Bevor wir uns der Eingangsfrage widmen, sind ein paar Dinge klarzustellen. So muss dringend zwischen den Eingeborenen des Domdorfs und Immis unterschieden werden. Als ächter Kölner gilt, wer einer Familie entstammt, die einen Platz auf dem Melatenfriedhof hat sowie die Nachkommen der Industriearbeiter von Ford, Deutz und Felten & Guilleaume. Auch die Kölschbraudynastien zählen dazu, obwohl deren Vorfahren vorwiegend aus der Eifel und dem bergischen Land stammten. Dieser native Kölner ist eigentlich harmlos. Ein bisschen einfältig vielleicht und vor allem ungeheuer gefühlsselig. Da er zudem keinen Alkohol verträgt, wird er schnell betrunken und wälzt sich dann meist im Selbstmitleid. Die Zugewanderten, also rund 95 Prozent derjenigen, die Köln als Wohnort im Perso tragen, verstehen das mehrheitlich miss und versuchen, den Original-Kölner zu imitieren. Die ganzen Immis, vor allem die aus der Medienbranche, verstehen vor allem die Käbbeleien zwischen ächten Kölner und ächten Düsseldorfern völlig falsch und versuchen, Street Credibility anzuhäufen, indem sie besonders hasserfüllt auf uns schimpfen. Denn eigentlich verbindet die Bürger Kölns eine alte Freundschaft mit den Fischern und Bauern von Düsseldorf. Und trotzdem hacken Kölner jeder Geschmacksrichtung immer wieder gern auf uns Düsseldorfern herum? Warum?
Die Antwort ist simpel: Es ist der blanke Neid. Ja, tatsächlich, Kölner sind zu einem erheblichen Prozentsatz neidisch auf Düsseldorf und die Düsseldorfer, und das hat historische Ursachen, die gar nicht so weit in der Vergangenheit liegen. Jedenfalls nicht so weit wie manche denken, die den Ursprung der unstrittig existierenden Rivalität im Jahr 1288 in den Tagen der Schlacht von Worringen verorten. Das Gegenteil ist der Fall. Am Ende des 13. Jahrhunderts war Köln eine echte Metropole, in den europäischen City-Charts deutlich in den Top 20. Düsseldorf dagegen war kaum ein Dorf mit seinen maximal 200 Anwohnern, die sich vom Fischfang und dem Beklauen der Bauern in Gerresheim, Flingern und Bilk ernährten – allesamt Ortschaften, die damals deutlich größer und bedeutender waren; von Kaiserswerth und Benrath ganz zu schweigen. Der Anlass der Schlacht war ziemlich komplex; im Zentrum der Erzbischof von Köln, den die Kölner Bürger ablehnten, weil er sie schlecht behandelte.
1288: Die Schlacht von Worringen
Ähnlich wie heute war solch ein Erzbischof damals nicht wirklich Geistlicher, sondern Herrscher. Damals tatsächlich mit weltlicher Macht ausgestattet, heute eher graue Eminenz mit Richtlinienkompetenz für den Klüngel. Jedenfalls mischte sich Erzbischof Siggi in einen Erbstreit ein, an dessen Ende der Herzog von Brabant, dä Hännes, so mächtig geworden wäre, dass es die Macht von Köln hätte beschneiden können. Jetzt kommt unser Graf Adolf von Berg ins Spiel, der noch am ehesten Anspruch auf das limburgische Erbe hatte. Plötzlich waren dä Hännes und dä Adolf Brothers in arms und dadurch Feinde vom Erz-Siggi. Der suchte sich nun Buddies, die ihm helfen könnten, die Macht des Erzbistums zu konservieren (was wiederum den Kölner Bürgern gegen den Strich ging). Rasch hatte er den Luxemburger und den Rainald aus Geldern hinter sich, die auf ihrem Weg nach Worringen alles dienstverpflichteten, was nicht bei drei auf dem Baum war. Der brabantische Hännes hatte nicht nur den Graf Adolf an seiner Seite, sondern jede Menge niederrheinischer Gräfchen sowie alles, was zu Berg-Mark, also dem bergischen Land zählte.
Liebe Düsseldorfer, ihr müsst jetzt ganz tapfer sein: Nein, die allerschönste Stadt am Rhein ist eigentlich gar keine rheinische Stadt. Im Ernst: Düsseldorf ist über alles betrachtet die Hauptstadt des bergischen Landes, und ethnisch-kulturell gesehen haben ächte Düsseldorfer mehr mit den bergischen Burenköppen zu tun als mit den falschfröhlichen Rheinländern, schon gar nicht den dumpfen Niederrheinern. Deutlich wird das an den ziemlich drastischen Unterschieden zwischen der rheinischen und der Düsseldorfer Mundart. Außerdem neigen die Insassen der ganz alten Düsseldorfer Familien – ähnlich wie die bergischen Bauern – mehr zur Schwermut und zum Granteln und nicht so sehr zum Manisch-Depressiven wie beispielsweise der rheinische Kölner.
Das komplette Bauernpack aus dem bergischen Land zwischen Velbert und Bergisch Gladbach, begrenzt vom Rhein im Westen und nach Osten ins Sauerland übergehend wurde rekrutiert, unter anderem auch die paar Fischer und Farmer aus Düsseldorf. Letztere haben nach verschiedenen Quellen in einem Heer 2.500 Mann Fußvolk eine Gruppe von vielleicht 50, maximal aber 100 Kerlen gestellt. Wer angesichts dieser Zahlen davon spricht, „die Düsseldorfer“ seien „den Kölnern zur Hilfe gekommen“, unterliegt einem historischen Irrtum. Man darf es sich auch nicht so vorstellen, dass die Düsseldorfer Jonges vor dem Eintritt in das Heer vom Graf Adolf ne Uniform und ne Waffe bekommen hätten. Nein, die liefen im Räuberzivil auf, bewaffnet mit dem, was man als Bauer und Angler so im Schrank hat.
1288: Die Stadterhebung
Gehen wir mal davon aus, dass kein Kölner vor 1288 jemals etwas von einer Ansiedlung namens Düsseldorf gehört hat. Wir können aber auch annehmen, dass selbst nach der Schlacht von Worringen jeder kölsche Tünnes gefragt hätte: Düsselwas? Man kann davon ausgehen, dass Köln seit der Entstehung von Colonia Agrippina, dem größten römischen Truppenbordell jener Zeit, nie weniger als 30.000 Einwohner hatte. Und damit ist das Köln gemeint, das sich noch nicht durch Zwangseingemeindungen unschuldiger Nachbarorte zum Scheinriesen gemacht hatte. Im 13. Jahrhundert war Düsseldorf für Kölner ungefähr das, was heute Dilldorf (Dillwas?) für uns ist. Und daran änderte auch nichts, dass Graf Adolf das Fischernest südlich von der Metropole Kaiserswerth zur Stadt erhob.
Wer immer noch glaubt, der Graf habe den Düsseldorfern „aus Dankbarkeit“ für das Mitwirken an der Schlacht von Worringen die Stadtrechte verliehen, verkennt die wahren Gründe. Dem Grafen von Berg, der abgelegen in den Hügeln hinter der Wupper hauste, brauchte dringend eine geostrategisch besser Lage, am besten eben am Rhein. Also wurde das winzige Dörflein an der Mündung der Düssel wenige Jahrzehnte nach der Schlacht befestigt mit Mauern und Graben – und bekam einen Zollhafen. Das alles juckte die Kölner nicht im Mindesten. Jedenfalls nicht für die kommenden 100 Jahre. Erst 1386 zog der Nachfolger vom Graf Adolf, der Willi, mit seiner Gattin Anna von Schloss Burg nach Düsseldorf um. Und zwar direkt an die Rheinpromenade, wo heute noch der Schlossturm an den Standort des ersten herzoglichen Schlosses erinnert.
15. und 16. Jahrhundert: Kleine Reibereien
Immer noch verschwendete kein Kölner auch nur einen Gedanken an diese Emporkömmlinge im Norden. Das änderte sich allmählich mit der wachsenden politischen und wirtschaftlichen Bedeutung Düsseldorfs. Die bergischen Herzöge waren geschickt darin, Ehen zu stiften und arrondierten so ihre Machtzone, indem sie sich mit den Herzogtümern Kleve und Jülich zusammentaten und so bald den kompletten Niederrhein bis kurz vor der Kölner Stadtgrenze beherrschten. Nach und nach kamen kleinere Ministaaten dazu, und der Einfluss der in Düsseldorf regierenden Herzöge nahm zu. Das dokumentierte man unter anderem mit einer der prunkvollsten Hochzeiten des ganzen 16. Jahrhunderts weit und breit. Der Erbprinz Johann Wilhelm (nicht zu verwechseln mit dem verehrten Jan Wellem!) heiratete aus politischen Gründen die Jakobe von Baden, die in Düsseldorf sehr, sehr unglücklich wurde, vermutlich ermordet wurde und bis heute im Schlossturm spukt.
Zwar kam es in diesen zweihundert Jahren nie zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Köln und Düsseldorf, aber zu vielen mehr oder weniger großen Streitigkeiten über Gebietsgrenzen, Schifffahrtsrechte und Zölle, wobei die damals Düsseldorf in Größe und Bedeutung überlegene Stadt Neuss oft den Puffer bildete. Der wirtschaftliche Aufstieg Düsseldorfs war den Kölnern ein Dorn im Auge wie die Stadtoberen der Metropole ohnehin ständig versuchten, die wirtschaftliche Konkurrent kleinzuhalten und auch vor unfairen Mitteln (Zerstören von Fähren, Abfackeln von Zollstationen etc.) nicht Halt machten.
17. Jahrhundert: Die Blütezeit unter Jan Wellem
Tatsächlich aber war das Fürstenhaus zu der Zeit so gut wie pleite, und die Hofbeamten, die das Herzogtum de facto an Stelle des ewig kranken, geistig verwirrten und vermutlich impotenten Herzogs führten, dachten sich verschiedene Maßnahmen aus, Geld reinzuholen. Nichts klappte, und dann kam ein neuer Erbstreit hinzu. Der endete damit, dass das Herzogtum Jülich-Berg dem Hause Pfalz-Neuburg zugeschlagen wurde und das war ein extremer Glücksfall für die Düsseldorfer. Denn der ab 1698 regierende Johann Wilhelm behielt Düsseldorf als Residenz bei und wurde als Jan Wellem zu dem Fürsten, der aus dem zwar befestigten, aber ziemlich schmucklosen Städtchen eine blühende Barockmetropole machte – mit tatkräftiger Hilfe der wunderbaren Anna Maria Luisa de’ Medici, der wir es bis auf den heutigen Tag zu verdanken haben, dass unsere schöne Stadt am Rhein seit über 300 Jahren ein Zentrum von Kunst, Musik und Mode ist.
Im zweiten Teil schauen wir uns an, ob und wie die Kölner auf den Aufschwung Düsseldorfs im 17. Jahrhundert reagierten und wie sich die beiden Städten im 18. Jahrhundert und bis zum Ende der Weimarer Republik zueinander verhielten.
Und hier geht es zu den anderen Folgen unserer kleinen Serie:
3 Kommentare
Toller Artikel, Rainer! Warte gespannt auf die Fortsetzungen!
Danke, insbes. auch für die Klarstellung, die mir in Düsseldorf sonst nie geglaubt wird, dass Düsseldorfer keine Rheinländer sondern Bergische sind (und bis zum Umzug der Grafen von Berg nach Düsseldorf aus Schloss Burg an der Wupper (heute Solingen) regiert wurden).
Wir haben doch gar nichts gegen Euch.
Ich glaub ja, der Düsseldorfer reibt sich seit jeher gern an der größeren Stadt,
das erzeugt ein bisschen Aufmerksamkeit.
Auf friedliche Koexistenz und mit Grüßen in die Landeshauptstadt aus dem hillijen Kölle!