DA! Düsseldorfer Aufklärungsdienst: Ich halte eine kleine, sorgfältig gestaltete Hochglanzbroschüre mit vielen Fotos in der Hand. Gleich auf der zweiten Seite ist ein kirchlicher Würdenträger abgebildet, der die Maxime des evolutionären Humanismus auf einer überdimensionalen Gedenktafel studiert. „Gegen kirchlichen Widerstand wurden durchgesetzt […] Religionsfreiheit, Menschenrechte, Frauenemanzipation, […].“ Was der Kirchenmann sieht, gefällt ihm offensichtlich nicht. Mit der langen Nase und dem rosig glänzenden Kopf erinnert er deutlich an die Figuren von Jaques Tilly auf den Düsseldorfer Karnevalwagen. Sein beleidigt wirkender Kommentar: „Ok, ok! Aber das Patentrecht für Nächstenliebe liegt immer noch bei uns!“
Ralf König und Jaques Tilly – im Dienste der Vernunft
Der DA! ist eine Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung, die sich als Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung bezeichnet. Viele renommierte Wissenschaftler, Philosophen und Künstler – unter ihnen Jaques Tilly und Comic-Zeichner Ralf König – haben sich ihr angeschlossen. Sie halten Vorträge und veranstalten wissenschaftliche Diskussionen rund um Fragen der humanistischen Aufklärung.„Warum wir ‚Aufklärungsdienst‘ heißen?“ Ricarda Hinz ist Beirat des DA!. „Aufklärung heißt ‚Glaube an die Vernunft‘. Die meisten Menschen wissen das nicht. Sie tippen eher auf sexuelle Aufklärung.“ Sie lächelt. „Das gehört vielleicht mit dazu, obwohl wir mit dem Namen eigentlich folgendes sagen wollen: Solange es einen Gottes-Dienst gibt, muss es auch einen Aufklärungs-Dienst geben.“ Die Giordano-Bruno-Stiftung werde häufig, so fährt sie fort, auf ihre Kirchenkritik reduziert. Sie wolle die Religion abschaffen. Das sei aber nicht richtig. „Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Jeder hat das Recht auf seinen Glauben. Egal wie rational oder irrational er sein mag. Wir sind nur gegen jegliche Vermischung von Politik und Glauben.“
Wir haben abgeschworen! Ex-Muslime outen sich
Eine spektakuläre Aktion der Giordano-Bruno-Stiftung war und ist die Gründung des Zentralrates der Ex-Muslime. Unter dem Slogan „Wir haben abgeschworen!“ (In Anlehnung an die Aktion des Stern in den Siebzigerjahren: Wir haben abgetrieben!) outen sich bekannte Persönlichkeiten. „Eine höchst gefährliche Angelegenheit. Im Rahmen einer islam-kritischen Vortragsreihe war Seyran Ates, die Begründerin einer Berliner Moschee, zu Gast in Düsseldorf; in Begleitung von fünf Polizisten als Personenschutz.“
Der DA! wolle dem Zweifel Raum geben, erläutert Ricarda Hinz weiter. Ein gläubiger Mensch hinterfrage sein Weltbild nicht. Auch dann nicht, wenn es jeglicher wissenschaftlichen Logik entbehre. „Die Kirche ist immer noch mächtig,“ fährt sie fort. „Mächtiger als die meisten annehmen. Zum Beispiel der Abtreibungsparagraph: Viele glauben, er sei abgeschafft. Das stimmt nicht. Das gleiche gilt für Ärzte, die Sterbehilfe anbieten. Das ist verboten und wird bestraft.“
Die Evolution – Wir rollen den roten Teppich aus
Unser Gespräch findet anlässlich der Ausstellung „Nichts gibt Sinn – außer im Licht der Evolution“ im Düsseldorfer Ballhaus statt. Ein langer roter Teppich, der die Entwicklungsgeschichte der Erde veranschaulichen soll, schmückt den ansonsten kahl wirkenden, beidseitig durch hohe Fenster erhellten Saal. Weiße Klebebänder markieren die einzelnen Entwicklungsstufen und verweisen auf Schaubilder rechts und links an den Wänden. „Der Sauerstoff kommt in die Welt.“ (2.500 Mio. Jahre / 12,50 Meter auf dem Teppich); die Mehrzeller (560 Mio. Jahre / 2,80 Meter); die ersten Säugetiere (200 Mio. Jahre / 1 Meter); der Homo erectus (7 Mio. Jahre / 3,5 cm); der moderne Mensch (200.000 Jahre / 1 mm).Olaf Zuber und sein Kollege führt im Stundentakt Schulklassen durch die Ausstellung. Spätestens nach dem Film Evo-Kids sind die Kinder schwer beeindruckt. Alle diese unterschiedlichen Wesen sind mit uns verwandt! Die Römische Oma – vor 2000 Jahren (nicht mal ein Zentimeter auf dem Teppich!), der Orang Utan, die Dinosaurier, die Spitzmaus (Ursprung aller Säugetiere), der Krebs, der wirbellose Mehrzeller, die Einzeller. All das sind unsere Verwandten.
Unsere römische Oma – unsere Oma Spitzmaus
„Gestern hatte wir Kinder aus der 10. Klasse. Das ist viel zu spät, um Verständnis für so ein komplexes Thema wie die Evolution zu wecken. Speziell Kinder mit muslimischem Hintergrund wollen von ihrer tierischen Verwandtschaft gar nichts wissen. Sie halten das für eine ausgemachte Lüge.“ Olaf Zuber zuckt bedauernd mit den Achseln. „Aber auch mehr oder weniger christlich erzogene Kinder sollten viel früher mit den wissenschaftlichen Fakten der Evolution konfrontiert werden.“„Wir versuchen den Kindern zu vermitteln, dass der Mensch in unzähligen Zwischenstufen seine Lungen entwickelte. Weil es Sauerstoff gab. Das überrascht nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene.“ Er hat Recht. Auch ich habe bisher vielleicht etwas anders gesehen. „Kinder aus der 3. oder 4. Klasse dagegen sind neugierig. Wenn wir die am Ende fragen, wie man denn mit seinen ‚großen und kleinen Verwandtschaft‘ umzugehen habe, dann sagen sie sofort ‚vorsichtig‘, ‚freundlich‘ und vor allem ‚rücksichtsvoll‘.
2 Kommentare
In der heutigen Zeit sollte das Licht der Aufklärung noch viel heller in die Öffentlichkeit scheinen.
Ein sehr schöner Artikel!
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