Als ich irgendwann in der Oberliga-Saison 2003 meinen Kollegen und Sportreporter Gernot Speck vor einem Spiel am Flinger Broich traf, machte mich der mit einem jungen Typ bekannt, der an einem Tapeziertisch vor dem Fortuna-Fan-Container saß. Den kannten alle nur unter dem Kampfnahmen, den er sich im legendären Difo, dem Internetforum der F95-Fans gegeben hatte: Micha D Nord. Je intensiver ich in die rotweiße Fanszene eintauchte, desto öfter traf ich den Kerl, der in einem Maße poseteff bekloppt war wie kaum ein anderer. Bei jedem Auswärtsspiel fiel der auf, und als er die Bar95 am Paul-Janes-Stadion übernahm, kamen wir immer öfter ins Gespräch. Und auch in der Arena ist Micha Nord eine auffällige Erscheinung, wenn er oben im 160er an der Balustrade steht und seine Fortuna anfeuert.
Vor etwas mehr als drei Jahren dann die Überraschung: Aus der ziemlich düsteren und heruntergekommenen Viertelskneipe an der Ecke Oberbilker Allee/ Jahnstraße war in kürzester Zeit das Bilker Häzz geworden, eine ungewöhnliche Mischung aus Bar, Lounge und Kneipe – neuer Wirt: Micha Nord. Natürlich zog der Laden die Fortuna-Freunde in Massen an, und ab der Saison 2016/17 war das Bilker Häzz DER Ort, um sich die Auswärtsspiele der glorreichen Diva im Kreise Gleichverrückter anzuschauen. Hier traf sich die „Expertenrunde“, hier litt und feierten wir, hier erlebten wir den Aufstieg in die erste Liga mit. Dann war Schluss mit lustig. Nicht nur dazu haben wir Micha Nord befragt, der immer noch zu allen F95-Auswärtsspielen fährt und während der WM 2018 seine zweite Fußballliebe in Brasilien fand.
Frage: Wie bist du auf die verrückte Idee gekommen, eine angeranzte Eckkneipe zu übernehmen und daraus einen echten Treffpunkt fürs Viertel zu machen?
Antwort: Manchmal musst du zu deinem Glück gezwungen werden. Nach vier tollen Jahren in der Bar95 stand für mich ein Wechsel in die Betriebsleitung des Stahlwerkes an. Doch ab dort ging es richtig bergab. Alles an Leidenschaft und Mitmenschlichkeit, was du vorher in der Bar95 gelebt hast, war hier auf den Kopf gestellt. Und so dauerte mein Intermezzo nur wenige Monate. Danach ging es erstmal zum Stempeln im Amt. Ist definitiv ’ne blöde Zeit, wenn du all deine Pfandflaschen abgeben musst, weil du dir etwas zu essen kaufen möchtest und bei einem Dutzend Leuten in der Kreide stehst, damit du weiter zur Fortuna fahren kannst. Und dann war da plötzlich die Gelegenheit, diese komplett verbrannte und runter gewirtschaftete Eckkneipe mit dem wohl miesesten Ruf der Stadt zu übernehmen. Wobei diese Gelegenheit in meiner Not und in meinen Augen schon wie ’n 6er im Lotto ausgesehen hat. So kam eins zum anderen. Und es ist bis heute ein hartes Stück Arbeit.
F: Fast zwei Jahre hat die Fortuna-Expertenrunde im Bilker Häzz getagt, um die Auswärtsspiele zu verfolgen, jetzt hat die Kneipe kein Sky mehr – woran liegt’s?
A: Ganz klar an der Preisgestaltung von Sky. Zuletzt wollte Sky einen Preis von 700 Euro netto monatlich von uns haben. Auch in den spielfreien Monaten. Das holst du einfach nicht rein. Und am Ende des Tages musst du es, bei aller Leidenschaft zum Fußball, auch wirtschaftlich sehen. Wenn du alle anderen Kosten wie Steuer, Miete, Versicherung, Löhne, Sozialabgaben, Nebenkosten, Strom, Wasser, Wareneinsatz, Steuerberater etc. abziehst, bleiben dir pro Glas Alt ca. 40 Cent Gewinn über. Davon musst du dann eben Sky bezahlen. Und um auf 8.400 Euro Jahreskosten für Sky zu kommen, musst du erstmal 21.000 Gläser Alt verkaufen, um dann mit dem 21.001. Glas die ersten 40 Cent Gewinn zu machen. Danke Sky *Mittelfinger Smiley*…
F: Legendär ist ja inzwischen das Kneipenbingo im Häzz – wie muss man sich einen solchen Abend vorstellen?
A: Rotzig! Genau das Wort fällt im positiven Sinn immer wieder, wenn es darum geht unser Kneipenbingo zu beschreiben. Ich finde es erstaunlich, dass wir bei unseren Kneipenbingo-Abenden immer wieder so fantastische Gäste bei uns haben. Voller Laden, viel Alkohol, tolle Mischung aus Jung, Alt, Mädels und Jungs. Und wirklich jedes Mal aufs Neue das beste Publikum, dass wir jemals da hatten. Muss jeder einfach mal selbst erleben. Ansonsten gilt, gerade für diesen Abend: Was im Bilker Häzz passiert, bleibt im Bilker Häzz. Unser nächster Termin ist übrigens Freitag der 7. Juni und die Teilnahme ist kostenfrei.
F: Du bist ja schon seit vielen Jahren ein sogenannter „Allesfahrer“ und an Auswärtsspieltagen der Fortuna nicht zuhause – wer betreut dann das Bilker Häzz?
A: Ich hab nicht einfach die besten Mitarbeiter für mich, sondern die besten Menschen, die mit mir arbeiten! Und das ist nicht so daher gesagt, das meine ich wirklich so. Ja, glaube, das ist schon die Antwort auf deine Frage.
F: Du bist einer der ersten F95-Intensivfans der Neuzeit, die ich überhaupt kennengelernt habe – wie bist du zur Fortuna gekommen, wer hat dich dazu verleitet?
A: Pure Fügung. Meine Eltern kamen als Spätaussiedler mit mir als 3-jährigen nach Deutschland. Nach der üblichen Route über Unna-Maaßen ging es dann nach Düsseldorf. Ich glaube in der Grundschule fing ich irgendwann an, mich für die Ergebnisse der Fortuna zu interessieren. Und mit neun hab ich meinen Papa endlich dazu überreden können mal ins Stadion zu gehen. Fortuna-typisch 0:1 verloren gegen Hannover. Ist halt die übliche Nummer, dass du dir deinen Verein nicht aussuchst – er wird dir gegeben. Und bis zuletzt hab ich nie Sympathien für irgendeinen anderen Verein empfunden. In den letzten Jahren kam durch Bekanntschaften jedoch Sao Paulo FC in Brasilien hinzu; aber das ist eine eigene Geschichte…