Militärisch ging es ganz schön hin und her in Düsseldorf zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert…
Lesestück · Als die Bundesrepublik im Jahre 1956 die allgemeine Wehrpflicht beschlossen hatte und ab 1957 die ersten Wehrpflichtigen zur Bundeswehr einberufen wurden, hieß es bei den Älteren oft über einen Eingezogenen: „Oh je, jetzt muss er zu den Preußen.“ Was klarmacht, dass für uns Rheinländer alles Militärische zunächst einmal preußisch und damit wesensfremd ist. Tatsächlich waren es die Preußenkönige, die Düsseldorf nach der Niederlage Napoleons ab 1815 zu einer der wichtigsten Garnisonsstädte in der sogenannten „Rheinprovinz“ machten. Zuvor hielt sich die Anzahl an Berufssoldaten in der Stadt immer in engen Grenzen, und erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es so etwas wie eine erste Kaserne. Heute streiten sich die Verantwortlichen darum, was aus den ehemaligen Bundeswehrkasernen auf dem Stadtgebiet werden soll, denn Düsseldorf ist seit rund 20 Jahren praktisch entmilitarisiert. [Lesezeit ca. 6 min]
Unterstützt TD! Dir gefällt, was wir schreiben? Du möchtest unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Unterstütze uns mit dem Kauf einer Lesebeteiligung – und zeige damit, dass The Düsseldorfer dir etwas wert ist.
In der Geschichte des Rheinlandes und des Großherzogtums Berg (bekanntlich gehört Düsseldorf kulturell eher zum Bergischen als zum Rheinland…) ging es über 600 Jahre immer darum, zu welcher Großmacht man halten solle – wenn überhaupt. Dem kurpfälzischen Herzog Wolfgang Wilhelm, der in der Stadt viel zu wenig bekannt ist und geehrt wird, gebührt das Verdienst, das von ihm regierte Territorium inklusive der Stadt Düsseldorf aus den Kriegswirren des späten 16. und des gesamten 17. Jahrhunderts herauszuhalten. Rein geografisch hätte schon der Achtzigjährige Krieg (1568 bis 1648), bei dem es um die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien ging, unsere Region betreffen können.
Wolfgang Wilhelm, der den größten Teil seines Lebens in Düsseldorf verbrachte und über ein einigermaßen zersplittertes Territorium herrschte, gelang es, seinen Staat für neutral zu erklären. Viel wichtiger wurde das im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648), in dem die Fronten nie ganz klar waren und der eigentliche Grund des Krieges auch nicht. Heimlich zum Katholizismus konvertiert lavierte der Herzog zwischen den Mächten und erreichte es, dass die Stadt selbst beinahe vollständig vom Krieg verschont blieb, ohne je militärisch eingegriffen zu haben. Tatsächlich begründete er erst 1615 eine kleine Garnison mit einem winzigen „stehenden Heer“ von gerade einmal dreihundert Mann. Dass überhaupt Militär in die Stadt kam, führte übrigens zu einer der größten Katastrophen in der Geschichte Düsseldorfs: Am 10. August 1634 explodierte aufgrund von Blitzschlag der Pulverturm am Nordwestende der Stadtmauer und legte weite Teil der Stadt in Schutt und Asche.Die Befestigung der Stadt hatte sich von der Stadterhebung anno 1288 über mehr als 300 Jahre hingezogen und war erst Ende des 16. Jahrhunderts soweit abgeschossen, dass ein System aus Mauern, Türmen und Gräben Düsseldorf halbwegs schützte. Die Verteidigung oblag allerdings nur Freiwilligen, den Vorfahren unserer heutigen Schützenvereine. So ganz unbeschadet überstand die Stadt den Dreißigjährigen Krieg und die folgenden Unruhen nicht. Ab 1639 besetzten kaiserliche Truppen die Stadt für drei Jahre, und der Herzog wurde gezwungen die Besatzer zu alimentieren. 1646 kam es dann zum Überfall durch Brandenburger Truppen, die es bis kurz vor die Befestigungsanlagen schafften. Die paar Soldaten konnte nicht mehr tun, als die Stadtmauer und Wallanlagen zu schützen.
Herzog Philipp Wilhelm, Wolfgangs Nachfolger, ließ ab den 1660er-Jahren die Stadtbefestigung verstärken und modernisieren. Die Bebauung der Zitadelle wurde fortgesetzt, das Rheintor im militärischen Sinne umgebaut und eine neue Bastion nördlich vom Schloss vor der dortigen Stadtmauer angelegt. Die Mauer vor der neuen Bastion wurde abgerissen und auf einem Teil des neuen freien Bereiches zwischen Bastion und Stadt baute man die Reuterkasernen und das Zeughaus. Eine Zeit relativen Friedens begann, die unter der Ägide von Johann Wilhelm, den wir alle als Jan Wellem kennen, zur ersten Blüte der Stadt kam, eine Zeit, in der alles Militärische eine untergeordnete Rolle spielte. Und das, obwohl er ein kleines, optimal ausgebildetes und bestens verwaltetes Heer begründete, das allerdings während seiner Amtszeit von 1690 (ab 1693 in Düsseldorf residierend) bis 1716 nie an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt war. Und dann kamen die Franzosen. Im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) kämpfte eigentlich jeder gegen jeden. Alle europäischen Großmächte – also Preußen, Frankreich, Großbritannien und Österreich – versuchten, ihren jeweiligen Machtbereich auszudehnen. Kurfürst Karl Theodor wurde zum Verbündeten des Kaisers gegen Preußen, die bei der Schlacht bei Krefeld (17. bis 28. Juni 1758) gewannen und in Richtung Düsseldorf marschierten. In der dortigen Garnison waren sowohl eigene, als kurpfälzische Truppen, als auch französische stationiert – das hatte sich beim Koalitionsgeplänkel so ergeben. Die mit Preußen verbündeten Hannoveraner begannen die Stadt vom linksrheinischen Ufer aus zu beschießen und sorgten für erhebliche Schäden im Nordwesten Düsseldorfs. Auf Befehl des Kurfürsten zogen sich die Verteidiger zurück und überließen die Stadt den Angreifern kampflos. Und wieder ging es hin und her: Schon im August des Jahres vertrieben französische Truppen die Hannoveraner, übernahmen die Garnison und blieben bis März 1763 in der Stadt. Nach deren Abzug über den Rhein und der Einrichtung einer kleineren Stellung bei Neuss, die über dreißig Jahre bestehen blieb, war Düsseldorf de facto entmilitarisiert. Nur wenigen bayerisch-kurpfälzische Soldaten sorgten für den Erhalt der Befestigungsanlagen. Im Zuge der Revolutionskriege hatten die Franzosen aber ein Auge aufs ganze Rheinland geworfen, und am 5. Oktober 1794 beschossen sie gegen Mitternacht vom linken Rheinufer aus die Stadt. Die Kurpfälzer und Bayern wehrten sich nicht. Im Gegenteil: Sie löschten nicht einmal die ausgebrochenen Feuer, sondern begannen zu plündern und nahmen auf ihrer Flucht alles mit, was wertvoll war. Es blieb zunächst bei dem kurzen Beschuss. Um nicht wehrlos zu sein, wurde ein kleines Kontingent von nur 1.027 wehrfähigen Männern zur Verteidigung ausgehoben, das im April 1795 einrückte. Ohne viel Mühe überquerten die Franzosen im August den Rhein, und am 6. September 1795 gab der pfälzische Kommandant die Stadt auf. Nun war Düsseldorf wieder französisch und musste den Besatzern Soldaten stellen, die auch an Napoleons Feldzügen teilnahmen, und von denen gut zwei Drittel dabei umkamen. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig war das napoleonische Reich zusammengebrochen. Das aus strategischen Gründen von den Franzosen zum selbstständigen Staat außerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gemachte Großherzogtum Berg fiel an Preußen, das sofort begannen, aus Düsseldorf wieder eine Garnisonsstadt zu machen. So richtig hatten es die Düsseldorfer mit ihrer Jan-Wellem-Vergangenheit und ihrer lockeren, zivilisierten Haltung weder mit den Preußen, noch mit dem Militär. Nur dank diverser Image-Kampagnen der jeweils leitenden Offiziere wurden die Soldaten und ihre Offiziere in der Stadt anerkannt, und ab etwa 1848 kam es sogar zu Ehen zwischen preußischen Militärs und Düsseldorfer Bürgertöchtern. Drei Verbände lagen nun in Düsseldorfer Kasernen: das 5. westfälische Ulanen-Regiment, das 11. Husaren-Regiment und das Niederrheinisches Füsilier-Regiment Nr. 39. Die größte Kaserne stand außerhalb der alten Stadtbefestigung östlich der Carlstadt etwa da, wo heute die Kasernenstraße(sic!) verläuft, der große Exerzierplatz lag ungefähr da, wo heute die Königsallee ist.[Im zweiten Teil geht es im Detail um die Zeit der Preußen in Düsseldorf, um den ersten und den zweiten Weltkrieg und seine Auswirkungen auf die Stadt.]