Ja, werden sich manche fragen, wie kann man denn Margarethe von Trotta, die große Regisseurin, zu den Düsseldorfer Gesichtern zählen? Gute Frage, schwache Antwort: Weil Margarethe eben doch ein paar Jahre in der schönsten Stadt am Rhein gelebt hat. Vielleicht auch, weil sie ein typisches Opfer der Erziehung von Mädchen durch Diakonissen im Kaiserswerth der Fünfzigerjahre ist. Ob und in welchem Maße also Düsseldorf irgendeinen Einfluss auf ihr Leben und Wirken hat, ist ungewiss. Dass wir sie aber einfach eingemeinden, hat mit ihrer bedeutenden Rolle für den deutschen Film zu tun.

Ihre Lebensgeschichte ist abenteuerlich und am Ende sogar selbst Stoff für ein Biopic. Das Gute ist, dass sie selbst über die Stationen ihres Lebens gern, ausführlich und immer interessant Auskunft gegeben hat. Geboren wurde sie 1942 in Berlin. Ihre Mutter, Spross eines baltisch-deutschen Adelsgeschlechts, war vor der Revolution aus Moskau geflohen und galt so nach dem damaligen Recht als staatenlos. Der Vater war durchgehend abwesend. Tatsächlich erhielt sie erst 1964 durch die Ehe mit dem Verleger Möller die deutsche Staatsbürgerschaft.

Kindheit: Staatenlos, vaterlos, mittellos

Die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte sie mit der Mutter im zunehmend zerstörten Berlin in bitterer Armut. 1948 kamen beide dann bei Verwandten in Bonn unter. Als dann der Onkel, der sie beherbergt hatte – und übrigens kurz danach der Vater – starben, mussten sie gehen. Und landeten in Kaiserswerth. Nach allem, was sie so erzählt, war Margarethe ein wildes, freches Mädchen, das sich beim Klettern, Rennen und Toben am liebsten mit den Jungs maß. Und diese Eigenschaften behielt sie auch in Düsseldorf bei; wir können uns Margarethe gut als radschlagendes Pänz in Düsseldorf vorstellen.

Ein Begabtenstipendium brachte ihr einen Internatsplatz im Theodor-Fliedner-Gymnasium ein, das von den strengen protestantischen Diakonissen betrieben wurde und als Lehranstalt für höhere Töchter galt – typisch Kaiserswerth, also. Da passte die staatenlose, vaterlose, mittelose Margarethe nicht so recht hin und musste über die ganzen acht Jahre dort verschiedene Arten von Mobbing ertragen. Der Vater hatte sich gewünscht, sie hätte sein künstlerisches Talent geerbt, aber es zog sie mehr zu Tanz, Theater und Film. Nach der mittleren Reife besuchte sie zwei Jahre lang die Höhere Handelsschule an der Bachstraße; das Abitur holte sie 1960 am Theodor-Fliedner-Gymnasium nach, um dann – ganz im Sinne des Vaters – ein Studium an der Kunstakademie zu beginnen, das sie aber bald abbrach.

Plakat zum Film "Tränen trocknet der Wind" von 1967 - ihr erste Hauptrolle

Plakat zum Film „Tränen trocknet der Wind“ von 1967 – ihr erste Hauptrolle

Da war sie schon Filmleuten begegnet und von dieser Kunst infiziert. Auch ein Studium der Germanistik und Romanistik brach sie ab, um dann auf die Schauspielschule zu gehen. Sie heiratete den Verleger Möller, bekam den Sohn Felix und spielte 1967 ihre erste Hauptrolle in einem ziemlichen Schmachtfetzen mit Seemannsromantik. Wir müssen uns Margarethe von Trotta als hochintelligente Frau mit starkem Willen vorstellen, die nach eigenem Bekunden ihr Leben lang den Wettbewerb mit Männern gesucht hat. Dass eine solche Haltung im Filmgeschäft überhaupt erst Ende der Sechzigerjahre ansatzweise toleriert wurde, machte die Sache nicht einfacher.

Die Schauspieler wird Regisseurin

Dann spielte sie bei Fassbinder und begegnete Volker Schlöndorff, den sie 1971 heiratete. Über beinahe zwei Jahrzehnte war das Paar ein Team gleichberechtigter Partner; sie lernte von Volker, er profitierte von ihrem wachen Geist. Und bald wurde klar, dass Margarethe selbst Regie führen wollte. Zusammen bewegten sie sich durch die auch für beide schwierige Zeit der RAF-Verfolgung und der Kampagnen des Springer-Verlags gegen die sogenannten „Sympathisanten“. Beide verarbeiteten die Geschehnisse in mehreren Filmen, wobei sie als Co-Autorin und -Regisseurin in der Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von 1975 reüssierte und spätestens mit „Die bleierne Zeit“ von 1981 zu den wichtigsten Filmschaffenden Deutschlands zu zählen ist.

Margarethe von Trotta 2017 im Umfeld des Helmut-Käutner-Preises (Screenshot)

Margarethe von Trotta 2017 im Umfeld des Helmut-Käutner-Preises (Screenshot)

Ihre kurze Vergangenheit in Düsseldorf spielte da schon längst keine Rolle mehr, und es dauerte bis 2017 bis sich die Stadt an die Frau erinnerte, die in Kaiserswerth gelebt hatte. Ihr wurde der Helmut-Käutner-Preis verliehen, und im Gespräch mit dem Direktor des Filmmuseums (siehe Video unten) erwähnt sie diese Zeit auch. Auch wenn Margarethe von Trotta vielleicht keine so richtig echte Düsseldorferin ist, passt sie doch gut zu dieser Stadt, die von Beginn an eine Rolle in der Kinowelt gespielt hat – angefangen mit Harry Piel und Pola Negri und über Luise Rainer und Helmut Käutner bis hin zu Wim Wenders.

Margarethe von Trotta im Gespräch mit Bernd Desinger

[Bildnachweise – Titelbild: Roger Weil via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE]

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