Ganz großes Theater mit viel Donner und einer furiosen Schauspielerleistung: Dorian.

Bericht · Es blitzt und donnert, knallt und kracht auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses. Ein akustisches Unwetter prasselt aufs Publikum, Hunde bellen. Es regnet verzweifelte, anklagende, drohende, flehende Texte abwechselnd in undurchdringliche Schwärze und in chaotische Kulisse eines Maler-Ateliers, das in fahlem Licht wie ein gruseliger Indoor-Friedhof wirkt. Donner und Dorian. Schauer übern Rücken. Hier ist Robert Wilson am Werk. Weltbekannt für seine Inszenierungen, in Düsseldorf ist „Dorian“ nach „Sandmann“ und „Dschungelbuch“ die dritte. [Lesezeit ca. 3 min]

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Konzept, Regie, Bühne und Licht: alles macht und kann Theater-Tausendsassa Wilson mit ganz viel Liebe zum Detail. Beispiel: Ein weißer Handschuh zum schwarzen Outfit ist viel mehr als zwei weiße Handschuhe. Der Meister versteht es immer wieder, mit minimalistischen Andeutungen beim Zuschauer Bilderwelten auszulösen.

Dorian: Text von Darryl Pinckney nach Motiven von Oscar Wilde; aus dem Englischen von Konrad Kuhn; Uraufführung am 9. Juni 2022 — Schauspielhaus, Großes Haus; eine Produktion des Düsseldorfer Schauspielhauses in Koproduktion mit dem National Kaunas Drama Theater und dem Staatsschauspiel Dresden. Weitere Aufführungen: Mi, 14.09. / 19:30 – 21:00; So, 18.09. / 18:00 – 19:30; So, 02.10. / 18:00 – 19:30; So, 13.11. / 18:00 – 19:30; Sa, 03.12. / 19:30 – 21:00; Fr, 16.12. / 19:30 – 21:00; Karten im Online-Shop.

Der Text von Darryl Pinckney nach Motiven von Oscar Wilde passt wie maßgeschneidert zu Wilsons Bildern wie ein Anzug aus der Londoner Savile Row. Ein guter Stoff, verarbeitet mit Zitaten aus dem Briefwechsel mit Wildes Geliebten Alfred Douglas und Anspielungen auf den britischen Maler Francis Bacon.

Dorians Werke - ein beeindruckendes Bühnenbild (Foto: Lucie Jansch)

Dorians Werke – ein beeindruckendes Bühnenbild (Foto: Lucie Jansch)

„Dorian“ ist Solostück für einen furiosen Darsteller: Christian Friedel ist mehr als Einer, Maler und Modell, Geliebter und Gockel, immer wieder „an Alley Cat“, ein elegant-räudiger Straßenkater, der faucht, steppt, sich lasziv selbst über die Schulter schaut und noch in höchsten Tönen unterm Schnürboden schnurrt. Wie heißt es doch so schön an einer Stelle: „Ich vergrößere den Raum, in dem ich bin, indem ich einfach in dem Raum bin, in dem ich bin.“ Mehr Selbstinszenierung geht nicht.

Besetzung: Dorian: Christian Friedel; Konzept, Regie, Bühne, Licht: Robert Wilson; Kostüm: Jacques Reynaud; Originalkomposition: Woods of Birnam; Ko-Regie: Ann-Christin Rommen; Ko-Bühnenbild: Stephanie Engeln; Ko-Lichtdesign: Marcello Lumaca; Video: Tomasz Jeziorski; Make-Up-Design: Manu Halligan; Ko-Kostüm: Louise B. Vivier; Sound-Design: Torben Kärst; Dramaturgie, musikalische Beratung: Konrad Kuhn; Dorians Schatten: Jeremia Franken; Stimme im Radio: Darryl Pinckney

Aber Dandy Dorian Gray wollte bekanntlich noch mehr, nämlich nicht altern. Solch widerwärtigen Prozess delegierte der nach ewiger Jugend und Schönheit Lechzende lieber an sein von einem Künstler geschaffenes Ebenbild. Das endet bekanntlich in einem hässlichen Plot. Wie man wirklich jung bleibt, nämlich in seinem eigenen Werk, zeigt in Düsseldorf einmal mehr der 80-jährige Robert Wilson, vor dem sich das Düsseldorfer Publikum mit frenetischem Applaus erhebt.

Doppelte Empfehlung: Oscar Wilde wiederlesen und Robert Wilson nochmal gucken. Die Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling zeigt parallel zu den Aufführungen von „Dorian“ im Zusammenhang mit der Inszenierung entstandene Werke.

 

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