Pünktlich um 11 Uhr heute ging’s los mit dem rheinischen Karneval der Session 2019/20. Auf dem Heumarkt in Köln präsentierte sich vor einer riesigen, schon wild feiernden Menschenmenge das neue Dreigestirn, und in Düsseldorf kletterte der Hoppeditz auf dem Marktplatz aus seinem Senftopf („Mostertpöttchen“) um seine berühmt-berüchtigte Rede zu halten. Auch wenn der Start der Session erst seit weniger als 100 Jahren am Elften im Elften im Rheinland so gefeiert wird, ist den rheinischen Karnevalisten die Zahl 11 auch so heilig – was man nicht zuletzt auch daran merkt, dass den Sitzungen des Saalkarnevals jeweils ein Elferrat vorsteht.
Dass die ELF eine solche Bedeutung für die Jecken hat, erklärt sich aus drei unterschiedlichen Quellen. Die Narrenzahl 11 gilt in unserer Kultur als unperfekte Zahl, ganz im Gegensatz zur 12, die geradezu die Basis für die christliche Zahlenmystik darstellt. Zwölf Jünger umgaben den Herrn Jesus Christus und verkündeten nach seiner Himmelfahrt als die zwölf Apostel seinen Glauben. Wobei das Zwölfersystem sogar älter ist; die römischen Zahlen beruhen beispielsweise auf diesem Duodezimalsystem. Aus dieser Wurzel stammen die 12 Monate und Sternkreiszeichen. Die ganze lange Tradition des Karnevals hat ja immer etwas mit dem Ausbrechen zu tun, an den tollen Tagen kann man mal die „Fünfe gerade sein lassen“. Da wird’s wild, und die normalen Regeln von Anstand und Schönheit gelten nicht mehr. So wie die 12 also die vollständige Zahl ist, so ist die 11 eben die unperfekte Narrenzahl.
Was wir heute unter dem rheinischen Karneval verstehe, entstand ungefähr in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts, also in der Zeit, in der Europa die Folgen der Französischen Revolution und der Napoleonischen Eroberungszüge auszubaden hatte. Die verschiedenen Bewegungen in Richtung auf einen Nationalstaat, auch in Deutschland, bezogen sich dabei auf diese bürgerliche Revolution und ihr Motto: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – im Original: Egalité, Liberté und Fraternité, abgekürzt ELF. Und weil der damals entstehende moderne Karneval a) eine Sache des Bürgertums war und b) sich b) im Rheinland gegen die französische (und später preußische) Obrigkeit wandte, wurde die Abkürzung ab etwa 1870 als Zahl interpretiert und von den Karnevalisten adoptiert.
Gerade der kölsche Karneval war von Beginn seiner organisierten Form an auch im Widerstand gegen das Militär, das grundsätzlich als Besatzung verstanden wurde. Während man sich in Düsseldorf zunächst mit den Franzosen gut und später mit den Preußen ganz gut arrangiert hatte, konnte und wollte sich das Bürgertum der uralten Weltmetropole nicht damit abfinden, dass fremde Offiziere das Sagen hatten. Weil es aber auch wieder nicht so schlimm war, dass man Aufstände hätte inszenieren müssen, verlegte man sich darauf, das Militär nach Kräften zu verspotten. Die meisten alten Gesellschaften des Kölner Karnevals sind darum Parodie auf alles Soldatische. Und weil dieses Soldatische ja immer auf Ordnung beruht, wählte man die unordentliche Zahl 11 als zusätzlichen Ausdruck des Antimilitärischen.
Dass der 11. November ein ziemlich passendes Datum für den Karnevalsbeginn ist, fanden die Düsseldorfer, die ja traditionell viel stärker im Saal- und Sitzungskarneval unterwegs sind. Denn so konnte man ab Mitte November die Bälle (Wie die legendäre Malkasten-Redoute) schön über Wochen und den Winter verteilt bis zu den eigentlichen Karnevalstagen feiern. Und gleichzeitig der 11 Tribut zollen. In diesem Sinne: Helau und Alaaf!