jeden Fall alle Voraussetzungen dafür mitbringt. Wünschen wir ihm beste Gesundheit und uns, dass er in der Spielzeit 2021/22 mehrfach von Fußballkommentatoren als Unterschiedsspieler identifiziert wird.

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