Lesestück · Wenn Düsseldorfer*innen an die Schlacht bei Worringen denken oder davon sprechen, herrscht immer noch die Ansicht vor, es sei irgendwie um Köln vs Düsseldorf gegangen. Weit gefehlt und im Gegenteil: Die knapp 100 Düsseldorfer Fischer und Bauern standen auf der Seite Johann I., dem Herzog von Brabant, der gegen Siegfried von Westerburg, den Erzbischof von Köln im Finale um den Limburger Erbfolgestreit antrat. Da die Kölner Bürger ihren Erzbischof weghaben wollten, kämpfte eine kölsche Miliz ebenfalls auf der Seite vom Herzog. Insgesamt war das, was sich über etwa sechs Stunden auf der Fühlinger Heide abspielte, ein sogar nicht ritterliches Gemetzel. Dass bei knapp 4.000 Kombattanten über 1.700 Männer zu Tode kamen, ist außergewöhnlich für das Hochmittelalter. Normalerweise ging es bei einer solchen Schlacht nur darum, den Anführer des Gegners gefangen zu nehmen; gelang das, wurden die Kampfhandlungen eingestellt. [Lesezeit ca. 7 min]
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Dass die Sache so blutig endet, hat vor allem damit zu tun, dass unter den rund 4.000 Teilnehmern nur eine Minderheit eine ritterliche oder soldatische Ausbildung hatte – die Düsseldorfer Abordnung übrigens am allerwenigsten. Außerdem kamen die so spät am Schlachtfeld an, dass der Hauptzweck des Tages bereits erreicht war. Adolf, Graf von Berg, hatte den Erzbischof nämlich schon verhaftet und vom Ort des Geschehens abgeführt. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass auch nur ein einziger Düsseldorfer aktiv an der Schlägerei teilgenommen hat. Tatsächlich artete diese Schlacht von dem Augenblick an in eine Schlägerei aus, als die bergischen Bauern den Platz erreichten.
Weil es im bergischen Land in jenen Zeiten ständig Hauereien zwischen den Kleinfürsten gab, waren diese Dorfleute durchaus wehrhaft, also mit dem einen oder anderen Rüstungsteil geschützt. Schwerter hatten sie dagegen nicht – stattdessen hatten sie Knüppel und Keulen dabei, die sie am Ende durch eingeschlagene Hufnägel zu schrecklichen Waffen gemacht hatten. Wie gesagt: Eigentlich war der Drops schon gelutscht als die Bergischen kamen. Weil die Lage aber unübersichtlich war und die Ankömmlinge nicht Bescheid wussten, gelang es dem Zisterzienser-Mönch Walter Dodde die Burschen noch einmal so richtig heiß zu machen. Weil sie aber nicht unterscheiden konnten, wer auf welcher Seite kämpfte, erschlugen sie einfach alles, was ihnen vor die Keulen kam.
Das alles entnehmen wir der Rymkronyk des brabantischen Dichters Jan van Heelu, also einer Geschichtsschreibung in Reimen, die er für Margarete von England schrieb, die Schwiegertochter von Johann I. und spätere Gattin von Johann II. Die Beschreibung der Schlacht ist so realitätsnah und detailliert, dass zu vermuten steht, der Dichter sei dabei gewesen. Zeitlich käme das hin, denn die Chronik entstand in den Jahren 1288 bis 1294. Die Verse des Jan van Heelu wurden später Teil der Brabantsche Yeesten, die Jan van Boendale, der Stadtschreiber von Antwerpen, zwischen 1318 und 1350 im Auftrag eines sehr reichen Bürgers der Stadt verfasste – sie gilt übrigens als eines der wichtigsten Zeitdokumente der belgischen Geschichte. Tatsächlich hat der Sieg des Brabanters die Keimzelle des späteren Königreichs Belgien zu mehr als lokaler Bedeutung geführt.
Aber ich werde erst berichten, wie sie mit ihren Knüppeln, die mit Eisenspitzen versehen waren, hinzukamen und zu Werke gingen die kühnen Bauern von Berg, die, in der Sprache Brabants, zu Recht Dorfleute genannt werden. Diese kamen alle wohl zum Kämpfen bereit, in der Gewohnheit, die dort besteht. Ein Großteil von ihnen hatte Wams und auch Haube, ein Teil sogar Panzer; zwar der Schwerter mit scharfen Klingen wollten sie sich nicht bedienen; aber Knüppel hatten sie alle, am Ende mit großen Hufnägeln gespickt. Ihren Scharen hatten sich die Kölner mit ihren Treffen beigesellt: In ihrer Gesellschaft sah man glänzende Kettenhemde, Halsberge und Schwerter blinken. Ehe noch diese dritte Schar hinzukommen wollte, hatte lange Zeit der Herzog von Brabant den Kampf allein gehalten mit seinen Leuten. Wohl kann ich nicht angeben, wäre der Herzog unterlegen, was sie dann getan hätten, die mit ihren Nagelkeulen dort bereitstanden: Aber Bruder Walter Dodde, das sage ich wohl, im war Angst, dass sie so lange zögerten, ehe sie dem Herzog zu Hilfe kamen; dabei halfen ihm die Natur und die Treue von Brabant, die er erlangt hatte; aber obschon er ein eifriger Laienbruder war, ritt er mutig, kreuz und quer, vor ihrer Truppe, und rief: „So ehrenvoll, wie sich nur jemals ein Fürst in irgendeinem Lande wehrte, so hat sich der Herzog von Brabant gewehrt, mit dem Schwert an der Kehle, und hat den Sieg errungen: Zieht von dannen! Denn es ist an der Zeit, wollt ihr gewinnen Gut, dass Ihr es nun angeht; denn die Feinde sind ermatte.“ Sobald sie dies angehört hatten, zogen sie in die Schlachtordnung tapfer ins Gefecht, munter rufend: Hya, ruhmreiches Berg!“ Aber als sie auf das Schlachtfeld kamen, war deutlich zu sehen, dass die Brabanter Oberhand gewannen, denn der Graf von Berg, augenblicks, führte den Bischof gefangen mit sich vom Felde, ohne Zweifel: Das wäre nicht geschehen, hätte man den Bischof nicht vorher mit Waffengewalt bezwungen.
Aber das braucht man nicht zu vermelden, denn es wurde schon beschrieben. Die Bauern, die dort im Kampf blieben, stellten sich an einen Graben und schlugen nieder Freund und Feind, ohne Schonung, denn wer zu den einen oder den anderen gehörte, davon hatten sie keine Kenntnis. Plötzlich begab es sich, wie Gott gab, das Battele, ein Gefolgsmann und Knappe des Herzogs von Brabant, auf einer Mähre saß, die weder vorwärts noch rückwärts wollte: Auf ihn stürzten sich die von Geldern. Als er das Pferd nicht schneller sich bewegen fand, sprang er auf die Erde und erschlug es selbst mit dem Schwert und kam zu denen von Berg gerannt, gerade als sie den Kampf begannen. Da wollten sie ihn niederschlagen, dass er nicht wieder aufstehen könnte, doch er rief: Ihr tut unrecht! Ich bin Gefolgsmann des Herzogs von Brabant, der es nicht verdient, hier von euch, dass Ihr seine Freunde und seine Mannen niederschlagt.“ Da riefen sie alle zurück: „Seid Ihr von Brabant, freimütig rufet: Ruhmreiches Berg! Und wir helfen Euch allen sofort. Geht voran und führet uns schnell dorthin, wo wir Feinde finden können. Wir sollen wohl alsbald den Kampf beenden, wenn wir sie wohl herausfinden können.“ Der Gefolgsmann rief nach ihrer Rede: „Brabant! Ruhmreiches Berg! Folgt mir, wohin ich vorgehe. Ich werde Euch augenblicklich dorthin bringen, wo Ohr Feinde finden könnt.“ So führte er sie dann von hinten an die Feinde heran. Die Kölner mit ihren Truppen folgten ihnen und umzingelten ihre Feinde in einen ganzen Ring: Das war eine erbärmlich Sache, den großen Jammer zu sehen; denn sie schlugen von hinten tot manchen Mann ohne Gegenwehr. Da war in ihres Feindes Heer niemand, war er auch noch so tapfer, der nicht abgewehrt wurde, denn durch die Schwerter der Brabanter fielen sie ohne Umschweife, wenn sie vorwärts drängen wollten, und wenn sie umkehren wollten, fanden sie die Kölner oder die Bauern von Berg, wenn sie sich noch näher dahin zurückzogen. Als die Sache sich solchermaßen verhielt, fühlte sich mancher Ritter, mancher Gefolgsmann höchst unbehaglich, die sich gerne ergeben hätten, wenn sie nur gewusst hätten, wie sie es anstellen sollten, wie ich hiernach noch kundtun werde… [aus der Reimchronik des Jan van Heelu]
Der Mönch Walter Dodde, der nach anderer Überlieferung ein brabantischer Laienbruder war, der unrechtmäßig die Zisterzienser-Kutte trug, steht im Mittelpunkt des monumentalen Gemäldes von Peter Janssen, das den Jan-Wellem-Saal im Rathaus schmückt. Der feuerte nicht nur die bergischen Bauern an, sondern führte sie in den Rücken der Truppen des Erzbischofs, sodass diese umzingelt waren. Und obwohl nach den ungeschriebenen Regeln des Hochmittelalters die Schlacht durch die Festnahme des Siegfried von Westerburg beendet war, forderte Dodde seine Gefolgschaft auf, die wehrlosen Gegner zu erschlagen – möglicherweise das schlimmste Kriegsverbrechen des ganzen Mittelalters. Bert Gerresheim hat diese Grausamkeiten in seinem Stadterhebungsmonument in der Altstadt eindrucksvoll dargestellt.
Nominell zählten die paar Düsseldorfer zu diesen Kriegsverbrechern, in der Realität bekamen sie von alldem nicht wirklich etwas mit. An dieser Stelle kann man auch mit der Legende aufräumen, Graf Adolf von Berg habe Düsseldorf aus Dankbarkeit für den Einsatz seiner Bewohner in der Schlacht die Stadtrechte verliehen. So haben wir Älteren es im Heimatkundeunterricht in den Fünfzigern gelernt, so wird es immer noch kolportiert. In Wirklichkeit war dem Grafen nur daran gelegen sein Herzogtum an den Rhein zu bringen, dies aus macht-, aber auch wirtschaftspolitischen Gründen; denn mit einer befestigten Residenz samt Hafen konnte man der Binnenschifffahrt problemlos einen Haufen Dukaten abzocken.
Fazit: Nein, die Kölner müssen den Düsseldorfern nicht dafür dankbar sein, dass diese sie beim Kampf gegen ihren Erzbischof unterstützt haben, den wirklich beteiligt waren die paar Fischer und Bauern nicht. Ja, die Schlacht von Worringen war bedeutsam für die Geschichte der Stadt Köln, aber noch viel mehr für die Historie des Königreichs Belgien. Nein, Graf Adolf hat Düsseldorf mit den Stadtrechten nicht belohnt, das winzige Örtchen aber durch die Stadterhebung überhaupt erst auf die Landkarte gebracht.
Ein Kommentar
Danke, sehr interessant.