Es ist ein Kreuz mit dem Rheinland. Denn so ganz genau ist nicht definiert, welche Landstriche dazugehören und welche nicht. Zumal gleich zwei Bundesländer die Silbe „rhein“ im Namen tragen: Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Deshalb drückt sich auch die Wikipedia um eine genaue Erklärung und meint, beim Rheinland handele es sich um die Gebiete rund um den Mittel- und den Niederrhein auf deutschem Boden. Nicht sehr präzise. Aber noch wolkiger wird es, wenn man fragt, welche Sprache in dieser Region gesprochen wird. Als der Verfasser dieses Beitrags vor ein paar Jahren einen jungen Belgier und eine junge Niederländerin aus dem jeweiligen Grenzgebiet kennenlernte, war er sehr überrascht, dass sie sich in einer Mundart unterhielten, die sie auf Nachfrage übereinstimmend „Rheinländisch“ nannten. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Rheinländisch genau wir bei der Sprache, die Nicht-Rheinländer „rheinisch“ nennen, nicht einmal um einen Dialekt, sondern um das, was Sprachwissenschaftler einen Regiolekt nennen.
Und den gibt es noch nicht wirklich lange; vermutlich erst seit den Zeiten der napoleonischen Besetzung des Rheinlandes. Tatsächlich bilden gleich mehrere deutsche Sprachen die Basis für das heutige Rheinländische. Im Kölner Raum sprach man ursprünglich eine ripuarische Mundart, südlich und östlich davon das Moselfränkisch, und am Niederrhein bis weit in die Niederlande und Belgien hinein ein niederfränkisches Platt, zu dem auch das Bergische zählt. Dass sich heutzutage der Zungenschlag, der durch die Fernsehübertragungen aus dem Millowitsch-Theater bundesweit bekannt wurde, im ganzen Rheinland ähnlich anhört, hat damit zu tun, dass die Eingeborenen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert durch die vielen Zuwanderer das Hochdeutsche übernommen und mit Wörtern und Sprechweisen ihrer ursprünglichen Dialekte angereichert und modifiziert haben.
Nachdem der Verfasser dieses Artikels das alles herausgefunden hatte, wurde ihm klar, warum sich die Gespräche der beiden jungen Leute so kölsch anhörten. Im Gebiet von Eupen – übrigens ist Deutsch im Königreich Belgien eine offizielle Amtssprache wie Flämisch und Französisch – und im südlichen Zipfel der niederländischen Provinz Limburg spricht man von alters her Ripuarisch, also denselben Dialekt wie im Kölner Raum. Rund um die Landeshauptstadt Düsseldorf herrschte bei den Bauern und Fischern dagegen das Ostbergische vor. Deshalb unterscheiden sich die rheinischen Mundarten der beiden Rheinmetropolen so sehr voneinander, dass mit der Benrather Linie eine ziemlich scharfe Sprachgrenze gezogen wurde.
Am Niederrhein, zu dem auch Duisburg und seine linksrheinischen Stadtteile gehören, herrschte dagegen eine niederdeutsche Mundart vor, die vom Vokabular dem näher liegt, was im angrenzenden Münsterland und im Osnabrücker Land gesprochen wird. Wer die Gelegenheit hat, alte Niederrheiner, zum Beispiel aus der Gegend rund um Xanten, Dinslaken, Wesel und Emmerich, reden zu hören, wird nicht darauf kommen, dass deren Mundart auch zum Rheinischen zählt. Womit wir doch bei der Frage wären, wo fängt das Rheinland an und wo hört es auf. Nimmt man den jeweiligen Zungenschlag als Kriterium, muss man weit südlich von Remagen bzw. nördlich von Koblenz beginnen, denn dort hören sich die Eingesessenen ähnlich an wie die Bonner, deren Bönnsch sich nur in Nuancen vom Kölsch unterscheidet.
Noch weiter südlich hört man dagegen ganz verschiedene Mundarten, die am ehesten mit dem jeweiligen Mittelgebirge zusammenhängen, also dem Hunsrück und dem Westerwald. Hier kann auch nur ein relativ schmaler Streifen auf dem rechten Rheinufer wirklich zum Rheinland gezählt werden. Nach Westen aber dehnt sich diese unscharfe Region – wie erwähnt – im Süden von der Eifel begrenzt bis nach Eupen und fast bis zur Maas aus. In Roermond kann man sich beispielsweise gut mit Einheimischen auf Rheinisch unterhalten, ohne dass die unbedingt „richtiges“ Deutsch beherrschen. Im Nordwesten ist es genau umgekehrt: Jenseits der niederländischen Grenze hört man kein Rheinisch, dafür aber eine Art Niederdeutsch.
Und, welcher Teil des Ruhrgebiets gehört sprachlich zum Rheinland? Genau das hat sich in den letzten dreißig, vierzig Jahren deutlich geändert. Schaut man sich die ersten Schimanski-Tatorte an, die ab 1981 weitgehend in Duisburg spielen, wird man dort a) sehen, dass in den Kneipen vorwiegend Altbier serviert wird und b) die „einfachen Leute“ rheinisch parlieren. Zum Ende der Reihe im Jahr 1991 aber trinken die Menschen Pils und reden in dem Tonfall, der für den Pott typisch ist. Und obwohl das östlich von Duisburg gelegene Mülheim an der Ruhr sowie Oberhausen geografisch allgemein als Teil des Ruhrgebiets verstanden werden, sprechen dort die älteren Einwohner keinen Ruhrpottslang. Ähnlich sieht es im Bergischen aus, also dem Land östlich von Düsseldorf, das historisch dem Herzogtum Berg (mit seiner Hauptstadt Düsseldorf) entspricht und die eben angesprochenen Ruhrgebietsstädte Duisburg, Mülheim, Oberhausen sowie den Süden Essens umfasst. Nur spricht kaum jemand östlich und nördlich von Wuppertal etwas, was sich wirklich rheinisch anhört.
Fazit:
DAS Rheinische gibt es nicht und hat es nie gegeben. Im Rheinland haben drei sehr unterschiedliche Dialekte vorgeherrscht, die dann ab der napoleonischen Zeit das importierte Hochdeutsch auf unterschiedliche Weise eingefärbt haben. Typisch für die verschiedenen rheinischen Sprechweisen ist die große Zahl an Lehnwörtern aus dem Französischen.
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