Es ist wie der Kreislauf des Lebens: Aus den Wolken fallen Regen und Schnee und sammeln sich in Quellen, aus denen Bäche und Flüsse entstehen, die oberirdisch und unterirdisch fließen und von den Menschen als Trink- oder Brauchwasser entnommen und als Abwasser wieder in die fließenden Gewässer zurückgeführt werden, wo sie sich in immer größeren Strömen sammeln, zum Meer fließen, wo das Wasser verdunstet und Wolken bildet, aus denen der Niederschlag fällt. Tatsächlich sind aber Flüsse wie der Rhein nicht bloß Wasserkanäle und Straßen, sondern auch Lebensraum. Und den gilt es vor den mehr oder weniger schädlichen Bestandteilen, die der Mensch dem Wasser beigibt, zu schützen. Womit wir bei der Frage sind: Wie viel Abwasser verträgt der Rhein? Und was muss getan werden, damit der Strom sauber genug bleibt?
Kaum jemand ist sich bewusst, welche Mengen an Abwasser in Groß- und Industriestädten erzeugt wird. Allein im Klärwerk-Süd der Stadt Düsseldorf werden Jahr für Jahr um die 40 Millionen Kubikmeter gebrauchtes Wasser gereinigt und in den Fluss geleitet – das sind 40.000.000.000 Liter, was wiederum dem Inhalt von 4000.000.000 Putzeimern entspricht. Wenn man die Innenräume von ungefähr 100 Fußballstadien mit Wasser bis zum oberen Rand der Tribünen füllen würde, käme man in etwa auf diese Menge. In Düsseldorf gibt es ein zweites Klärwerk mit etwas geringerer Kapazität, und Köln hat vier normale und ein Großklärwerk. Außerdem arbeiten zwischen Köln und Duisburg weitere sieben Klärwerke daran, dem Rhein möglichst sauberes Wasser zuzuführen. Das war nicht immer so. Den aktuellen Stand bei der Anzahl an Anlagen zur Abwasserreinigung hat die Region erst vor gut 40 Jahren erreicht. Davor waren weder die Kapazität, noch die Technologie ausreichend, den Lebensraum „Fluss“ zu schützen. Zumal bis etwa 1980 jede Menge versalztes und nicht abgekühltes Industrieabwasser für dramatisch schlechte Bedingungen im Rhein sorgten. Nun ist Abwasser nicht gleich Abwasser, und die kommunalen Kläranlagen dienen nicht nur dazu, Wasser zu reinigen, das aus den Haushalten stammt, sondern eben auch aus Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben unterschiedlichster Art. Zum Glück leiten inzwischen alle großen Industrieanlagen in unserer Region ihr Abwasser entsalzt, abgekühlt und gereinigt ein. Aber die kleineren Betriebe in den Städten und dazwischen geben ihr Abwasser (mehr oder weniger vorgereinigt) in dieselben Kanäle wie die Haushalte. Immerhin gelten im Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren strenge Gesetze darüber, welche Betriebe wie behandeltes Wasser einleiten dürfen. Das hat den Klärwerken die Arbeit deutlich erleichtert. Verbessert haben sich über die Jahre die Verfahren. Zudem haben sich Methoden (PDF-Link) durchgesetzt, die für eine optimale Reinigung sorgen. Dabei wird grundsätzlich zwischen der mechanischen und der biologischen Behandlung unterschieden. Denn erst einmal müssen alle festen Bestandteile sowie die anorganischen Inhalte beseitigt werden. Danach geht es an die organischen Elemente. In beiden Stufen entsteht Schlamm, der alle die Dinge enthält, die im Abwasser nicht mehr zu finden sein sollen. Früher hat man diesen Klärschlamm einfach in Müllkippen entsorgt, heute kümmert man sich auf vielfältige Art um ein Recycling dieses Schlamms. Das betrifft zunächst die mineralischen Elemente, sprich: Sand, die ab einer gewissen Größe im sogenannten „Sandfang“ ausgefiltert und dann gereinigt wird und dann tatsächlich wiederverwendet wird – zum Beispiel im Straßenbau. Geht man in der Nähe eines Klärwerks spazieren – zum Beispiel in Düsseldorf auf dem Rheindeich bei Flehe – stinkt es mal mehr oder weniger schlimm. Dabei handelt es sich um die (schwefligen) Gase, die bei der Zersetzung organischen Materials entsteht. Ältere Spaziergänger werden sich erinnern, dass Kläranlagen früher sehr viel schlimmer gerochen haben. Weil die genannten Gase nämlich genau das sind, was man heutzutage „Biogas“ nennt, werden sie nicht mehr einfach in die Umgebungsluft entlassen, sondern so weit wie möglich als Brennstoff genutzt. Auch der Faulschlamm, der entsteht, ist ein wertvoller Rohstoff – wenn er ausreichend entgiftet wurde, kann er als Dünger genutzt werden. Weil man aber das Abwasser auch wörtlich „zu Tode“ reinigen könnte, sodass am Ende beinahe destilliertes Wasser in den Rhein käme, machen es moderne Verfahren in aktuellen Anlagen möglich, ganz genau zu steuern, welche Mengen welcher Bestandteile im Wasser verbleiben oder welche Elemente sogar hinzugefügt werden.Das alles beantwortet natürlich nicht die Frage, wie viel Abwasser Vater Rhein tatsächlich schlucken kann. Aber bei Licht betrachtet gibt es auch keine schlüssige Antwort, weil es bei der Frage nach einem intakten Lebensraum weniger um die Menge geht, als vielmehr um die Qualität des eingeleiteten, geklärten Wassers. Und die hat sich in den vergangenen gut vierzig Jahren drastisch verbessert. Das merkt man dem Strom auch an, der ja wieder zu einem funktionierenden Biotop mit erstaunlichem Fischreichtum geworden ist.